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Pia Reiser

Filmflimmern

23. 1. 2012 - 11:12

Fame and Shame

Narzissmus, Wahnsinn, Nostalgie: Filme über Hollywood sind voll von geplatzten Träumen und Illusionen. Abgesänge auf die seelenzermalmende Traumfabrik kann man momentan im Österreichischen Filmmuseum sehen. Juche!

Stimmt schon, der Hund ist putzig, Jean Dujardin kann ein Lächeln in Cinemascope-Breite aufziehen und allein für die Tanzszene hat "The Artist" allerlei Preise verdient, die Faszination für Michel Hazanavicious' Stummfilm zieht sich aber auch aus seinem Thema: Der Fall eines Stars. Denn noch anziehender als Aufsteigergeschichten sind auf der Leinwand meistens die, die vom Abstieg erzählen, von Verzweiflung, vom plötzlichen Ausbleiben des Ruhms, von der Traumfabrik, die weiterrattert und die, die sie einst aufs Podest gestellt hat, nun aufs Abstellgleis schiebt.

Hall of Mirrors. Hollywood über Hollywood, 1950-1962: 19. Jänner . 9. Februar 2012 im Österreichischen Filmmuseum

Hall of Mirrors

Es sind Geschichten, in denen sich die Filmwelt selbst reflektiert und sich nicht unbedingt in schmeichelndes Licht rückt, sondern sich in gleißendes Scheinwerferlicht stellt und die hässliche Fratze des Showbusiness zeigt. Strauchelnde Figuren, wahlweise angenagt, wahlweise zerfressen von Sarkasmus suchen wie die Motte wieder das Scheinwerferlicht. In den 1950er Jahren porträtiert sich Hollywood häufig selbst und verzichtet dabei auf rosarote Brillen ebenso wie auf Happy-Ends. Das Österreichische Filmmuseum präsentiert mit "Hall of Mirrors" noch bis 9. Februar Filme zwischen 1950 und 1962, in denen Hollywood sich mit sich selbst beschäftigt - in so verschiedenen Genres wie Musical, Drama, Film Noir und Komödien.

William Holden und Gloria Swanson in "SUnset Boulevard"

österreichisches filmmuseum

"We didn't need dialogue. We had faces."

Die Gründe für die häufige filmische Beschäftigung mit dem eigenen Mythos und seinen Abgründen zu dieser Zeit finden sich - so schreibt auch das Österreichische Filmmuseum in seinem Text zu "Hall of Mirrors" - in strukturellen Veränderungen und dem Anfang vom Ende der goldenen Tage des Studiosystems, dem Fernsehen als ernstzunehmenden Konkurrenten und die Umtriebe des House Committee on Un-American Activities .

Misstrauen, Verunsicherung, Umbrüche. Der Anti-Held erobert langsam die Leinwand, mit dem Teenager kommt eine neue Zielgruppe hinzu und selbst der Schauspielstil wird mit Lee Strasberg und dem Method Acting einem Wandel unterzogen. Und nicht nur auf der Leinwand erleben Stars der Stummfilmära oder der 1930er Jahre einen Verlust des Publikumsinteresses. Wenn Gloria Swanson in "Sunset Boulevard" einen vergessenen Stummfilmstar spielt oder Bette Davis in "The Star" über fehlende Angebote klagt, dann imitiert die Kunst das Leben. Genau diese Spiegelungen, Doppelungen, und auch Kurzauftritte von Stars, die sich vielleicht noch dazu selbst spielen, machen die Meta-Filme so reizvoll. Weil sie vorgaukeln, uns hinter die Kulissen blicken zu lassen.

