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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

24. 1. 2012 - 21:53

Afrika-Cup-Journal '12. Eintrag 4.

Die afrikanischen Italiener und der erste echte Schlagabtausch: Tag 4 beim CAN.

Der am Wochenende gestartete 28. Afrika-Cup wird im Afrika-Cup-Journal '12 mit einem täglichen Eintrag begleitet.

Denn das tägliche Journal 2011 wird 2012 spezialisierter. Es kommt ein Fußball-Journal '12, es wird ein Journal zur Europameisterschaft, ein London-Olympics-Journal und anderes mehr geben. Und auch ein Journal 2012, ein unregelmäßiges, mit anlassbezogenen Beiträgen zu Themen wie Jugend- und Popkultur, Demokratie- und Medienpolitik.

Es war noch in der ersten Hälfte des Startspiels der Gruppe D dieses Afrika-Cups zwischen Ghana und Botsuana, als klar wurde, dass der Favorit dieses Match trotz einer drögen und pomadigen, ja schon fast pampigen Leistung nach Hause schaukeln würde, dass in mir leiser Ärger hochstieg.

Das änderte sich auch in der 2. Halbzeit nicht, als sich Ghana, Co-Turnier-Favorit hinter der Cote d'Ivoire, durch einen schlechten Ball von Annan, der den Ausschluss von Kapitän John Mensah nach sich zog, überflüssigerweise in Schwierigkeiten brachte: irgendwie war klar, dass auch die lausigste Matchleistung nichts am Ausgang ändern würde. Die Kleinen (und Botsuana ist ein verdammt Kleiner) sind bei diesem Turnier zwar knapp dran (und hatten allesamt ihre Chance aufs Momentum) - das Gesetz der Serie würde es aber verhindern. Zumindest in der 1. Runde des Turniers.

... Ärger über Ghanas zähflüssige Leistung ablassen...

Ghanas Star-Ensemble jedenfalls zeigte her, warum sie niemand wirklich zum Top-Favoriten erklärt hatte. Das hat gefühlige Gründe: Ghana hat aus dem U20-Titel und der tollen WM-Leistung bei den Großen nicht soviel gemacht wie erwartet, sondern sich eher zu den Italienern Afrikas entwickelt. Eine solide Defensive (Mensah, Paintsil, Inkoom, Annan, Badu...) die nichts zulässt und davor eine Offensive des Minimalismus. Die Ayews, Gyan oder Muntari, alles irgendwie Ehren-Italiener.

Wenn die Cote d'Ivoire die Holländer sind (genug orange und genug 4-3-3 wären die ja...) und Tunesien die alten deutschen Tugenden aufwärmt, dann geht Ghana problemlos als Italien durch. Das kann ebenso bedeuten, dass sich die Black Stars noch zum Titel aufraffen, wie es auch ein peinliches Ausscheiden in der Gruppenphase möglich macht.

Denn die beiden anderen Gegner sind die Franzosen des Turniers: sowohl Guinea und noch mehr Mali. Nicht nur wegen der Trainer (Dussuyer und der große-kleine Alain Giresse), sondern wegen der Spielanlage.

Mali und Guinea melden ihre Co-Anwartschaft an

Mali gegen Guinea bedeutete, erstmals im Turnier, Action ab der ersten Minute, Action, die nicht auf nachlässige Abwehrreihen, sondern auf eigene Kraft und gute Strategie zurückzuführen war. Zwei ausgefuchste 4-3-3-Systeme, in denen gezielt eingesetzte Physis, Gestaltungswillen und jugendliche Emphase regierten, brachten einen schweißtreibenden und energiegeladenen Schlagabtausch der Extraspannungsklasse hervor.

Giresse hatte im Vorfeld auf einige Big Shots (Sissoko, Diarra und vor allem Freddy Kanoute) verzichtet und verließ sich allein auf Seydou Keita (von Barcelona), der eine verjüngte Equipe Malien führen sollte. Das machte dann den Unterschied zwischen dem heutigen Tempospiel und den früheren Stehversuchen aus.

Guinea tauchte zwar mit dem mittlerweile abgehalfterten Filigrantechniker Feindouno und dem etwa 99jährigen Bobo Balde auf, stellte denen aber fast ausschließlich jungen, hochtalentiertes Gemüse, wie den 19jährigen Lassana Bangoura von Rayo Vallecano zur Seite.

Und so wogte und wucherte das Match zwischen den beiden Nachbarn, die sich in deutlich sichtbarere Rivalität gegenüberstanden, fast zehnminütlich in unterschiedlichen Wellen hin und her. Zuerst drückte Guinea, dann kam Mali besser ins Spiel (und nützte den Vorteil für einen Treffer), ehe man sich Ende der ersten Halbzeit gleichwertig gegenüberstand (auch in den Rudelbildungen).

Wie klassische Rivalität zu einem Highlight führen kann

Die beiden Nachbarn teilen zwar den Fluss Niger, sonst aber ist der arme Binnenstaat (Mali) dem reicheren Küstenstaat (Guinea) unterlegen. Dass es beim Fußball seit Jahren anders herum ist, macht einiges an Zusatz-Motivation aus.

Die zweite Halbzeit war dann von fast schon wütenden Angriffen Guineas geprägt, denen Giresse ein paar Nadelstiche des frisch eingewechselten Dembele (Freiburg) entgegensetzte.

Dass es für Guinea letztlich nicht zu einem Punktegewinn reichte, hat weniger mit mangelnden Scoring-Fähigkeiten des Teams, sondern mehr mit einer Überkonzentriertheit im Prestige-Duell. Auch das Mali-Tor durch Bakary Traore war eher einem Zufall entsprungen, ein 0:0 wäre das folgerichtige Resultat gewesen.

So aber kommt Ghana unter wohl unerwarteten Druck. Denn entgegen der alten Gepflogenheiten, dass zumindest eine dieser klassisch fatalistisch auftretenden Team nach der ersten Niederlage einbricht, die Oldies sich zerfleischen und damit selber aus dem Turnier nehmen, werden heuer weder Mali noch Guinea irgendjemandem diesen Gefallen machen.
Beide Teams bleiben im Turnier. Und Ghana wird aufpassen müssen.