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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

9. 2. 2012 - 14:51

Fußball-Journal '12-1.

Die Tücken der Produkt-Präsentation und die Ventilierung des Gludovatz-Reform-Plans - Notizen zum Bundesliga-Auftakt.

Nach dem täglichen Journal von 2011 wird 2012 diversifizierter. Es gibt bereits ein Journal zum Afrika-Cup, es wird eines zur Euro, ein London Olympics-Journal und anderes mehr geben.

So auch ein klassisches Fußball-Journal '12 das wieder Bundesliga, und Cup, ÖFB und National-team, das europäische Geschäft, den Nachwuchs und das oft irrlichternde Umfeld begleiten wird.

Die "normalen" Einträge zum Journal 2012 erscheinen unregelmäßig und aus aktuellem Anlass.

Mir geht es ehrlich gesagt zunehmend auf die Nerven: die Reduzierung von Inhalten auf den Begriff des Produkts; genauso wie die Total-Umbenennung des Users/Hörers zum Kunden, wie das im öffentlich-rechtlichen Haus immer öfter vorkommt.
Gut, die Bundesliga, die den heimischen Profi-Fußball vertritt, darf, soll und muss tatsächlich in Kunden-Dimensionen denken; und will sie im aktuellen Marketing-Sprech der Konzerne überleben, muss sie auch dauernd vom "Produkt" Fußball reden. Das tut sogar Vordenker Paul Gludovatz.

Georg Pangl, der Geschäftsführer der Bundesliga, war kürzlich in Kansas City bei Sporting Kansas City, vormals Kansas City Wizards, dem MLS-Verein der Nicht-Hauptstadt von Kansas, zu Besuch. Einem Verein, der auf einen Zuschauerschnitt kommt, wie ihn die größeren heimischen Clubs auch haben. Und er war mächtig beeindruckt davon, dass ihm sein Smartphone nach dem Einchecken ins Stadion marketingtechnisch alles aufs Auge drücken wollte, was nur geht.

I'm going to Kansas City, Kansas City here I come

Vielleicht deshalb ging Pangl bei der Frühjahrspressekonferenz, der Kick-Off-Veranstaltung zum Start der Fußball-Bundesliga, die Sache mit der Produkt-Auslobung auch so leicht von der Hand. Wie auch die Aufforderung an die Medien, das Produkt spannend aufzubereiten, um es optimal an die jeweilige Zielgruppe zu verkaufen.
Medien (vor allem die audiovisuellen; man schreibt 2012 schließlich wieder einmal die Medienrechte für die Exklusiv-Übertragungen neu aus) sind Teil des Systems, Mitwirkende; und keineswegs in ihrer eigentlichen Rolle, als kontrollierende Kraft, erwünscht.

Nicht, dass das in anderen gesellschaftlichen Bereichen nicht genauso wäre (die meisten Print-Medien richten ihre politische Berichterstattung nach genau denselben Player-Rollen aus; vom sogenannten Wirtschaftsjournalismus gar nicht erst zu reden) - im Sport-Bereich läuft das halt offener.
Schließlich schält man, zumindest in Österreich, den Sport sowieso gerade aus dem Kernbereich der seriösen Berichterstattung raus und ordnet ihn den reine PR-Teilen wie Reise, Motor oder Karriere zu.

Zahlenspiele und Rising-Stars-Niederlagen

Um das Positive nicht zu vernachlässigen: ab sofort gilt in Sachen Lizenz-Auflagen, Lizenz-Vergabe und den entsprechenden Strafen eine deutlich höhere Transparenz. Der Österreicher-Anteil ist in der Herbstsaison (dank Topf) gestiegen; und die Austria hat mehr als doppelt soviel Akademie-Absolventen (19) wie alle anderen Liga-Clubs im Kader.

