Erstellt am: 26. 1. 2012 - 14:47 Uhr
Something for the Weekend
"The "hipster" is the name for what we might call the "hip consumer" or what Tom Frank used to call the "rebel consumer". The hipster is by defintion the person who does not create real art. If he or she produced real art, he could no longer be a hipster. It has long been noticed that a majority of people who frequent bohemia are what sometimes are called hangers-on or poseurs, art-aficionados rather than art producers. The hipster is the cultural figure of the person, very possibly, who now understands consumer purchases within the familiar categories of mass consumption (but still restricted from others) - like the right vintage T-shirt, the right jeans, the right food for that matter - to be a form of art."
(Mark Greif, What Was The Hipster, p.12)
Donnerstag
Eine der meistdiskutierten - weil gut im Dunstkreis der Themen Hypnagogic Pop und 80er-Jahre-Nostalgie angesiedelt – und auch eine der besseren Platten des letzten Jahres war „We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves“ von John Maus. Selbst jene, die den hier von Maus vollführten, wohl an Menschen wie Jan Hammer und dem Soundtrack von Miami Vice im Speziellen geschulten Synthie-Schmalz-Kapriolen in Verbindung mit dem sonoren Goth-Singsang aus der Schublade Suicide nur wenig abgewinnen konnten, durften sich auf diesem Album an einer feinen, kleinen Schunkeldisco-Ballade erfreuen: „Hey Moon“, ein heimlicher Hit des Jahres, ein weinselig torkelnder Song, zu dem man sich in Zeitlupe im Abspann eines Wes-Anderson-Films dreht und, nur ein ganz bisschen, schmust.
Nicht zuletzt sticht „Hey Moon“ auf der Platte von Maus ein wenig hervor, weil hier im Hintergrund der schön verhuschte Gesang von Molly Nilsson zu hören ist. Diese, wir sagen es gleich einmal ganz unumwunden, überaus tolle Frau Nilsson ist heute, Donnerstag, live im Morisson Club zu erleben. Und wer das verpasst, der kann den Coolness-Bonus und den Distinktionsgewinn für die nächsten zwei Monate schon mal abgeben. Denn freilich ist Molly Nilsson weit und viel mehr als bloße Backgroundstimme eines Hype-Typen: Was nämlich kaum jemandem aufgefallen ist, oder auffallen wollte, ist, dass „Hey Moon“ in der Variante von Maus bloß eine Coverversion ist, und im Original sowieso von Nilsson höchstselbst stammt und schon auf ihrem Debütalbum „These Things Take Time“ aus dem Jahr 2008 enthalten war. Mittlerweile ist die junge Schwedin via Berlin Nilsson bei Album Nummer Vier angelangt: „History“, erschienen Ende Dezember, ist eine verschollene Platte des Jahres 2011.

Molly Nilsson
Molly Nilsson praktiziert hier eine große Verbeugung vor Coldwave, reduziertem Synthie-Pop und unterkühltem Gothic-Alleinunterhaltertum am Billig-Keyboard. Es geht hier aber nicht bloß um das Reproduzieren irgendwelcher Styles und Sounds – das Songwriting nämlich überstrahlt bei Molly Nilsson die bloße Pose. Die Stimmung ist düster, die Stimme kalt und entrückt, das Leben ist grau – aber wunderbar. Im Vorprogramm gibt’s Falm und an den Plattengeräten Sirius & Darktunes, ebenfalls Meister der finsteren Party-Gestaltung. Allerschwerste Empfehlung. Der kleine, sagen wie mal, mit Patina besetzte Morisson Club als Konzert-Location mag zunächst merkwürdig scheinen, der schrabbelige Halbweltcharme früherer Tage dürfte jedoch auch der richtige Rahmen für Molly Nilsson sein.
Freitag

Marc Houle
Das Programm in der Grellen Forelle an der Spittelauer Lände wird langsam immer steiler. Eventuell könnte man dieses Mal das gesamte Wochenende dort verbringen und so an zwei aufeinanderfolgenden Tagen ziemliche Top-Namen von fast entgegengesetzten Spitzen des Spektrums "Techno" zu hören bekommen. Am Freitag kommt der Kanadier Marc Houle aus Richie Hawtins m-nus-Posse an die Plattenteller. Also ein Vertreter - und alles andere als der Schlechteste - jener Schule, die in den vergangenen zehn Jahren für die zweitweilige Dominanz von Minimal Techno verantwortlich gewesen ist, für kalt pulsierende Maschinen-Musik, für technischen Fortschritt, für marschierende Drogen-Musik ohne Herz, für "MINIMAL MY ASS"-T-Shirts und für "Berlin". Mittlerweile geht das ja wieder. Demnächst wird das, wir verraten es schon, sehr gute neue Album von Marc Houle erscheinen. Auf "Undercover" ist gar Platz für - in kleinen Dosen, verhältnismäßig - Pop und spröden Funk. Mit dabei am Freitag in der Forelle: Fabrizio Maurizi, ebenfalls m-nus.
Wer's weniger streng mag, darf zum Myyy Bitch Club in die Fluc Wanne. Das elektronische Pop-Potpourrie steht diesesmal unter dem Motto "Black Eyed & Eyelashed", passend hat man den feinen deutschen Produzenten Christian Strobe geladen, der in seinem Leben sicher schon einmal von Depeche Mode gehört hat und seine Remix-Hände beispielsweise schon an M83 und My Bloddy Valentine gelegt hat.
Samstag
Schönbrunner Perlen
Im Flex wird der zweite Release des guten jungen Wiener Labels Schönbrunner Perlen gefeiert, wo der Techno Gefühl hat, nämlich "Today I Feel" von Oberst & Buchner featuring Sänger Midimùm aus der Frittenbude (der Band). Ein sehr schöner, schwelgerischer Track. Diese Konstellation gibt's am Samstag dann auch live zu bewundern, ebenso wie Perlen-Aushängeschild Ken Hayakawa, Beppo Ton und einige mehr an den Platten.
In der Grellen Forelle wird am selben Abend ein wenig den Spuren von Schabernack in House und Techno nachgespürt, wenn nämlich zwei Produzenten aus dem Umfeld der französischen Labels Karat und Circus Company die Hallen beschallen. Le K und der großartige Wirrkopf Ark setzen in ihren Produktionen nicht selten auf akustische Ausreißer jeglicher Couleur, Schluckauf, Hupe und Jazziness, auf Weirdness und kleingeschredderten Funk. Auch von gut kaputtgeschossenen DJ-Sets, die sich der geschmackvollen Stromlinienförmigkeit eines perfekten Mixes widersetzen, geht die Legende. Es kann ja alles - und auch das komplette Gegenteil davon - sehr gut sein.