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Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

19. 2. 2012 - 07:03

Glaubt ihr, Marc merkt es?

Eier, Butter, Bier - Texte zu Einkaufslisten unbekannter Provenienz (10)

marc carnal

Marc Carnal, der schönste Mann von Wien, sammelt seit geraumer Zeit Einkaufslisten.

Unterstützt wird er dabei von einem stetig wachsenden Kreis an redlichen Helfern, die ihn regelmäßig mit am Wegesrand oder in Supermärkten aufgelesenen Zettelchen beliefern, auf denen Fremde seltsame, amüsante, wirre, ungesunde oder fragwürdige Gedankenstützen notiert haben.

Zu diesen teils zauberhaften Stichwortsammlungen verfasst Herr Carnal dann Texte und trägt diese zwischendurch auch öffentlich vor.

Termine findet man hier

marc carnal

Im Gegensatz zum Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“ soll man nicht meinen, viele Autoren würden die Einkaufsliste verderben. Diese hier finde ich nämlich sehr schön. Dass sich beim wirren Shopping-Scrabble mindestens drei Verfasser gegenseitig ins Handwerk gepfuscht haben, und dass diese es sich mit reichlich Naschwerk vor der Nintendo-Konsole bequem zu machen gedenken, die der allseits beliebte Oski besorgen wird, ist ebenso klar, wie dass Marc es natürlich bemerkt, wenn man ihm minderwertige statt ausgesuchter Haselnusscreme unterjubeln möchte.

Mit dem letzten Halbsatz zitiere ich eine Reklame, die vor einiger Zeit im Fernsehen lief. Ich möchte sie gerne nacherzählen:

Der Österreichische Fußballspieler Ivica Vastic sitzt mit seinen Kollegen am Frühstückstisch. Die Spieler essen mit Haselnusscreme bestrichene Brote. Ein Kollege weist die Mitspieler darauf hin, dass sie das ganze große Glas mit der süßen Creme bereits geleert haben.
Da feixt Herr Vastic – Er hat sich eine List erdacht!
Für seinen noch abwesenden Kollegen Marc Janko bestreicht er ebenfalls ein Brot mit Haselnusscreme, allerdings nicht mit der beworbenen, sondern mit einer schäbigen! Und schon sagt er einen der herrlichsten Sätze, die jemals in Haselnusscreme-Werbespots gefallen sind, wenn nicht sogar im Fernsehen überhaupt: „Glaubt ihr, Marc merkt es?“
Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass besagter Herr Vastic kroatischer Provenienz ist und deshalb nicht „Glaubt ihr, Marc merkt es?“ sagt, sondern eher „Glaubb ihr Marg mergdes?“, wobei er zum Satzende hin mit seiner ohnehin schon hellen Stimme in eunuchenhafte Höhen vordringt. Und natürlich: Marc merkt es!

Was sind das eigentlich für Vögel, die jene Werbespots schreiben, welche Sportlern ausnehmend häufig die Gelegenheit geben, zu demonstrieren, dass sie weder schauspielern noch sprechen können? Es müssen jene sein, die sich auf der glitschigen Karriereleiter der Werbeindustrie auf die untersten Sprossen runtergekokst haben und schließlich ausgebrannt und verzweifelt Dreißigsekünder aushecken müssen, die auf keinen Fall komisch oder klug sein dürfen.

So wurde über Monate ein Spot ausgestrahlt, in dem der ehemalige Schirennläufer Hermann Maier tatsächlich den Satz „I must to the bank“ sagt. Maier warb auch einst für Tiefkühlgemüse, indem er nackt in einen See sprang. Weiters erinnere ich mich daran, wie der einstige Fußball-Teamchef Dietmar Constantini dem Skisprung-Trainer Alexander Pointner einen riesigen Schneeball ins Gesicht warf und damit Bier anpries.

Von Sportlern werden in Österreich hauptsächlich Tiefkühlgemüse, Bier, Banken und Haselnusscreme beworben. Das ist schade, denn die Vorstellung, dass Tennisspieler für Damenbinden oder Schirennläuferinnen für Magentabletten werben, ist auch hübsch.

Hübsch sind auch viele Publizistik-Studenten. Ich wohne in der Nähe ihres Instituts und sehe oft, wie sie sich tranig in ihre Seminare schleppen. Man muss sie gar nicht nach ihren beruflichen Plänen fragen, die sie bereitwillig von selbst erzählen: „Also ich würde schon auch gerne was Journalistisches machen, aber am liebsten eher was in Richtung Werbung, Marketing oder PR.“
Wenn die Publizistik-Fröschchen Interesse daran hätten, die Klischees über ihre Zunft zu korrigieren, würden sie diese an Präzision kaum zu unterbietende Vision nicht bei jeder Gelegenheit rezitieren.

Sie erliegen dabei wohl gleich zwei Irrtümern. Erstens, dass in diesen Branchen Kreativität gefragt wäre und zweitens, dass man dabei viel Geld verdienen könne. Der Werbeindustrie Verlogenheit zu attestieren, mag eine Binse vom Format „Die Banken wollen doch auch nur Geld machen“ sein. Dass man in kaum einem Bereich tätig sein kann, in dem Arbeitskräfte noch mehr Druck, schlechterer Entlohnung, größerer Ungerechtigkeit, Monotonie und vor allem Leere ausgeliefert sind, dürfte sich allerdings noch immer nicht bis in den unerhört großen Kreis jener durchgesprochen haben, die ihn ohne jegliche Erfahrung verherrlichen und anstreben.

In einer der ganz wenigen großen Agenturen eine führende Position innezuhaben, monatlich dicke Fische an Land zu ziehen und spannende Projekte zu delegieren, ist rein theoretisch schon möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Wesentlich realistischer ist jämmerlich entlohnte geistige Fließbandarbeit, die nicht einmal die Schöpfung von Sätzen wie „I must to the bank“ beinhaltet, sondern vierzig Telefonate pro Woche mit dem Manager von Ivica Vastic oder das Lackieren von Tiefkühlgemüseschachteln in stickigen Studios.

Um diesem Text aber völlig unvermittelt wieder eine heitere Wendung zu zaubern, folgen fünf Variationsvorschläge für TV-Werbespots mit Sportlern:

1. Hermann Maier loggt sich aus seinem Netbanking-Account aus und stellt dann ein Foto von sich beim Nacktbaden auf Facebook. Neben ihm steht Ivica Vastic und fragt: „Glaubt ihr, Mark merkt es?“ Hermann Maier fragt: „Wieso ihr?“ Da nähert sich Dietmar Constantini und wirft mit Schneebällen.

2. Hermann Maier und Marc Janko sitzen am See und frühstücken. Janko bemerkt, dass Maier ihm ein Brot mit schäbiger Haselnusscreme untergejubelt hat. Er droht, ihn mit Schnee zu bewerfen. Da steht Maier ängstlich auf und meint: „I must to the bank.“

3. Hermann Maier, Alexander Pointner, Ivica Vastic und Dietmar Constantini essen Tiefkühlgemüse, nur Marc Janko isst Haselnusscreme. Er merkt es.

4. Dietmar Constantini bewirft Ivica Vastic mit Tiefkühlgemüse. Nach dreißig Sekunden wird ein Haselnusscreme-Logo eingeblendet.

5. Ivica Vastic schleicht sich in diesen Text ein und beendet ihn hinter meinem Rücken. Er zwinkert der Leserschaft zu: „Glaubt ihr, Marc merkt es?“