Erstellt am: 16. 1. 2012 - 10:51 Uhr
Braunblaue Flecken
Regen, Schnee, eisiger Wind und Temperaturen um den Gefrierpunkt. Die erste Linzer Burschitour war am Freitagnachmittag meteorologisch so unfreundlich und trist wie ihre Thematik: Burschenschaften in Linz.
Der Name Heribert Schiedel ist ein Pseudonym.
Treffpunkt der Tour war die Linzer Stadtwerkstatt, wo Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) einen Vortrag über Burschenschaften und Pennäler-Ringe im Allgemeinen und in Linz im Speziellen gehalten hat.
Daniela Derntl
Nach dem einstündigen Burschenschafts-Bericht marschierten um die 50 Burschi-Touristen Richtung Innenstadt. Der erste Stopp der Tour war das Haus der pennal-konservativen "Sängerschaft Kürnberg zu Linz" in der Lederergasse 11. Pennal steht für (Mittel-)Schulverbindungen, denn der deutschnationale Nachwuchs wird nicht erst auf der Universität via akademische Burschenschaften, sondern bereits in der Oberstufe u.a. über Sänger-, Turner- und Landtsmannschaften lukriert. Die Sängerschaft "Kürnberg zu Linz" ist eine schlagende Verbindung, doch die Mensuren werden nicht auf das Gesicht, sondern nur auf den Körper gefochten. Statt scharfen, werden stumpfe Klingen verwendet, die "nur" blaue Flecken statt Schmissen hinterlassen. Diese blauen Flecken verschwinden zwar von den Körpern, jedoch nicht von der politischen und psychologischen Landkarte.
Das durchschnittliche Eintrittsalter in die pennalen Verbindungen liegt zwischen 15 und 16 Jahren. Die Kürnberger Burschen haben die Burschitour bereits erwartet: Sie haben ihre Fahne gehisst, schauen und fotografieren aus dem Fenster und nehmen Heribert Schiedel schreiend die Worte aus dem Mund, als er von ihrer Gewaltbereitschaft erzählt, die sich auch in ihrem Waffenspruch manifestiert: "Was gibt es hier? Deutsche Hiebe!".
Daniela Derntl
Danach geht’s ein paar Meter weiter zum Linzer Graben, wo die pennale Verbindung "Heimdall" und die fachstudentische Verbindung "Bajuvaria" liegen, zu der z.B. der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Alois Gradauer gehört. Auch die Bajuvaren präsentieren ihre Schmiss-Gesichter in den Fenstern, fotografieren und filmen uns wie ihre Gesinnungsgenossen zuvor.
Polizeischutz?
Bei der ersten BurschiTour in Wien im Juni 2009 wurden die Spaziergänger gleich beim Treffpunkt von Burschenschaftern mit Farbbeuteln und Eiern beworfen. Einer der Täter konnte gefasst werden. Er war ehemaliger parlamentarischer Mitarbeiter von Martin Graf, dem dritten Nationalratspräsident.
Rechte Ideologie tief verankert
Eigenartig ist allerdings, dass die Polizei, die die Burschitour zu ihrem Schutz eskortiert, ihre Kameras nur auf die Teilnehmer der Tour, aber nicht auf die Burschenschafter richtet. Heribert Schiedel wundert das nicht, denn seiner Meinung nach gibt es bei den meisten Polizisten eine "eklatante Fehleinschätzung, die bis zur Komplizenschaft geht. Man hat hier kein Problembewusstsein, der Feind steht für diese Leute immer noch links".
Dieses Rechts-Verständnis der Polizei geht auch mit den Instruktionen des Verfassungsschutzes konform, denn seit 2001, ein Jahr nach dem Amtsantritt der schwarz-blauen Koalition, veröffentlicht das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) keinen Lagebericht zum Rechtsextremismus in Österreich mehr.
Daniela Derntl
Burschenschaften in Wien: ein Stadtspaziergang
mit Heribert Schiedel
Die ersten drei Stationen der Tour haben wir ohne weitere Zwischenfälle passiert, doch bei der Bude der "Quercus Markomannia" in der Lessingstraße erwarten uns bereits vier Rechte, die die Burschitour parallel zum tobenden Schneesturm aufmischen wollen: Sie filmen und fotografieren alle Spaziergänger, pöbeln herum und führen ein aggressives Schein-Interview mit dem Vortragenden Heribert Scheidel, den sie per Taferl auch als Märchenonkel ausweisen. Doch die Teilnehmer lassen sich nicht provozieren und ziehen unbeeindruckt weiter zur letzten Station, dem Palais des kaufmännischen Vereins auf der Landstraße, in dem jährlich der "Burschenbundball" stattfindet.
26 deutschnationale Kooperationen in Oberösterreich
Organisiert wurde die Burschitour von Thomas Diesenreiter, Blogger, Kulturarbeiter und Künstler in Linz:
BurschiTour Flyer
"Vor kurzem hab ich aus meinem Wohnzimmerfenster geschaut und gesehen, wie hundert Burschenschafter in Uniform aufmarschiert sind. Das hat mich so geärgert, dass die da unwidersprochen aufmarschieren und ihre Schmisse spazieren tragen können. Deshalb hab ich den Herrn Schiedel vom DÖW angerufen und ihm gesagt, dass ich gerne mehr über die Burschenschaften in Linz erfahren würde. Er hat dann auch gleich zugestimmt und so ist die Burschitour entstanden."
