Erstellt am: 27. 1. 2012 - 22:53 Uhr
Darf ich bitten?
Das Datum strotzt nur so vor Symbolkraft. Ausgerechnet am 27.1., dem Gedenktag der Befreiung von Auschwitz, findet der Wiener Korporationsball an der Wiener Hofburg statt. Zum regulären Kartenpreis von 72 Euro feiern rund 21 Burschenschaften und Studentenverbindungen nebst rechtspopulistischen PolitikerInnen wie FPÖ Obmann H.C. Strache in den herrschaftlichen Prunksälen. Das Datum sei rein zufällig mit dem Gedenktag kollidiert, spricht Ballorganisator Udo Guggenbichler. Doch viele Demonstranten außerhalb der Hofburg sehen den Termin als Affront.
FM4 / Alex Wagner
Der letzte WKR-Ball in der Hofburg hat zahlreiche Demonstranten mobilisiert. Mit 3.000 wurde im Vorfeld gerechnet, die FPÖ warnte im Vorfeld vor gewaltbereiten Protestanten, vor allem aus dem Ausland. Rund 8.000 bis 10.000 Demonstranten waren nach Angaben des Veranstalters auf den Straßen, die Polizei sprach von 2.500. Meine Kollegin Irmi Wutscher und ich schätzen, dass wohl an die 6.000 Personen in der Kälte protestiert haben und zwar friedlich.
FM4 / Alex Wagner
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Die Demo war dabei folgendermaßen aufgeteilt: Vom Westbahnhof und von der Universität ging jeweils ein Protestzug Richtung Heldenplatz. Dort wurde dann die große Abschlussveranstaltung mit einigen Ansprachen und den MusikerInnen Christoph und Lollo, Clara Luzia und Kommando Elefant abgehalten. Anders als im Vorjahr wurde die Demonstration heuer nicht offiziell verboten. Bis auf einige Böller, die mir kurzfristig Ohrensausen beschert hatten und wenige Bengalische Feuer waren die Demonstrationszüge großteils friedlich und rücksichtsvoll. Auch die Polizisten ließen sich nicht von Böllern, die zwischen ihre Füße geworfen wurden, und von einer fliegenden Bierflasche aus der Fassung bringen. Größere Ausschreitungen gab es bis dahin nicht. Einige Clowns versuchten, mit Seifenblasen und Pappdegen die Demo lustiger zu gestalten und im Notfall deeskalierend einzugreifen.
FM4 / Alex Wagner
Lediglich zwei Mal wurde der Demozug vom Westbahnhof unruhig, weil er kurz gestoppt wurde. Beim ersten Mal hielten die Organisatoren vor dem Omofuma-Denkmal beim Museumsquartier an, um eine Rede zu halten, die aber so leise war, dass sie niemand verstanden hat. Und beim zweiten Mal wollte die Polizei verhindern, dass die beiden Demozüge vorm Ring miteinander kollidierten.
FM4 / Alex Wagner
Selbst die Passanten und Ladenbesitzer auf der Mariahilferstraße reagierten äußerst gelassen auf die Demo. Von "Gegen was demonstrieren sie denn schon wieder" bis "Das unterstütz' ich voll und ganz" war alles zu hören. Unter den Demonstranten waren viele Jugendliche und Jungerwachsene, allerdings nicht nur links-autonome und der berüchtigte schwarze Block. Ältere Menschen waren jedoch kaum auf der Demo - hoffentlich lag's nur an den Temperaturen.
Auch bei der Anti-WKR-Ball-Demo setzten die Organisatoren auf Social Media. Unter dem Hashtag #nowkr konnten sich alle Demonstranten über die aktuellen Ereignisse informieren. Dass die Polizei die Demos mit Hubschrauber und Videokameras überwachen wird, konnte man sich aber vorher schon denken, auch ohne Twitter.
FM4 / Alex Wagner
Während die einen draußen demonstrierten, versuchten andere, die Burschenschafter daran zu hindern, in die Hofburg zu gelangen - mit Erfolg. Mit Fahrrädern und Sitzstreiks konnten Demonstranten wichtige Zugänge zum WKR-Ball besetzen. Zwei Reisebusse mit Burschenschaftern wurden minutenlang aufgehalten, die Polizei bemühte sich, die Gäste des WKR-Balls zur Hofburg zu bringen. Der WKR-Ball konnte dadurch erst deutlich verspätet beginnen.
So ganz ruhig ist aber auch die diesjährige Demo nicht verlaufen. In der Nacht hat sich die Situation der Demonstranten zunehmend verschärft. Einige Demonstranten sollen von der Polizei eingekesselt worden sein. Laut Twitter wurden mindestens 12 Personen verhaftet. Am Telefon bestätigt mir Roman Hahslinger, Pressesprecher der Polizei, dass es zu mehreren Festnahmen gekommen ist. Mittlerweile steht fest, dass 21 Personen festgenommen wurden. Drei Gäste des WKR-Balls und drei Polizisen wurden verletzt. Die Polizei hat zudem einen Sprengsatz bei den Demonstranten sichergestellt und mehrere versuchte Brandstiftungen verhindert.
Und während die Nacht noch jung ist und man erfährt, dass Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle als "akademisches Ehrenkomitee" im Ballprogramm steht, darf man ruhig die Frage stellen: Wurde mit dem letzten WKR-Ball in der Hofburg auch zum letzten Mal dagegen demonstriert?