gloria swanson in sunset boulevard

österreichisches filmuuseum

It's the pictures that got small

In Swansons exaltiertem Spiel und dem natürlichen Spiel ihres "Sunset Boulevard"-Filmpartners William Holden treffen Hollywoods Vergangenheit und Gegenwart aufeinander. Übertriebene Gestik und Theatralik versus reduziertes, zurückgenommenes Spiel. Ein arbeitsloser Drehbuchautor und eine ehemalige Diva sind die Protagonisten in Billy Wilders schaurig-schönem Film. Die dritte Hauptrolle nimmt das Haus ein, ein Haus, das die Schauspielerin Norma Desmond zu einem Mausoleum ihrer selbst gemacht hat. Überall Fotos aus jüngeren Tagen, die Sehnsucht und Erinnerungen an die Vergangenheit sind das einzige, was die Gegenwart erträglich machen. Erich von Strohheim schleicht als Diener Max von Mayerling durch das dunkle Haus, Buster Keaton und Cecil B. DeMille spielen sich selbst. Ein kleiner Knicks vor einer vergangenen Ära. Aber mehr noch ein Gedicht der Düsternis über Tinseltown. "You have disgraced the industry that made and fed you! You should be tarred and feathered and run out of Hollywood!" , soll Mayer Billy Wilder entgegengebrüllt haben.

Sister, sister, oh so fair

Während Wilder die Geschichte darüber, was passiert, wenn sich die beiden süßen Vögel Jugend und Ruhm davon gemacht haben, in Film Noir Stimmungen hüllte, griff Robert Aldrich 1962 zum leisen Horror. Er inszenierte in "What ever happened to Baby Jane" zwei Schwestern am Rande des Nervenzusammenbruchs. Ach was, eher schon in der Schlucht des Nervenzusammenbruchs. Ex-Vaudeville Kinderstar Baby Jane Hudson (Bette Davis) und ehemaliger Hollywood Star Blanche Hudson (Joan Crawford) aneinandergekettet durch einen schreckliche Unfall. Seither sitzt Blanche im Rollstuhl und verbringt die Zeit im ersten Stock des gemeinsamen Hauses. Jane versinkt in Erinnerungen an die glückliche Zeit, als ihr zugejubelt wurde und plant ein Comeback.

Bette Davis in "What ever happee dto baby jane"

warner home video

Delirium statt Ruhm

Alkohol und Nostalgie füttern den Narzissmus der Figuren, die sich immer mehr der Gegenwart und Realität entziehen. Oder eben die Realität uminterpretieren. Die Schluss-Sequenzen von "Sunset Boulevard" und "What ever happened to Baby Jane" ähneln sich, für Norma und Jane sind die Menschen, die sie umgeben, nur eines: Publikum.

Ein ins Licht gerecktes Gesicht und der legendäre "All right, Mr. DeMille, I'm ready for my close up", bzw. Bette Davis' delirisches Tanzen am Strand, umgeben von Badegästen, stehen am Ende dieser Filme. Die Sehnsucht nach erneutem Ruhm wurde endgültig von Wahn abgelöst. Während Baby Jane die Rückkehr ins Scheinwerferlicht verwehrt bleibt, wird Aldrichs Film für Bette Davis zum Triumph, für den sie mit einer Oscar-Nominierung als beste Darstellerin belohnt wird. Glaubt man alten Anekdoten, dann war Joan Crawford wenig erfreut über die Nominierung ihrer Rivalin Bette Davis und bietet den anderen nominierten Schauspielerinnen, die nicht die Verleihung besuchen können, an, den Oscar für sie entgegen zu nehmen. Als Anne Bancrofts Name als Gewinnerin in dieser Kategorie verlesen wird, nimmt Crawford den Oscar für sie entgegen. I will never forget the look she gave me, kommentiert Bette Davis. Echte Rivalinnen, die Frauen spielen, die einander das Leben ruinieren. Kunst und Leben, die ineinander übergehen und sich gegenseitig imitieren. Es ist kein Wunder, dass Hollywood sich so gern mit sich selbst beschäftigte, es schrieb eine Zeitlang auch tatsächlich die besten Geschichten.