Insgesamt gibt es 26 deutschnationale Kooperationen in Oberösterreich, ein Viertel davon ist laut Schiedel wegen Personalmangels inaktiv bzw. nur noch als "Alt-Herren-Verband" tätig.
Da Linz eine relativ junge Universitätsstadt ist, haben sich nicht so viele akademische Burschenschaften gebildet wie z.B. in Wien, Graz oder Innsbruck. Insgesamt gibt es vier akademische deutschnationale Verbindungen, zwei davon haben besonders Rechte-Relevanz: Die Burschenschaft "Arminia Czernowitz zu Linz" und das "Corps Alemannia Wien zu Linz".
Letztere war die Verbindung des SA-Sturmführers Horst Wessel und ist die ideologische Heimat des oberösterreichischen FPÖ-Landesrats Manfred Haimbuchner und des Klubobmanns der FPOÖ Günter Steinkellner.
Burschenschaften als politische Kaderschmieden
Zur "Arminia Czernowitz" zählt u.a. der Linzer FPÖ-Stadtrat Detlef Wimmer, der laut Profil in diversen Neonazi-Foren als Zukunftshoffnung gefeiert wird. Diese drei Beispiele unterstreichen den Einfluss der Burschenschaften als Kaderschmieden der rechtsradikalen Politikerriege.
Die lange Tradition von Männerbünden in der Politik und an den Universitäten bedingt u.a. die gläserne Decke für Frauen.
Doch nicht nur die FPÖ, auch die ÖVP bestellt teilweise ihren Nachwuchs aus Männerbünden, wie z.B. dem katholischen, nichtschlagenden MKV (Mittelschüler-Kartell-Verband) und CV (Cartellverband).
Da die "Arminia Czernowitz" und das "Corps Alemannia" vom Stadtkern entfernt in der Nähe der Kepler Uni in Urfahr liegen, werden sie bei der Burschitour nur im Gespräch gestreift.
Die "Arminia Czernowitz" war zuletzt 2010 im medialen Fokus, weil sie bei einem Plakat eindeutig nationalsozialistische Symbolik verwendete und dabei lediglich das Hakenkreuz des ursprünglichen Sujets übermalt hat. Die Linzer Grünen haben damals die Staatsanwaltschaft wegen Verdacht auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz eingeschaltet, doch das Verfahren wurde eingestellt.
Richtigstellung:
Der Anwalt Andreas Mauhart gehört nicht wie vorher angegeben zur "Arminia Czernowitz".
Wir bedauern!
Apropos Staatsanwaltschaft und Verfahren: Viele Burschenschafter studieren traditionell einflussreiche und honorige Studienrichtungen wie Medizin, Pharmazie oder Jus, so wie etwa der ehemalige FPOÖ-Chef Hans Achatz. Ein anderer bekannter Jurist, der laut Heribert Schiedel zu dem "Corps Alemannia Wien zu Linz" gehört, ist Andreas Mauhart – der zusammen mit dem Neo-Nazi Anwalt Herbert Schaller fünf Mitglieder des rechtsextremen "Bund freier Jugend" (BFJ) aus Wels im Jahr 2008 verteidigt hat. Die Angeklagten standen wegen §3a des Verbotsgesetzt vor Gericht, weil sie eine nationalsozialistische Organisation ähnlich der Hitler-Jugend aufbauen wollten. Doch sie wurden freigesprochen.
Gesellschaftliche Scharnierfunktion
Die besondere Gefahr der Burschenschaften ist laut Heribert Schiedel ihre gesellschaftliche "Scharnierfunktion": Sie rekrutieren und indoktrinieren den (Partei-)Nachwuchs und bilden das Verbindungsglied zwischen der deutschnationalen Gesinnung, dem noch legalen Rechtsextremismus und der Neonazi-Szene, indem sie z.B. Neonazis wie den Holocaust-Leugner David Irving zu ihren Kundgebungen einladen.
Nicht jeder FPÖ-Politiker kommt aus dem Burschenschafts-Milieu, doch die Vermutung liegt nahe, dass jeder Bursche durch diese radikale Ideologisierung und pathologisch sadistische Ausbildung zum (Partei-)Soldat ("nach oben buckeln, nach unten treten") bessere Chancen auf eine Spitzenposition in der Partei hat. Heribert Schiedel sieht das ähnlich und prognostiziert:
Nähere Infos über Burschenschaften in Österreich finden sich in der kostenlosen ÖH-Broschüre "Völkische Verbindungen".
"Die FPÖ wird wieder das Problem kriegen, das sie schon einmal hatte und zum Teil schon wieder hat. Sie wächst zu schnell, die Burschenschaften und deutschnationalen Korporationen kommen ihrer Funktion als Kaderschmiede nicht nach. Mit dem Wachstum der FPÖ und der Zunahme an Mandaten werden auch Nicht-Korporierte in Amt und Würden gesetzt, und wir wissen wozu das führt. (Anm.: die Abspaltung des BZÖ). Aber ich würde sagen, ein zweites Mal lassen sich die Burschenschafter nicht das Heft aus der Hand nehmen. Zumindest versichern sie sich gegenseitig, dass sie aus der Geschichte mit Jörg Haider und seinem Verrat gelernt haben. Doch momentan müssen sie einfach Boden abgeben, weil die FPÖ zu schnell wächst."