Erstellt am: 21. 1. 2012 - 19:00 Uhr
Die FM4 Charts vom 21.01.2012
Meine Freundinnen hassen Lana del Rey. Sie bemängeln, dass an der Alten nichts authentisch ist und ihre Musik aus zu offensichtlich geklauten und repressiven Versatzstücken zusammengebaut ist. Mein Freund F. meinte nur hämisch, die Alte muss beim Singen ziemlich aufpassen, dass sie nicht einschläft.
- Die FM4 Charts vom 21.1.2012
- Brand New - die FM4 Neuvorstellungen der Woche
Ich hingegen bin große Freundin von Pathos, auch wenn er in diesem Fall freiwillig oder unfreiwillig fast schon zur Selbstpersiflage wird. Bis "Born To Die" konnte ich Lana noch ignorieren, aber dann war es vorbei. Nach dem ersten Streichersatz war ich ihr verfallen und dass, obwohl ich normalerweise kotzen muss, wenn irgendwo im Winde wehende Fahnen auftauchen.
Die Opulenz und Starrheit der Frauenfiguren, in die sie schlüpft, fasziniert mich, aber es könnte sich auch um einen 4 Minuten 47 Sekunden langen Parfümwerbespot handeln. In keinem anderen Genre kommt man mit derartiger Überstilisierung ungestraft davon. Lana, die geboren ist, um im modernen Cowgirl Image in den Armen ihres schlecht zugehackten Lovers schmachtend zu sterben.
Sollte ich mich schämen, dass mir "Born To Die" gefällt? Soll ich meine Freundin fragen, ob ich das Video ihrer sechsjährigen Tochter vorspielen darf, ob sie auch auf die Dramatik anspringt? Vielleicht ist das ein kitschiges Märchen, das in archetypischen Bildern jenseits von Narration die Geschichte einer Prinzessin erzählt, die schlimm war und deshalb sterben muss. Schmacht und Schmoll, Leiden ohne Grund, vielleicht vergessen wir besser all das hier und ich denke noch ein paar Runden nach, warum sie meinen Wahrnehmungsfilter durchbrochen hat. Ich erinnere mich an eine Zeit, als Kurt Cobain und Britney Spears als Antithesen galten. Lana del Rey nennt sie neben dem unvermeidlichen Elvis Presley als Haupteinflüsse.
Vielleicht ist Lana del Rey wie eine Michelada, der furchtbare Biercocktail, mit dem mich meine Freunde dazu brachten, zum ersten mal in die falsche U-Bahn zu steigen und sogar noch nächsten Tag in ein auch von meinen Kollegen frequentiertes Frühstückslokal am Yppenplatz zu kotzen.
Michelada besteht aus dunklem Bier und aus einem Mix aus Salz Limette Tabasco Sojasauce und Worcestersauce. Klingt theoretisch scheiße, schmeckt auch scheiße, aber das Zeug stimuliert alle Geschmackssinne gleichzeitig. Wie eine Explosion im Mund: man trinkt und trinkt und trinkt. So wie bei Lana Sex, Liebe, Tod, Drama, Freiheit alles in den Mixer geworfen und püriert wird.
Lana del Rey ist mit "Born To Die" auf Platz 3 der FM4 Charts. Und ganz oben am Stockerl sind Deichkinds "Illegale Fans".