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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

18. 1. 2012 - 11:49

Der Akzent des Ostbanditen

In Österreich herrscht europaweit die größte Antipathie gegen Migranten. Deswegen baut man sich hier gerne Metalltüren ein.

Meine Freundin Irina war stets erleichtert wenn sie nach Hause gekommen ist. In den vier Wänden ihrer kleinen Wohnung in Wien Ottakring durfte sie endlich mit ihrem 10jährigen Sohn Alexander reden. Vor der Schule hat er ihr ausdrücklich verboten mit ihm bulgarisch oder gar in ihrem gebrochenen Balkandeutsch zu sprechen. Die anderen Kinder lachen den Akzent seiner Mutter aus. Um nicht wegen seiner „komisch“ sprechende Mutter verspottet zu werden, hat sich Alex sogar eine Geschichte ausgedacht. Er hat seinen Mitschülern erzählt, dass Irina ursprünglich aus Österreich kommt, in junger Alter aber von bösen Terroristen in einem gefährlichen Ostland entführt wurde. Dort hat sie Deutsch verlernt um sich mit ihren Entführern zu verständigen. Dank ihrer große Tapferkeit habe sie die Ostbanditen überwältigen können und ist wieder auf wundersamer Weise nach Österreich entkommen. „Coole Geschichte, nicht wahr?“, lacht Irina. „Mein kleiner R. L. Stevenson!“, sagt sie und streichelt Alex über die Haare. „Die ganze Geschichte ist allerdings bescheuert. Ich will mit meinem Kind reden wann ich will. Ganz egal, ob auf Deutsch, Bulgarisch oder Arabisch. Und er soll sich nicht dafür schämen.“

Anlässlich der Studie, dass in Österreich die europaweit größte Antipathie gegen Migranten herrscht, hat Claus Pirschner die Politologin Sieglinde Rosenberger zum Interview getroffen. Zu hören heute, 18.1., in Connected

Mein Freund Otto hat mir neulich erzählt, dass sich seine Eltern in einem Dorf in der Steiermark ein Metallgitter in die Haustür eingebaut haben nur weil sie mitbekommen haben, dass im Nachbardorf jetzt ein Schwarzer lebt. Laut einer neuen europaweiten Studie belegt Österreich die erste Stelle in die Ablehnung gegenüber Migranten. In keinem anderen Land wünschen sich weniger Menschen einen Ausländer als Nachbar. Die Österreicher wollen anscheinend ein Gitter an die Haustür einbauen, das sie vor Ostbanditen, komischen Akzenten und allen, die „anders“ sind, beschützt.

In einem seiner seltenen Interviews erzählt der Künstler Christo, weltbekannt geworden durch die Verpackung des Reichstags in Berlin, warum er in New York lebt. Christo wurde 1935 als Hristo Jawaschew im bulgarischen Gabrovo geboren. Mitte der 1950er Jahre flüchtete er durch den „Eisernen Vorhang“ nach Wien und studierte ein Semester an der Akademie der Bildende Künste. Danach kam er durch Genf nach Paris, wo er die zweite Hälfte des späteren Künstlerduos Jeanne-Claude kennenlernte. Nachdem sie in Europa einen Namen gemacht haben gingen Christo und Jeanne-Claude nach Amerika. „Ich lebe in New York, weil ich immer ein Problem mit Sprachen hatte“, sagt Christo. „In Deutschland, Österreich oder Frankreich haben die Menschen sofort weniger Vertrauen zu dir wenn du ihre Sprache nicht perfekt sprichst. Sie empfinden dich als „anders“ und das steht dir auf dem Stirn geschrieben. In New York sprich jeder gebrochen Englisch. Und er zieht sogar Profit daraus.“

Gestern hat mich Irina angerufen. Sie darf wieder bulgarisch mit ihrem Sohn vor der Schule sprechen. Alex hat irgendwo gelesen, dass die Migranten in Ottakring schon mehr als die Anderen sind. „Jetzt erzähle ich allen, dass mein Vater Ostbandit ist!“