Wie in der Wirtschaft (aber auch bei Medien und ihren Verbreitungszahlen) üblich, wurden dann ein paar glatt gebürstete Zahlen präsentiert (die, vor allem in den Copy-Paste-Mainstream-Medien, garantiert ungeprüft übernommen werden...). So etwa ist die Zahl der (meist nur zum Zweck der Gewinn-Maximierung von Vermittlern und Mitschneidern bei den Vereinen) spielerisch wenig hochwertigen Legionäre laut Liga zurückgegangen.
Stimmt, wenn man von 2004/5 weg rechnet.
Stimmt nicht, wenn man mit dem Sommer vergleicht. Inklusive der in der aktuellen Übertrittszeit recht hysterischen 1. Liga sind zwar 17 dieser Legionäre abgegangen, aber gleich 24 neue dazugekommen (auch in der obersten Spielklasse allein kämen wird auf einen Import-Überschuss).
Ich würde das schon eher als kräftigen Anstieg denn als Rückgang bezeichnen.

Auch die Erfolgsmeldungen der Transfers von Barazite und Junuzovic haben einen schalen Nachgeschmack. Logisch, dass die Liga ihre besten Spieler exportieren muss; interessant, dass beide von der Austria (dem seit Jahren spielerisch besten Team der Liga) kommen - im Fall des Holländers schneidet allerdings dessen Heimverein Alkmaar den größten Kuchenteil ab. Der Fall Junuzovic ist noch trauriger: der musste deshalb vorzeitig (Werder wollte ihn eigentlich erst im Sommer holen) abgegeben werden, um die Einsatzgelder der Rising-Stars-Aktion wieder reinzuholen. Von den 800.000 Ablöse hat die Austria also so gut wie nix.

Vorsicht von Von Heesen, Attacke von Gludovatz

Immerhin haben die gefühlten drei Dutzend Neuzugänge bei Kapfenberg nichts gekostet, sagt Trainer Thomas von Heesen, der wohl gedacht hatte, diesbezüglichen Nachfragen gleich den Wind zu nehmen. Ihm war nicht bekannt, dass es diese Kultur kritischer Nachfragen bei heimischen PKs nicht gibt. Nur der, diesmal von Pangl eh nicht angegebene, Rückgang im Zuschauerschnitt war Thema. Obwohl: wenn die Admira den LASK ersetzt, ist das wohl logisch.

Von Heesen war da, weil alle da waren, alle zehn Bundesliga-Trainer. Nach einer Kurz-Abfrage am Podium können sie einzeln befragt werden; das hat was vom Pressetag vor der Superbowl.

Interessant auch eine Aussage der Sponsor-Vertreterin von tipp3: die sprach von "Wett-Profis" als einer der anzusprechenden Zielgruppe. Ich habe in diesem Zusammenhang bislang immer nur von Spaß-Wettern und der all-täglichen Leichtigkeit der Amateur-Wette gehört. Dass man jetzt Professionalismus eingesteht, also zugibt Wett-Süchtige gezielt versorgen zu wollen, ist entweder ein echtes Eingeständnis oder ein neuer, offensiver Kommunikations-Schritt der Wettbranche.

Mein Interesse richtet sich auf Paul Gludovatz. Der hatte nämlich am Podium zur Causa Prima was Substanzielles zu sagen - während die Kollegen großteils am Phrasenschwein kleben blieben. Obwohl, Moniz sprach einen interessanten Satz: "Es gibt einen Mangel an Persönlichkeiten in der aktuellen Fußballer-Generation; es gibt immer weniger, die andere korrigieren." Mit 'korrigieren' meint der Holländer wohl das, was allgemein unter "Verantwortung übernehmen" benannt wird.

Der Knieschuss mit dem Winterstart: Lösung auf 2013 vertagt

Zurück zur Causa Prima: das Winterwetter und die daraus resultierende Frage, ob es nicht ein bissl deppert wäre Mitte Februar mit der Saison zu beginnen, zu einer Jahreszeit von der man mit ziemlicher Sicherheit weiß, dass sie Winterbedingungen bringen wird. Und weil ja auch allen bekannt ist, dass veraltete Stadien wie die "Trenkwalder-Arena", also das Graffl in der Südstadt, nicht einmal den Mindeststandard Rasenheizung budgetiert haben, ist das ein alljährlicher Knieschuss.
Weil die Rasenheizung von der Liga zwar angemäkelt, aber nicht vorgeschrieben wird, müssen zumindest zwei Spiele der erste Runde abgesagt werden, die gesamte Runde zu verschieben war allerdings nie am Radar.

