Erstellt am: 2. 2. 2012 - 13:42 Uhr
"Given To The Wild"
Es ist gerade nicht so eine gute Zeit für Gitarrenpopbands in Großbritannien, heißt es. Mit ihren ersten beiden Alben waren die sympathischen Maccabees zwar in den Top30, aber jetzt, mal sehen. Denkste, die fünf Boys von Nebenan sind straight auf Platz 5 der britischen Albumcharts eingestiegen. Charts hin oder her, "Given To The Wild" ist ein kleines Meisterwerk.

Maccabees
Imagination And Flair

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"Given To The Wild" von The Maccabees ist bei Fiction/Coop erschienen.
Der Sänger der Maccabees heißt Orlando Weeks. Was für ein Name, und Orlando singt immer ein wenig so, als ob die Welt gleich morgen enden würde. Orlando ist der junge Mann mit der Crooner-Stimme, ein still-charismatischer Fan der Jackson Five, den man selbst als Britmusic-Fan auf den Straßen von London nicht erkennen würde. Felix White ist der Bandleader mit den halblangen Haaren, der beredte Außenminister der Band, der das große musikalische Ohr hat. Hugo White ist sein Bruder. Er ist der, der ein wenig aussieht wie Win Butler von Arcade Fire. Und schließlich ist da noch die Rhythm Section der Maccabees, Drummer Sam Doyle und Rupert Jarvis am Bass.
Catch them, if you can, denn bald schon werden die Maccabees in Stadien spielen. Trotzdem singt Orlando Weeks, "Nothing stays forever, no", oder gerade deshalb - im Song "Forever I´ ve Known", und dann bittet er: "Can I still try?" Dann kommen die Streicher, aber da sind wir schon im nächsten Song, "Heave", einem Song, der daherkommt wie das erste Stück, nachdem man eine alte Vinylplatte umgedreht hat. Erste Hälfte genossen, jetzt die zweite. Immer höher schraubt sich die Musik der Maccabees hinauf auf "Given To The Wild". Herrlich. Und dann, was ist das? "Eye Of The Tiger"? Das Tielstück vom "Rocky III"-Film, 1982, die US-Band Survivor? Nein, "Pelican" heißt dieses Maccabees-Stück mit dem Eye-Of-The-Tiger-Intro.
The Maccabees sind nach den Makkabäern benannt, einer Gruppe jüdischer Freiheitskämpfer aus der Zeit vor Christus. Orlando Weeks, Felix White und die anderen der Band blätterten, auf der Suche nach einem Bandnamen, in der Bibel und stießen auf die Makkabäer.
One Thing's For Sure
"And one thing’s for sure, we’re getting older", singt Orlando Weeks in "Pelican", der ersten Single des neuen Albums. "And we´re going back to where we came from." Aber damit noch nicht genug: "Nothing’s easy, that’s for sure." Wieder ein Album über das Erwachsenwerden? Ja, schon irgendwie. Schließlich sind die meisten Freunde der Maccabees gerade beim Familie-Gründen und Hauskredit-Aufnehmen. Da macht man sich so seine Gedanken, schließlich gehen die Maccabees auf die Dreißig zu, und auch sie sind nicht immun, gesellschaftliche Zwänge hin oder her. "In the sunshine by the windowsill in the kitchen", heißt es im Song "Go".
Zwei Jahre haben die Maccabees an "Given To The Wild" gewerkt. Jeder hat diesmal für sich Songs geschrieben - getextet und komponiert. Nicht wie in der Vergangenheit, wo Orlando Weeks mit den Songs kam und die Band sie dann gemeinsam einspielte. Erst nach einer Weile hat man sich in einem Londoner Studio eingemietet, südlich der Themse, in jener Gegend, die sich Elephant & Castle nennt und noch immer ein ziemlicher Moloch ist. Das Elephant & Castle-Studio nutzten einmal die einflussreichen schottischen Krachmacher The Jesus & Mary Chain und nannten es The Drug Store. Aber das sind längst vergangene Tage hedonistischer britischer Popkultur. Die Maccabees sind wohlerzogene junge Männer, und außerdem, sagt Felix White, ist gleich in der Nähe ein Polizeiposten.

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Mut, viel Mut
Ihre Kräfte steck(t)en die Maccabees in ganz andere Dinge, etwa in die Frage: "Wer könnte uns helfen, eine wirklich tolle Platte zu machen?" Beim letzten Longplayer war das der britische Producer Marcus Dravs (Björk, Mumford & Sons, Coldplay, Arcade Fire), aber Vergleiche mit Arcade Fire hatten die Maccabees dann mehr als genug. Beim ersten Longplayer waren das ja noch die Futureheads. Schließlich fiel die Produzentenwahl auf den Briten Tim Goldsworthy, der seit über zehn Jahren in New York lebt und dort etwa mit James Murphy und seinem LCD Soundsystem gearbeitet hat und das DFA Plattenlabel zwischen Punk, New Wave und moderner Elektronik mitbegründet hat.
If you like this, try these:
Foals - "Total Life Forever"
Bombay Bicycle Club - "A Different Kind Of Fix"
Den LCD-Einfluss auf Maccabees-Songs wie "Go" oder "Unknow" hört man dann auch. Vor allem letzterer Song ist ein master piece, so wie das Stück gespielt, aufgenommen und gesungen ist. Mut haben diese Boys, pardon, Männer, viel Mut. Toll auch hier die Falsettstimme von Orlando Weeks. Und dann nach dieser kleinen Tour-de-Force das (anfangs jedenfalls) entspannende "Slowly One", gefolgt vom Album-Closer "Grew Up at Midnight". "Superb. "We‘re doing the best we can", versichert Orlando Weeks im Schlusssong dann nochmals mit Nachdruck, obwohl es gar nicht nötig ist das nochmals extra zu sagen. "Given To The Wild" ist soweit die beste britische Platte, die im neuen Jahr erschienen ist.