Erstellt am: 16. 1. 2012 - 12:39 Uhr
Da schau her: Bands! Bands! Bands!
Man kann es sich nicht vorstellen bis man diese Stadt selber durchwandert hat. Groningen, wo ich mich am Wochenende eingefunden habe: Ein Städtchen mit rund 200.000 Einwohnern und einer Club-Infrastruktur von der man in jeder anderen europäischen Stadt nur träumen kann. Vor allem in Berlin, denn Dichte ist das Stichwort. Die weiteste Zu-Fuß-Entfernung der auf dem Eurosonic Festival bespielten Clubs ist 15 Minuten. Die Minuten auf dem Drahtesel kann man dafür an einer Hand abzählen.

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Jährlich findet in Groningen das Eurosonic Festival statt, ein Showcase Festival auf dem sich Labelvertreter, Promoter, Booker, Agenten, Journalisten, Verlagsmenschen versammeln, um am Anfang die Bands zu bestaunen deren Namen man sich besser merken sollte und die man in vielen Fällen als "upcoming artists" oder halt "newcomer" bezeichnen könnte. Bands, die kurz davor stehen ihr Debütalbum zu veröffentlichen; Bands, die sich in ihrer Heimat schon einen Namen gemacht haben und sich nun vor einem internationalen Publikum präsentieren - ein musikalischer Catwalk. Ja, hier werden Geschäfte gemacht - und Eindrücke gesammelt.

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Als Musikfan nach Groningen kommen ist gut für alle, die finden, dass Konzerte nicht länger als 45 Minuten dauern sollten. Wer sich überhaupt nur 10 oder 20 Minuten von einem Liveset anschaut, kann sich drei Tage lang in euphorischen Ausnahmezustand versetzen und brav Listen machen, denn so viele Bandnamen kann man sich gar nicht merken. Aber apropos sehen: Nicht jede Band bei der man sich in den Club zwängt, kriegt man auch zu Gesicht. Bei den Menschenansammlungen und dichtem Gedränge weiß man nur in welcher Richtung sich eine Bühne befindet, weil der Pferdeschwanz vom Nachbarn genau in die entgegengesetzte zeigt. Von Glück kann man reden, wenn man in einem der 100/200-Kapazitäten-Clubs neben FestivalbesucherInnen steht, die sich eben nicht unterhalten wollen sondern tatsächlich der Band lauschen.
Von A wie A Classic Education bis Z wie Zulu Winter
Das Programm ist ein Dschungel. Man liest sich zuallererst durch die Liste der interessanten, unterhaltsamen, absurden und oftmals nichtssagenden Bandnamen nur um sich dann von Neugier und Empfehlungen treiben zu lassen. Wer sich auf dem Eurosonic Festival nur britische Bands anschaut, hat das Konzept einfach nicht ganz verstanden. Die Festivalmission ist eine breite Palette europäischer Musiken zu präsentieren, und so einen Austausch auf internationaler Ebene zu ermöglichen.
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Eine im Rahmen vom Eurosonic Festival präsentierte Studie über "cross-border circulation of european music repertoire within the european union" ahnt nämlich schlimmes und belegt es mit Statistiken und Zahlen (ausgehend vom Radio-Airplay und digitalen Downloads), die niemanden wirklich überraschen: Lokaler Erfolg lässt sich nicht leicht in anderen Ländern umsetzen. Der nächste Satz aus der Studie tut so weh, dass ich ihn aus Ansteckungsgefahr nur zitieren statt umschreiben möchte:
"The only truly pan-European successes are (if we exclude this year’s phenomenal success of Adele) imports from the US. (...) The top of the charts were dominated by Jennifer Lopez, Rihanna, Bruno Mars, Lady GaGa and Black Eyed Peas, among others."