Pangls Antwort: Wir müssen spielen, wegen dem zu engen Terminplan, und in zwei Wochen (wenn es dann wieder schöner ist) hat man das alles wieder vergessen. Eine Klasse-Methode um das Problem auf Februar 2013 zu vertagen. Dass das "Produkt" Fußball im Februar immer nur eine Parodie auf das, was Pangl in Kansas gesehen hat, bleiben kann, ist scheinbar kein Widerspruch.

Im Nu gab es eine kleine Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Frühstarts in den eiseskalten, dem ÖSV vorbehaltenen Winter. Tatsächlich erlauben der Rahmenterminplan (Meisterschaft, Cup, Nationalteam) heuer deshalb keinen späteren Start, weil die UEFA am 20. Mai Schluss macht - wegen der Euro-Vorbereitung.

Keine Euro-Teilnehmer, trotzdem Terminplan-Unterwerfung

Tatsächlich sieht es trist aus für Euro-Teilnehmer aus der Bundesliga: Gustafsson und Lindgren dürften ihre Chance verspielt haben, Mendes war zu lange verletzt, die alten Tschechen sind überm Zenit. So bleibt Issiaka Ouédraogo wohl der einzige Liga-Spieler, der 2012 bei einem großen Turnier teilnimmt.

Da sich recht sicher einschätzen lässt, dass die österreichische Bundesliga eher null Euro-Teilnehmer stellen wird (Pangls Beispiel Svento fällt mangels Qualifikation der Slowakei auch flach...) wäre eine Ausnahmegenehmigung zwar möglich, wird von der Liga aber offensichtlich nicht angestrebt. Man verweist auf den früher Saisonstart im Juli 2012. Und da beißt sich dann die Katze selber in den Schwanz.

Was wiederum Gludovatz grollen und einen Reform-Plan avisieren ließ. Dem Ried-Coach geht die Dauer-Stresserei durch zuviele Termine und die daraus resultierende Unmöglichkeit einer gscheiten Vorbereitung und einer brauchbaren Regeneration der Spieler so auf die Nerven, dass er offensichtlich eine Kampagne für ein Runterschrauben von 36 auf 32 Runden anzetteln will.

Wie er das anstellen will, verriet er auch auf mehrmalige Nachfrage nicht, deutete nur ein Modell mit einem Play-Off an und forderte die Medienvertreter ganz konkret auf, das Thema gefälligst zu ventilieren, um so Druck auszuüben. Dann würde er mit seinem in der Schublade bereiten Plan daherkommen.

Okay.
Hiermit ventiliert:

Gludovatz schlägt neues Liga-Modell mit 32 Runden vor

Abgesehen davon, dass sich 32 Runden nur mit einer 17er-Liga oder einem Play-Off-System, in dem im Frühjahr die Top 8 weiterspielen, ausgeht (also unsinnigen Modellen...) ist die angestrebte Entschlackung des hysterisch überzogenen 36-Runden-Spielplans natürlich eine gute Sache. Ich würde also darum ersuchen, Gludovatz weiter damit zu quälen.

Der Rieder Trainerfuchs sprach übrigens auch vom Produkt Fußball, in genau diesem Zusammenhang - nämlich von der Beschädigung durch den alljährlichen Schlittschuh-Start.

Im Übrigen: hat irgend-jemand irgendetwas von den im Juli anlässlich des Herbstsaion-Kickoffs avisierten "nationalen Journalisten-Award" gehört, den die Liga vergeben wollte? Tja...

In diesem Zusammenhang lasse ich mir das gefallen, das mit den Kunden und den Produkten - wenn auch über die inhaltliche Komponente nachgedacht wird. Solange die Liga-Produkt-Präsentationen aber im keimfreien Marketing-Traumland stattfinden und von den Medien verlangen diese weltfremden Ansätze kritiklos aufzubereiten, wird mir das weiter ganz öffentlich auf die Nerven gehen.