Erstellt am: 29. 1. 2012 - 23:42 Uhr
Afrika-Cup-Journal '12. Eintrag 9.
Der 28. Afrika-Cup wird im Afrika-Cup-Journal '12 mit einem täglichen Eintrag begleitet.
Das tägliche Journal des Vorjahres wird 2012 spezialisierter. Es kommt ein Fußball-Journal '12, es wird ein Journal zur Europameisterschaft, ein London-Olympics-Journal und anderes mehr geben. Auch ein Journal 2012, ein untäglich-unregelmäßiges, mit anlassbezogenen Beiträgen zu Themen wie Jugend- und Popkultur, Demokratie- und Medienpolitik.
Wenn die Ausgangsbedingungen so klar sind wie in der Gruppe A (der Co-Gastgeber ist bereits durch und Gegner Zambia genügt bereits ein Remis, um Libyen draußenzuhalten) am dritten Spieltag, dann darf man nicht allzu viel an spielerischer Brillanz erwarten. So reichte es dem zambischen Team dann auch seinen bereits qualifizierten Host - das von so viel Erfolg schon fast trunkene Team Äquatorial-Guinea - zu kontrollieren und ihnen ein Tor zu machen, von dem sie sich nicht mehr erholen konnten.
Im Parallelspiel versuchte der als Co-Favorit ins Gesamt-Turnier gegangene Senegal zum dritten Mal ein Spiel mit genau dieser sicheren und ruhigen Hand zu kontrollieren und scheiterte ein drittes Mal. Insofern kann man nicht mehr von Zufall sprechen. Libyen feierte den Sieg gegen Senegal wie einen Titel, durchaus gerechtfertigt.
Zambia hatte unter anderem auch deswegen den unbedingtesten Siegeswillen aller vier Gruppe-A-Teams, weil man mit einem Gruppensieg die Begegnung mit Top-Favorit Cote d'Ivoire, zumindest einmal im Viertelfinale, verhindern kann. Die treffen jetzt, aller Voraussicht nach, auf den Co-Host Äquatorial-Guinea, die ohnehin bereits deutlich mehr erreicht haben als erwartet und wahrscheinlich lieber heldenhaft gegen die gloriosen Elefanten untergehen als gegen ein weniger großes Team zu stolpern.
Abschied von Libyen und Senegal; Zambia bleibt im Rennen
Draußen sind zum einen Libyen, die nach einer eigentlich für unmöglich gehaltenen Qualifikation im Bürgerkriegs-Jahr 2011 ein beeindruckendes Turnier gespielt haben. Ich zumindest habe jetzt die Gaddafi-Assoziation, auch wenn es um libysche Kicker geht, aus dem Kopf gebracht und sehe jetzt vorm geistigen Auge Spieler wie Younes, Djamal, Walid oder Ihad.
Draußen ist der bereits am Mittwoch gewürdigte Mitfavorit Senegal. Da hätte eigentlich alles gepasst: intensive langfristige Aufbauarbeit endlich einmal durch einen Nicht-Glücksritter, sondern einen von Nachhaltigkeit geprägten Ex-Spieler, gute taktische Variationsbreite, eine nominell brauchbare Defensive und Offensivspieler zum Zungeschnalzen. In der Quali setzte man sich gegen den Kongo und auch noch Kamerun durch - und im Finalturnier dann drei Niederlagen. Einiges war Pech, einiges unnötig, aber insgesamt bleibt das, was auch im heutigen Spiel zu erkennen war: Bemühen ohne wirkliches Verlangen.
In früheren Zeiten, als die "Kleinen" beim Afrika-Cup-Turnier noch mit großen Augen und ohne viel globales Wissen angetanzt sind, wäre sich das ausgegangen für Senegal. Diesmal, bei einem CAN, der deutlich gezeigt hat, dass es in Afrika keine fußballerisch Bloßfüßigen mehr gibt (als die in Wien gern jegliche Gegner, die man zuallererst einmal unterschätzt, benannt werden) ging sich das nicht mehr aus.
Wie sich machtgeile Plutokraten Erfolg via Fußball erkaufen
Auch deshalb, weil die Anstrengungen, die die beiden Gastgeber unternommen haben, diesmal durchaus an das erinnert, was wir bislang nur von im Ölreichtum schwimmenden Plutokratien am Golf oder vergleichbaren Monster-Potentaten aus sowjetischen Nachfolgestaaten gewohnt sind.
Für das afrikanische Prestige-Projekt der Kontinentalmeisterschaft haben sich Gabun und eben Äquatorial-Guinea das vorgenommen, was etwa Sochi oder Katar im Weltmaßstab anpeilen: politische Bedeutung durch sportliche Großmann-Sucht.
Im fußballerischen Niemandsland Äquatorial-Guinea begann eine Task Force im Jahr der Vergabe, also 2006, mit umfangreichen Vorbereitungen. Die Trainer, die man seither verbraucht hatte, erzählen die Geschichte am besten.
2006/7 war es der Spanier Quique Setién Soler, den sie El Maestro nannten, 2008/9 war es der große Vicente Engonga Maté, spanischer Ex-Teamspieler mit equatoguineischen Wurzeln, der das Team der alten Heimat übernahm.
2009/10 kam die südamerikanische Note ist Spiel: Carlos Martínez Diarte, ein "El Lobo" genannter No-Name aus dem Stab der Nationalmannschaft aus Paraguay; der wurde - wohl auch wegen seiner Krebserkrankung - von Henri Michel, dem französischen Superstar, abgelöst.