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Im Grunde ist das die Spitze eines Eisberges, den die meisten MusikerInnen aus dem FM4-Universum mehr als nur gerne umschiffen.
Erfolg ist eben nicht gleich Erfolg. Und wenn in der Studie davon die Rede ist dass "building a pan-European career is often a one-market-at-a-time effort" muss man sich eben auch anschauen welche "Märkte" das sind.
Dass die rumänische Sängerin Alexandra Stan mit ihrer No1. "Mr. Saxobeat" die Single-Charts in zehn europäischen Ländern anführt, heißt nicht, dass dort für Elektro Guzzi auch Platz ist. Dass dort kein Platz für sie ist, lässt sich nicht mit dem Herkunftsland erklären, sondern mit Szenen, die bedient werden.

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Diese beiden so unterschiedlichen Acts zeichnen sich auf ihre eigene Art aus, lesen Erfolg anders, haben für die Aufmerksamkeit, die sie im letzten Jahr erfahren haben hart gearbeitet und dafür auf dem Eurosonic Festival den European Borders Breakers Award verliehen bekommen - neben Boy und Anna Calvi oder Vincent McMorrow.
Was ist schon Erfolg?
Elektro Guzzi haben früh das Glück gehabt auf namhaften Festivals wie dem Sonar zu spielen, und mit ihrem einzigartigen Konzept (=optische Täuschung: Rocktrioformation sehen, Techno hören!) ernten sie begeisternde Blicke, wo sie auftreten.
Bei der Preisverleihung, die von Jools Holland moderiert und im holländischen Fernsehen übertragen wird, sehen sie sich in der Rolle der Außenseiter, die "zeigen, dass es mehr als nur Mainstream Pop gibt!"
Mehr zu Elektro Guzzi:
Sie waren mit ihrem Album "Parquet" Album der Woche, haben bei den 10 Jahre Soundpark-Feierlichkeiten mitgespielt, waren schon mal bei einer Studio2 Session und im Juni 2010 Soundparkband des Monats
Und hier in der ZIB24
Die meistgestellte Frage beim zweitägigen Interviewmarathon auf dem Eurosonic Festival ist: "Was bedeutet euch der Preis?" Und die drei wissen keine wirkliche Antwort. Immer wieder fallen die Worte "sich weiterentwickeln", wenn ich die Band nach ihren Erfolgen frage. Die Arbeit im Proberaum, wenn das Trio seinen Sound und sein Zusammenspiel perfektioniert, wird hervorgehoben. Um so auch das eigentliche Ziel eine, Tanzband zu sein, zu erreichen. Dass ihnen das gelingt, daran braucht man nicht zweifeln. Ob beim Nachmittagstermin der Aufzeichnung einer Livesession für 3FM oder beim eigentlichen Auftritt, dem Konzert am Abend in der schönsten Venue des Festivals, dem Grand Theatre. Welche Früchte dieser zweitägige Aufenthalt von Elektro Guzzi in Holland tragen wird, wird sich zeigen, wenn die nächsten Festivaleinladungen eintrudeln. Wenn die anwesenden Booker, Agenten und andere Lenker und Lenkerinnen in der Festivallandschaft Elektro Guzzi für eine Reise zu einer Bühne verpflichten, wo die Band Festivalgras oder Flugfelder zum Beben bringt.

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Es gibt sie ja wie Sand am Meer: Musiker und Musikerinnen -erfolgreiche und weniger erfolgreiche. Alle wollen sie mit ihrer Musik etwas erreichen, aber was? Was ist schon Erfolg? Auf dem Festival hab ich einige Acts nach ihrer Bandwerdung befragt: nach ihren subjektiven und objektiven Erfolgen. Den kleinen und den großen Schritten, die sie unternehmen, unternommen haben oder unternehmen werden, um zu ihrem Sound und ihrem Bekanntheitsgrad zu gelangen. Nach der Arbeit, den Reisen aber auch dem Glück und dem Zufall, der sie dorthin gebracht hat, wo sie sich vergangenes Wochenende eingefunden haben: auf dem wichtigsten Catwalk für europäische Musik, dem Eurosonic Festival in Groningen, Holland.

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Einige dieser Wortspenden werde ich am Dienstag, 17.01. in der Homebase präsentieren. Zu Wort kommen unter anderem Sizarr (D), Elektro Guzzi (A), David Lemaitre (D), Frànçois & The Atlas Mountain (F), Lisa Hannigan (IE), Zulu Winter und die Citizens (UK).