Erstellt am: 29. 1. 2012 - 17:24 Uhr
Die Kanaken
Neulich besuchte mit Kool Savas einer der prominentesten "deutsch-türkischen" Acts das Gasometer in Wien. Seit ihren Anfangszeiten sind MigrantInnen im deutschen Hip Hop vertreten. In den frühen 90er Jahren gehörten Cartel, Islamic Force oder Fresh Familee zu den ersten Hip-Hop-Gruppen im deutschsprachigen Raum. Ihr Einfluss war nachhaltig und heute sind Deutsch-TürkInnen im Hip Hop omnipräsent. Dazu zählen neben dem oben erwähnten Kool Savas Namen wie Eko Fresh, Alpa Gun oder Killa Hakan. Den Anfang der deutsch-türkischen Musikgeschichte machte jedoch eine heute vergessene Deutschrock-Platte aus den 80ern.
Ein türkischer Protestsänger in Deutschland
1984 veröffentlichte eine Band mit dem Namen "Die Kanaken" eine gleichnamige Platte auf dem kleinen Dortmunder Label "pläne", das sich auf links-orientierte, deutschsprachige Musik konzentriert. Dass "Die Kanaken" gerade auf diesem Label ihre einzige Platte veröffentlichten, war kein Zufall. Denn hinter der Band stand niemand geringerer als der legendäre Cem Karaca. International weitgehend unbekannt, war Karaca einer der wichtigsten Protestsänger der Türkei.
In den politisch unruhigen 1970er Jahren, gehörte er zu den prominentesten Vertretern linker Intellektueller in der Türkei. Er vertonte Gedichte von Nazim Hikmet und forderte in seinen Liedern zum Kampf gegen den Kapitalismus auf.
Vor dem Militärputsch von 1980 verließ Cem Karaca die Türkei. Die Militärregierung erließ einen Haftbefehl gegen ihn und er wurde ausgebürgert. Grund für den Haftbefehl war die Platte "Bir Mayis" (Erster Mai), das als kommunistische Propaganda eingestuft wurde.
Mit Prost wird Allah abserviert
Der Musiker musste nun in Deutschland im Exil leben. Betroffen von der Situation der türkischen MigrantInnen in Deutschland, gründete er mit deutschen und türkischen MusikerInnen "Die Kanaken". Ihre Musik machte das Bastardgenre Anadolu-Rock noch ein bisschen bastardiger, indem sie das ganze mit Deutschrock mischten.
Wie schon der provakante Bandname verrät, wollten Die Kanaken vor allem auf die Situation der türkischen MigrantInnen aufmerksam machen. Mit einem sehr charmanten Akzent sang Cem Karaca auf Deutsch über Themen wie Integration, Rassismus und schlechte Löhne. Nach beinahe dreißig Jahren klingen die Texte erschreckend aktuell.
Komm Türke, trinke deutsches Bier
Dann bist du auch willkommen hier
Mit Prost wird Allah abserviert
Und du ein Stückchen integriert
Ihr stinkt nach Knoblauch, lasst den weg
Esst Sauerkraut mit Schweinespeck
Und wer statt Kinder, Dackel dressiert
Der ist fast schon integriert
Mit ihrer einzigen Platte erreichten sie in Deutschland auch den Mainstream. So hatten sie einen Live-Auftritt bei "Bio's Bahnhof". Das Bio kommt tatsächlich von Biolek, der heute für seine eigenwillige Kochschow berühmt ist. Interessant: Das Lied mit den deutschen Texten, wurde mit türkischen Untertiteln gesendet.
Das Erbe der Kanaken
Cem Karaca durfte 1987 wieder in die Türkei zurück. Den Ruhm, den er vor 1980 hatte, konnte er nicht mehr erreichen. Die Kanaken lösten sich auf. Die Band öffnete den Weg für andere deutsch-türkische MusikerInnen in den Musikmarkt. Das politisch-kritische Element ihrer Musik ging jedoch weitgehend verloren. In Zeiten wie diesen, wo der Mainstream unter Integration immer noch die komplette Assimilation versteht, wäre es wichtig, dass man sich an Die Kanaken erinnert und ihren Texten mehr Beachtung schenkt.