Erstellt am: 3. 2. 2012 - 06:03 Uhr
Frühstück im Heartbreak Hotel
Ein Galgen von der Wohnzimmerdecke, aufgeschnittene Pulsadern in der Badewanne: Während der gutgekampelte Harold Chasen in "Harold and Maude" gern seinen eigenen Tod inszeniert, denkt der ebenfalls gutgekampelte Oliver Tate in "Submarine" einen Schritt weiter und imaginiert die eigene Beerdigung. Fernsehberichterstattung, Pressekonferenz der Eltern, heulende Mädchenhorden und ein Blumenmeer vor der Schule. Und nicht nur die Beschäftigung mit dem Tod verbindet diese beiden jungen Männer, sie scheinen geradezu seelenverwandt zu sein.
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Wie Hal Ashby 1971 erzählt auch Richard Ayoade in seinem Regiedebüt "Submarine" von dem, was man gemeinhin als coming of age bezeichnet. Ohne angry young man-Attitüde, dafür mit Krawatten und einem Wortschatz, der auch von einem Alberich bewacht werden sollte. Ayoade widmet sich der Diskrepanz zwischen teenagerischem Selbstbild und wie man wahrgenommen wird, erzählt von herzklopfender Verliebtheit, altkluger Überlegenheit und dem Gefühl, ein Fremdkörper in der Welt zu sein. Allerdings ein reichlich raffinierter und kultivierter Fremdkörper. Auch wenn sich Olivers Eltern ein wenig um ihn sorgen, wer hätte nicht gern einen Teenager-Sohn, der Serge Gainsbourg hört und J. D Salinger, Grass und Nietzsche liest.
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Eiskalte Engel und ein artic monkey
An seiner Kinderzimmerwand hängt ein Plakat von "Der eiskalte Engel" mit Alain Delon und auch "Submarine" selbst hat ein Stück seines großen Herzens an das französische Kino der 1960er Jahre verloren. Zwischentitel und Farben wie bei Godard und wenn Oliver am unwirtlichen Strand von Swansea dem wütenden Meer entgegenläuft, dann tut er das in den Spuren von Truffauts Antoine Doinel. Doch vielmehr als Hommage ist "Submarine" ein Stück britisches Kino - eigenständig und so whimsical wie seine Hauptfigur. Mit blauem Dufflecoat und Ledertasche schlurft Oliver Tate (Craig Roberts) durch die Welt, die Augen ein wenig müde, die Gesichtsmuskulatur im Dornröschenschlaf. Er ist genauso eloquent wie die Lieder von Alex Turner, der den Soundtrack beigesteuert hat. You look like you've been for breakfast at the heartbreak hotel.
Apropos Herz: Seines gehört der enigmatischen Jordana (Yasmin Paige), eine Zündlerin mit Pagenkopf, die der Welt - eingehüllt in einen roten Mantel - unerschrocken entgegenblickt. Jeder Charakter hat hier eine eigene Farbe, Olivers Vater (Noah Taylor) steckt im braunen Morgenmantel, seine Mutter (Sally Hawkins) in hellgelben Ensembles, der neue Nachbar Graham (Paddy Considine) trägt schwarze Hemden und waffenscheinpflichtigen Vokuhila. Es sind schließlich die 1980er Jahre. I'm a prism verkündet der hanebüchene Esoterik-Gauner Graham in Vorträgen.
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Retrocharme
Und wie ein Prisma bricht auch "Submarine" das Licht, das es auf die 80er Jahre wirft und macht aus ihnen ein Fetisch-Kaleidoskop für Hipster. Polaroid-Kameras, Kassettendecks, Schallplatten, herzförmige Sonnenbrillen, ein Pullover mit Pferdekopf-Aufdruck. Urban Outfitters könnte eine ganze "Submarine"-Kleidungs- und Accessoire-Linie herausbringen. Oliver Tate nimmt den Hipster bereits vorweg und speichert sich Erinnerungen als Super-8-Filme, wertet sie durch dieses Format auf, ein Format, das durch Körnigkeit und Wärme besticht, so wie der Hipstamatic-Fotofilter am Smartphone die Kälte digitaler Aufnahmen überwindet.
Red Hour Films
Doch nie wird "Submarine" zur style-over-substance-Angelegenheit, immer wieder watschen nüchterne walisische Realitätsfetzen den Hipsterfiebertraum wach. Schrottplätze, verlassene Jahrmärkte, Grausamkeiten am Schulhof, Krankheit und eine Tristesse, die stets gemeinsam mit Wolken in der Luft hängt.
Red Hour Films
Reiner Manierismus interessiert Ayoade genauso wenig wie tristes Drama, das sich der Realität verpflichtet fühlt - und das das britische Kino jahrelang dominierte. Aus der Melange aus polierten Oberflächen und ruppigen Tiefgängen in Sachen teenage angst wird "Submarine" ein U-Boot, das noch lange - in wohlig warmen Analogbildern - durch Erinnerungen gleitet.
60x2 Tickets zu gewinnen!
FM4 Kinopremiere "Submarine"
am Mittwoch, 8. Februar 2012
um 20.00 im Filmcasino (Margaretenstr. 78, 1050 Wien)
Wer an der Karten-Verlosung teilnehmen will, muss nur folgende Frage richtig beantworten: In einem U-Boot, das nach einem Sänger und Schauspieler benannt ist, schippert eine rotbemützte Crew durch einen Film aus dem Jahr 2004 - wie heißt der Kapitän dieses U-Boots?
Der Einsendeschluss ist vorbei und die GewinnerInnen wurden benachrichtigt. Die richtige Antwort ist Steve Zissou aus "Die Tiefseetaucher".