Erstellt am: 17. 1. 2012 - 10:27 Uhr
Always loving Nada Surf
Immer muss ich an einen gestriegelten, stereotypen Quaterback denken, wenn mit der Akkordzerlegung der leicht verzerrten Gitarre das Gemurmel der Cheerleader einsetzt.
Nada Surf
Oder an den Jungen, der nur mit Boxerschorts bekleidet voller Freude mit seinem BMX Rad einen Jump in den Pool im Garten unternimmt, wenn Nada Surf die Noisedämme brechen lassen und ihr 1996iger Indie-Hit "Popular" so richtig losrockt.
Das verschwommene Foto am Cover erinnert mich außerdem daran, wie es war, als Indie gerade noch Indie war, der Ausverkauf dieser Stilrichtung noch nicht weltweit zu spüren war und daran, was für mich immer wichtig war: Musik selbst zu entdecken und ohne viel Vor-Information in die neu gefundene Sound-Welt einzutauchen.
Vom Major-Effekt zur wahren Unabhängigkeit
Anfang/Mitte der 1990iger, als das world wide web vor allem bei uns noch in den Kinderschuhen steckte, war es kein Leichtes, sich schnell Informationen über die neuesten Bands zu verschaffen. Bis auf einschlägige Musikzeitschriften nützte da bei mir maximal das Plattenlabel zur Orientierung.
Manchmal entschied auch nur das Cover, ob ich in eine Platte reinhörte. Bei Nada Surf war es das bereits angesprochene Cover, das mich für viele Jahre an das Trio aus den Staaten binden sollte. Auch der Nachfolger "The Proximity Effect" jagte mir Schauer der Freude den Rücken hinunter, vor allem das herzerweichende "80 Windows", in dem Sänger und Gitarrist Matthew Caws eine der schönsten, melancholischsten Textzeilen über den wundervoll elegischen Schlussteil der Nummer schweben ließ:
"the moon is closer to the sun than I am to anyone"
Peter Ellenby
Das passte natürlich perfekt in die Ausläufer der depressionsbestimmten Nirvana- und Grungezeit. Erst später habe ich erfahren, dass dieses Nada Surf Album nur in Europa und nicht einmal in den USA erschienen ist und die Band aufgrund von Schwierigkeiten mit dem Label die Rechte am Album zurückkaufte, um es später dann noch einmal zu veröffentlichen. Damals hätte das wohl mein mein uneingeschränktes Fantum recht irritiert.
Heute passt es in das Bild, das ich von Matthew, Bassist Daniel Lorca und Schlagzeuger Ira Elliot habe. Nämlich das einer Band, die sich nicht unterkriegen lässt, die durch alle Höhen und Tiefen geht, dabei ihrem Sound und ihrem Stil treu bleibt und ihr Schicksal nicht irgendwelchen Managerfuzzis überlässt, sondern es immer mehr selbst in die Hand nimmt.
Der lange Atem, der Nada Surf durch zwei Jahrzehnte und das zusammenbrechendem Musikbusiness bringt, gibt dem amerikanischen Trio Recht. Schließlich sind auf den Alben "Let Go" und "Weight Is A Gift" genug Songs, die es in die Charts schafften und die auch heute noch bei der puren Erwähnung ihrer Titel sofort zum Ohrwurm mutieren.
Mit Hedonismus und Sternenstaub gegen die Apokalypse
Die Liebe zieht sich wie ein roter Faden durch das textliche Œuvre von Nada Surf. Egal ob man jetzt auf ihrer inneren Seite stand, oder einen das gebrochene Herz schmerzte, für jeden dieser Momente hatte Matthew die richtigen Worte, die richtige Melodie parat. Seine Geschichten waren dabei nie abgehoben, sondern immer am Boden der Realität. Sie symbolisierten immer schon die emotionalen Lichtblicken im rauen Alltag, dem man zu entkommen versuchte. Und wenn einmal alles nichts mehr half, dann wurde einfach eine Party geschmissen, ohne Rücksicht auf die gegenwärtige Gemütsverfassung.
De Wilde
Vielleicht hat auch genau diese Einstellung die Band am Laufen gehalten, den Funken wieder und wieder entfacht. Der Drang, aus sich heraus zu gehen und damit auch über sich selbst hinauszuwachsen. Nada Surf machen dies auch im vermeintlichen Weltuntergangsjahr, ohne allerdings auf ihre Wurzeln zu vergessen. Das neueste Werk "The Stars Are Indifferent To Astronomy", das bei uns am 23. Jänner auf City Slang erscheinen wird, geht nach dem Coverversionen-Album "If I Had A Hi-Fi" wieder zurück zu den Anfängen.
Als verzerrte Gitarren noch so richtig über alles andere hinwegbrettern durften und sich daraus eingängige Refrains herausschälen konnten (wie bei "Clear Eye Cloudet Mind"), als funkelnd luftiges Songwriting nicht mehr brauchte, als dahin rollende Rhythmen und schöne Melodien (wie etwa bei "Jules And Jim") und der balladeske Hauch den Staub von klassischen Popsongs pusten konnte (wie das jetzt das Highlight "Let The Fight Do The Fighting" macht). Außerdem: Eine Band die so gut kochen kann und daraus gleichzeitig ein witziges Video zur Ankündigung ihrer neuen Platte macht, so eine Band kann man ja nur ins Herz schließen.
In diesem Sinne: "Always Love"!
Auch am kommenden FM4 Geburtstagsfest, egal ob nun die Welt nun untergeht oder nicht. Denn die Liebe ist ja bekanntlich unendlich.