Equato-Guinea: von Engonga über Michel zu Gilson
Michel war Trainer der großen Platini-Nationalmannschaft in den 80ern, erlebte das Schumacher-Battiston-Halbfinale von 86 auf der Bank und ist seit Mitte der 90er in Afrika aktiv, war Nationalcoach von Kamerun, Tunesien, Marokko und der Cote d'Ivoire und coachte auch die großen Teams von Zamalek, den Mamelodi Sundowns oder Raja Casablanca, ehe ihn im Dezember 2010 der Ruf aus Malabo ereilte. Eine Entscheidung, die Sportminister Ruslan Obiang Nsue natürlich mit dem (durch die neuen Öl-Vorkommen jetzt sowieso) allmächtigen Staatschef Teodoro Obiang abgesprochen hatte. Der ist turnusmäßig 2011/2 Vorsitzender der African Union und brauchte in dieser Zeit, auch schon vor dem CAN, natürlich ein Vorzeige-Spielzeug - dafür eignete sich Michel perfekt.
Natürlich gab es nichts als Troubles, weil sich sowohl der Sportminister als auch die Fußball-Nomenklatura des Verbands massiv in die Einberufungs-Politik einmischten, was das schwierige Teambuilding aus dem Nichts praktisch verunmöglichte. Im Oktober 2011 konnte Michels Abgang gerade noch einmal verhindert werden, am 21. Dezember war dann aber Schluss.
Am 4. Jänner wurde Michels Nachfolger vorgestellt: ein Brasilianer, der bis dorthin keiner Mannschaft als Cheftrainer vorgestanden war - Gílson Paulo.
Der Mann aus Rio ist Sportchef der Akademie des Traditionsclubs Vasco da Gama und soll nach Beendigung der CAN auch wieder dorthin zurück.
Soweit die, für afrikanische Verhältnisse gar nicht so ungewöhnliche, Faktenlage.
Wie bildet man innerhalb von ein paar Tagen ein Team?
Wie es Gílson aus dem Wahnsinn an Einmischung und Eitelkeiten innerhalb der kurzen Zeit seiner Einflussnahme geschafft hat, die richtigen Spieler zu nominieren (am 14.1. war Annahmeschluss) und die auch noch richtig zu kombinieren, arrangieren und zu motivieren, ist ein echtes Mirakel.
Klar, die Hauptarbeit im Aufbau dieser völlig neu installierten Mannschaft war vorher, wohl auch schon vor Michel, wohl schon unter Engonga passiert: man checkte alle in (der ehemaligen Kolonialmacht) Spanien tätigen Profis und Halbprofis auf Eltern oder Großeltern aus Äquatorial-Guinea durch. Das immerhin ist ein Alleinstellungs-Merkmal innerhalb von Afrika - dort hatte (im Gegensatz zu Frankreich) noch niemand gegrast. Dazu wurde, wie beim Frauen-Nationalteam, das ja an der WM 2011 in Deutschland teilgenommen hatte, fleißig beim großen nördlichen Nachbarn Kamerun und auch in anderen westafrikanischen Staaten nach Kickern gesucht, die - für ein dezentes Angebot des Staats - sich zu einer zeitgerechten Einbürgerung bereiterklärten.
Natürlich spült eine solche Suche fast ausschließlich Spieler aus den zweiten, dritten und noch tieferen Klassen in die Mannschaft - offenbar konnte im Aufbau auf diesen Cup aber sowas wie eine spezielle Eigendynamik, ein Wettbewerb im positiven Sinn erreicht werden.
Mit dem virtuellen Einkaufswagen durch die ganze Welt
In den Aufbauspielen 2011 wurden über 60 Spieler ausprobiert, Akteure aus Spanien, Frankreich, Brasilien, Kolumbien, Kamerun, Nigeria, Liberia, Cap Vert, Cote d'Ivoire, dem Oman, dem Iran und den USA.
Vor allem im Spiel gegen den Senegal ist aus diesen Spielern eine echte Mannschaft geworden. Obwohl keiner in diesem Team das Land, für das man spielt, jenseits der Trainings- und Spielaufenthalte jemals gesehen/erlebt hat. Der Eigentlich-Ivoirer Ben Konate etwa, der Arbeiter im defensiven Mittelfeld, wird seitdem von Benfica Lissabon angegraben.
Die Methoden, mit denen sich Regime und Verband von Äquatorial-Guinea ins Turnier im eigenen Land geworfen haben, sind sicher keine Blaupause für sonstwen. Zumindest nicht für Nationen, die die Phase der Gewaltherrschaft und die Fortsetzung der kolonialen Ausbeutung 1.0 überwunden haben.
Wie ging Österreich vergleichsweise mit der Euro um?
Trotzdem fällt mir in diesem Zusammenhang das ein, was Österreich und der ÖFB für die Euro 2008 unternommen haben. Da wurde auch langmächtig herumgeschissen und probiert, letztlich griff man aber lieber auf die Patockas und Hidens zurück, anstatt irgendwo nach Secondos zu schürfen. Klar, der Fluch, einmal eine große Fußball-Nation gewesen zu sein, verbietet sowas.
Dass es aber tatsächlich Akademie-Leiter gibt, die ganz kurzfristig so teambuildend sein können, um aus Nichts eine Einheit zu schaffen, die Senegal (europäisches Äquivalent: Portugal) schlägt, gegen Zambia (in Europa wäre das Tschechien) mithält und verliert, weil man es sich leisten kann, und auch die guten Libyer besiegt, das macht mich schon ein wenig locker.
Nicht weil jetzt jedem Diktator klar sein könnte, dass man sich sportlichen Erfolg tatsächlich herbei erarbeiten kann, sondern weil das, was so ein Gilson bei Vasco in der Ausbildung, beim Nachwuchs, so an Können und Wissen ansammelt, tatsächlich mehr wert ist als Tausende Praxis-Spielminuten auf einer Bundesliga-Trainerbank.