Erstellt am: 5. 2. 2012 - 23:30 Uhr
Afrika-Cup-Journal '12. Eintrag 14.
Der 28. Afrika-Cup wird im Afrika-Cup-Journal '12 mit einem täglichen Eintrag begleitet.
Den täglichen Output des Vorjahres wird es 2012, wie immer in geraden Jahren, nicht geben. Was ansteht: ein Fußball-Journal '12, ein Journal zur Europameisterschaft, ein London-Olympics-Journal und auch ein Journal 2012, eines mit anlass-bezogenen Beiträgen zu Themen wie Jugend- und Popkultur, Demokratie- und Medienpolitik.
Dass die beiden heutigen Viertelfinalspiele eng werden würden, deutlich enger als die gestrigen, das war allen im Vorfeld klar. Dass beide Matches in die Overtime gehen würden, eines davon sogar ins Penalty-Schießen, verwundert auch niemanden.
Ich denke aber, dass letztlich beide Spiele im Kopf entschieden worden sind, und das schon im Vorfeld.
Beispiel Gabun: Der bislang wirklich auffällig gute Veranstalter hatte nach seinen drei tollen Gruppenspielen im Viertelfinale plötzlich Angst vor der eigenen Courage. Denn natürlich ist man weder personell noch substanziell so gut wie es der aufsehenerregende Durchmarsch in der Gruppe vermuten lassen würde.
Die Folgen: Eine deutlich vorsichtigere Grund-Aufstellung; Vorsicht nach der durchaus verdienten Führung - Gernot Rohr nimmt Daniel Cousin, seinen erfahrenen Kapitän und Reißer vom Feld; der logische Ausgleich; sinkender Mut in der Verlängerung, Nerverln beim Elferschießen.
Gabun: Angst vor der eigenen Courage und dem Lauf
Beispiel Tunesien: Immer, wenn der Afrika-Cup nicht im Norden, sondern in Sub-Sahara-Afrika stattfindet, machen sich die Nordafrikaner, vor allem die Teilnehmer aus den Maghreb-Staaten, ganz klein. Vom Potential her sind Tunesien oder Marokko vielleicht nicht ganz so stark wie Ghana oder die Cote d'Ivoire, aber definitiv mit Co-Favoriten wie dem Senegal gleichzusetzen. Davon war aber im Vorfeld nicht einmal ansatzweise die Rede. Tunesier und Marokkaner kamen nur deshalb ins Turnier, weil sie mit einem Match gegeneinander begannen. Nachher sackte das Herz wieder in die Hose. Gegen Gastgeber Gabun riskierte man wenig, zeigte kaum Gegenwehr, war mit Platz 2 in der Gruppe zufrieden.
Die Folgen: Man trifft so auf den großen Favorit Ghana und zelebriert wieder das chancenlose Außenseitertum, traut sich zu wenig zu und fordert so die Niederlage geradezu heraus.
Tunesien: übergroßer Glaube an die Chancenlosigkeit
Während Tunesien sich schon in der Verlängerung geschlagen geben musste (ein schlimmer Fehlgriff des sonst recht guten Tormanns Mathlouthi von Etoile Sahel) und sich so in der seltsam-wehleidigen "Wir-haben-im-Süden-eh-keine-Chance"-Attitüde suhlen kann, kam es für das Team Gabon deutlich dicker. Gegen das bislang sehr wankelmütig agierende Team Mali gab man ein Spiel, das man über die längste Zeit definierte und dominierte, noch aus der Hand. Nach der Führung, in der 69. nahm Trainer Rohr seinen Kapitän, den Brecher Daniel Cousin, vom Platz. Ein paar Minuten später brachte Alain Giresse seinen eigentlichen Center, Cheick Diabete. Der schaffte dann den späten Ausgleich, aus einer der wenigen brauchbaren Szenen von Mali.
Die hatten ja seit Anbeginn an Probleme mit ihrem Mittelfeldspiel. Und das kann man an einem Mann, ihrem größten Namen, festmachen: Seydou Keita, dem Kaderspieler des FC Barcelona. Der ist ebenso wie Yaya Toure (der Ivoirer von Man City), ein großer Box-to-Box-Spieler, eine dominante Figur in der Aufbau-Zentrale im Mittelfeld. Während die Ivoirer aber einige echte Stars haben, ist Keita der einzige Superklasse-Akteur seines Teams; und wenn er dem Spiel nicht seinen Stempel aufdrücken kann, dann hat das schlimme Folgen. Team Mali konnte sich nur mühevoll fürs Viertelfinale qualifizieren und struggelte auch dort ordentlich. Ihr einziger, aber entscheidender Vorteil: die Erfahrungswerte und ihr Wissen ob solcher Situationen.
Mali ist trotz Seydou Keitas grottigem Turnier weiter
Genau das ging Team Gabun ab: Das verfügt zwar über tolle Talente, aber bis auf die beiden Kapitäne, Cousin und Keeper Ovono, über kaum Turniererfahrung. Deshalb wog der Tausch von Cousin so schwer. Jungstar Aubameyang trug plötzlich die alleinige Verantwortung für die immer druckloser werdenden Angriffe, Mitspieler wie Mouloungi bröselten völlig weg.
Giresse' Mali begnügte sich damit weite und hohe Bälle zu spielen, und sich damit über die Zeit zu retten. Denn die war der wichtigste Mitspieler; weil man damit Gabun unter Druck setzte. Und im Elferschiessen wirkte sich das dann aus; und zwar so als hätte ein auf die höchstmöglichen Effekte ausgerichteter Blockbuster-Regisseur das Drehbuch bestellt: Ausgerechnet Aubameyang vergab seinen Elfer; ausgerechnet Keita verwertete den seinen zur Entscheidung.
Team Gabun glaubte zu wenig an den möglichen Sieg und tappte in allerlei Fallen, die für die Freshmen bereitstehen.
Team Tunesien, alles andere als heurige Hasen, glaubten schon das ganze Turnier nicht wirklich an ihre Chance - und hatten so gegen das selbstsicher auftretende Ghana auch keine.
Selbstsicherheit als halbe Miete: Ghana wird Favorit
Ghana war wieder nicht fehlerfrei, zog sich nach der schnellen
Führung ein wenig vorschnell aus der Spielgestaltung zurück und hatte einige Mühe. Trotzdem machen die Black Stars am ehesten der Eindruck einer Mannschaft, die sich zutraut das Turnier auch gewinnen zu wollen: In diesem Team steckt unglaubliches Talent; diesmal waren es die Ayew-Brüder, die besonders hervorstachen.
Gegner Tunesien hätte vielleicht schon früher auf die Tugenden des immer nur kurz aufspielenden Zehners Darragi vertrauen müssen. Wenn Darragi, Afrikas homebased Spieler des Jahres, neben dem neuen Jungstar Msakni von Anbeginn an das tunesische Spiel gelenkt hätte, dann ... aber dazu hätte man an einen Erfolg glauben müssen. Siege beginnen eben im Kopf.