Erstellt am: 22. 1. 2012 - 16:10 Uhr
PR-Konzept mit Pseudo-Suter-Anhang
Gedruckte Bücher über Social Media haben ein großes Problem: Wenn der letzte Buchstabe gedruckt ist, ist die Thematik meistens schon überholt und hat sich durch ihre immanente Eigendynamik vielleicht schon wieder in eine ganz andere Richtung entwickelt. Wer es trotzdem versucht, muss kreativ sein. Neue Zugänge finden, "aha"-Effekte hervorbringen.
Springer Verlag
"Im Netz der Nachricht" von Thomas Holzinger und Martin Sturmer ist im Springer Verlag erschienen.
Bücher über Public Relations haben auch ein großes Problem. Die noch nicht so lange als professionelle Tätigkeit geltende Beschäftigung will seit einigen Jahren eine eigene Wissenschaft sein. Weil aber wissenschaftliche Bücher generell, und "hey, wir sind auch ur wissenschaftlich"e Bücher im besonderen selten in die Bestsellerlisten kraxeln, enden sie meist noch in Plastik verpackt im hinteren Bücherregal von zum Kauf verpflichteten Studierenden.
Diese beiden Probleme vereint das kürzlich erschienene Buch "Im Netz der Nachricht" der beiden Salzburger Autoren Thomas Holzinger und Martin Sturmer. Eigentlich geht es im Buch um die sogenannte "Newsroom-Strategie", also einen Leitfaden für Unternehmen, die jetzt auch was mit Social Media machen. Weil es PR-Konzepte trotz einfachem Schreibstil und knackigen Slogans aber selten schaffen, so etwas wie spannend zu sein, haben Holzinger und Sturmer ihr Konzept in einen Roman verpackt. Sehr gute Idee, katastrophale Ausführung.
Der Roman-Teil (das ausformulierte Konzept steht hinten im Buch) handelt von einem Salzburger Pharma-Konzern, dessen neues Malaria-Vorbeuge-Medikament unangenehme Folgen hat, nämlich kranke Österreicher in afrikanischen Krankenhäusern. Ernst Kanter, Mitte 50, ist der Kommunikationschef des Unternehmens und hat noch nie was von einem Shitstorm gehört. Als der über die Firma hereinbricht, ist der alte PR-Fachmann völlig verzweifelt, weil sich "das Internet" leider nicht wie der Intendant eines öffentlich-rechtlichen Regionalnachrichtensenders mit einem Essen im Hangar 7 umstimmen lässt. Am Ende des Romans stellt er dann das neue Konzept vor und gewinnt damit endgültig gegen den aufgeblasenen Marketinggockel im Vorstand. Und dazwischen passiert leider sehr sehr wenig.
Selten gesehen und für ein Social Media-Buch fast schon nur mehr ironisch interpretierbar: Der umfassende Copyright-Absatz auf den ersten Seiten. Dieser besagt ausdrücklich, das eine Vervielfältigung des Werkes "nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965" zulässig ist.
Nicht mehr junge Manager, deren gewohntes Leben plötzlich in Scherben liegt und junge Frauen, die eben diese Manager auf völlig neue Bahnen lenken. Das klingt nach Martin Suter und genauso wollen die beiden Autoren auch klingen. Das Problem: Ein Manager, der unabsichtlich auf halluzinogenen Schwammerln hängen bleibt ist einfach spannender als ein Rotwein-Liebhaber, der sich mit seinem Facebook-Account schwer tut. Lesen tut sich das so:
Doktor Kanter spürte förmlich, wie ihn ein unsichtbarer Magnet in Richtung des Oberkörpers seines ungeliebten Widersachers zog, genau genommen in Richtung Hals, dort, wo beim Kehlkopf jener Punkt zu finden ist, der den Unterschied zwischen Atmung und Stillstand ausmacht. Er sehnte sich für einen kurzen Moment nach jener Zeit, in der man einfach den Revolver antippen konnte und vor der Haustür die finale Auseinandersetzung suchen (sic!).
Die Figuren haben keine dunklen Geheimnisse (ein Alk-Autounfall ist der Spannungshöhepunkt des ganzen Romans), sind stereotyp gezeichnet (stille, aber eh gescheite Assistentin, schmieriges Marketing-Würschtl, realitätsfremder Vorstandsvorsitzender) und müssen sich mit Vermischung von privater und beruflicher Interaktion herumschlagen.
Das angehängte Konzept zeigt das Dilemma, mit dem sich PR-Menschen herumschlagen müssen, deren simple Ankündigung "Wir machen jetzt Social Media" nicht mehr ausreicht, um zustimmendes Kopfnicken zu erzeugen. Es ist die zu Papier gebrachte Verzweiflung, mit der fast ausnahmslos unsteuerbare Mechanismen der Online-Welt in Strategie, Maßnahmenplan und Evaluierung gepresst werden sollen. Die Best Practice Beispiele im Anhang (vulgo: Screenshots) sind auch wenig überraschend. Oder hätten sie jemals im Traum daran gedacht, dass Red Bull einen guten Social Media Auftritt hat?
Der Versuch, PR und Roman in einem Buch zu vereinen, wird wohl kein Standardwerk werden. Aber vielleicht schafft es "Im Netz der Nachricht" auf die Pflichtlektüre-Liste eines durchschnittlichen Lehrganges. Denn auch ein nicht ausgepacktes Buch ist immerhin noch ein verkauftes Buch.