Erstellt am: 6. 2. 2012 - 19:00 Uhr
Urheberrecht und Überwachungsstaat
"Gratiskultur, nein danke", "Festplattenabgabe, ja bitte", "Verfolgung von Urheberrechten im Internet, ja sicher", so überspitzt könnte man die Forderungen von "Kunst hat Recht" formulieren.
Die Initiative für das Recht auf geistiges Eigentum wurde Ende Jänner von den österreichischen Verwertungsgesellschaften wie AKM, Austro Mechana,… ins Leben gerufen. Der Grund für diese Aktion wären die erheblichen Einkommenseinbußen der Kunstschaffenden durch unbezahlte Musik- und Filmdownloads im Internet. Über 2500 Künstlerinnen und Künstler unterstützen die Initiative bereits.
Nachdem die Verwertungsgesellschaften kaum noch Einnahmen aus den Leerkassettenabgaben erhalten, fordern sie ein zeitgemäßes Modell einer Festplattenabgabe. Doch mit diesen Reformvorschlag waren sie bei den Sozialpartnern nicht erfolgreich.
Heinz Ortner
Sie verknüpfen diese Forderung nun mit folgenden:
- ein klares Bekenntnis der österreichischen Politik zum Urheberrecht als Grundrecht der Künstlerinnen und Künstler.
- eine zeitgemäße Reform und Ausbau des Urheberrechts unter Berücksichtigung aktueller Technologien.
- die Erhaltung des Urheberrechtssenats als effiziente Streitschlichtungsinstanz.
- wirksame Instrumente der Rechtsdurchsetzung.
Kritik an "Kunst hat Recht"
Die Gegenstimmen kritisieren die Forderung nach einer verschärften Verfolgung der ihrer Meinung nach veralteten Urheberrechte im Netz. Diese würden sich nämlich nur in die Praxis umsetzen lassen, wenn es im Netz auch weitreichende Überwachungsinstrumente gäbe. Mit "Polizeistaatmethoden" vergleicht der Künstler und Medienforscher des Wiener World Information Instituts, Konrad Becker, diese Forderungen.
Er sieht seine Kritik an "Kunst hat Recht" als eine Initiative für Kunst, die sich nicht durch neue restriktive Maßnahmen einschränken lassen sollte. Denn die Kunst gehört nicht den Rechtsanwälten, sondern den Künstlern. "Kunst hat Recht" ist für ihn eine Verzweiflungsaktion:
"Es ist bedauerlich, dass sich Künstler für die Interessen einer Industriekampagne einspannen lassen, die ihnen selbst überhaupt nicht zu Gute kommt. Da gibt es so eine Art Stockholmsyndrom, eine Identifikation mit dem Aggressor, wo gerade die Künstler, die am wenigsten von diesen digitalen Umbrüchen profitieren können, glauben, wenn sie sozusagen die Forderungen der Großindustrie unterstützen, dass sie davon einen Vorteil haben werden. Im Rahmen dieser Initiative sind auch Bildhauer zu Wort gekommen. Wer glaubt denn, dass sich irgendjemand einen Stein aus dem Internet runterladet?"
Die Journalistin und Regisseurin Tina Leisch ist ebenfalls eine Kritikerin von "Kunst hat Recht":
Eva Dranaz
"Ich finde das Schrecklichste an dieser Initiative ist Forderung nach der Durchsetzung der Urheberrechte im Internet. Ich habe auch versucht, von den Initiatoren dieser Kampagne, das sind ja die Verwertungsgesellschaften und nicht die KünstlerInnen selber, zu erfahren, was sie eigentlich da wollen. Doch die sind bisher sehr schwammig und unpräzise. Aber natürlich geht es darum, Leute die urheberechtlich geschützten Content im Internet anbieten und runterladen, abzustrafen."
Doch warum unterstützen so viele Kunstschaffende diese restriktive Aktion der österreichischen Verwertungsgesellschaften? Tina Leisch erklärt sich das mit einem Informationsdefizit.
"Ich glaube, dass manche das nur unterschrieben haben, weil es gut klingt: die Leute sollen für Kunst bezahlen! Die Kollegen haben vielleicht gar nicht überlegt, was es bedeutet, wenn sie verlangen, dass die Provider prüfen sollen, welchen Content sie an die Internetbenützer ausliefern. Das ist glaube ich der Knackpunkt von Bürgerrechten, Datenschutz und freien Netzzugang. Es kann nicht sein, dass ich als Künstlerin nicht den gläsernen Menschen, den Big Brother, 1984, Brave New World und die Vorratsdatenspeicherung will, aber auf der anderen Seite fordere, dass das Internet total überwacht werden muss, weil eventuell mein Film gratis heruntergeladen wird. Das ist die Schizophrenie, die sich die Leute mit "Kunst hat Recht" einhandeln, wenn sie nicht über die Folgen nachdenken. Ich will schon, dass man mir etwas zahlt für meine Sachen, aber wenn das der Preis ist, kann ich das vernünftigerweise nicht verlangen."