Erstellt am: 14. 1. 2012 - 19:00 Uhr
Die FM4 Charts vom 14.1.2012
- Die FM4 Charts vom 14.1.2012
- Brand New - die FM4 Neuvorstellungen der Woche
Wie aufgelegt wäre an dieser Stelle ein Verriss von Standard&Poors, die es letzte Nacht wagten, die österreichische Kreditbonität (also vereinfacht gesagt, das Ausfallsrisiko für Staatsanleihen) um eine Nuance zu verschlechtern.
Manche wittern dahinter einen Wirtschaftskrieg der USA gegen Europa, und sogar der Nationalbankchef selbst ortet bei S&P einen „politischen Player“, der aggressiver als die beiden anderen ernst zu nehmenden Konkurrenten vorgeht.
Faymann und Spindelegger sind zwar empört und irritiert, zögern aber nicht darauf hinzuweisen, dass dieser Verlust der höchsten Bonität:
- Gar nicht so schlimm sei und sich vielleicht gar nicht auf die Zinsbelastung auswirkt
- Nur von einer der drei großen Agenturen stammt, gefährlich wird es erst bei der Zweiten.
Was war also passiert, hat der überbordende Sozialstaat wieder Schulden für die Faulen gemacht und den Arbeitsunwilligen I-Pads geschenkt? Nun, diesmal liegt die Bedrohung – zumindest formulieren das die Herrschaften von S&P so – eher im benachbarten Ausland.
Ausweitung des Kreditvolumens mit marginaler Bonitätsprüfung
Vor allem der österreichische Bankensektor hatte in den letzten Jahren, vor allem vor Beginn der ersten Krise, einen wahren Goldrausch in Ungarn und dergleichen erlebt.
Dabei wurden, während man mit dem Finger auf US-Großbanken zeigte, im Wesentlichen exakt die gleichen Geschäftsstrategien gewählt. Sprich eine massive Ausweitung des Kreditvolumens mit immer marginalerer Bonitätsprüfung und konzentriert auf das Immobilien Business. Praktisch deshalb, da man so Kredite und Schuldscheine bündeln und im Paket mit völlig anderen Titeln packen, verkaufen und handeln konnte – die kurzfristigen Gewinne und somit Erfolgsboni explodierten. Das Unbedenklichkeitszeugnis stammte zum Teil übrigens exakt von jenen die nun Staaten herabstufen, also den drei großen Agenturen. Jedes Schrottpapier bekam AAA.
Von Haftungen oder Offenlegungspflicht der Prüfmethoden ist bislang aber noch nichts überliefert.
Doch jetzt sitzt so manch österreichische Bank mitten in der Subprime-Falle, ganz ohne Mithilfe von bösen Amerikanern. Und da diese systemrelevanten Banken genau wissen, im schlimmsten Fall auf den Staat zählen zu können (bei einer Bauchlandung der Bank-Austria Mutter UniCredit würde etwa auch die Gemeinde Wien mit Milliarden haften), wissen das natürlich auch die Ratingagenturen; und setzen nun einen Schritt.
Und während ein Herr Unterberger aus Spargründen Frauenhäuser schließen will, im AKH Schichten zusammengelegt werden sollten und künftig jeder länger arbeiten müssen wird, werden weitere Milliarden für die heimischen Banken eher nicht unwahrscheinlicher.
Es wird spannend zu sehen, ob nun wieder der Verursacher oder der Überbringer der Nachricht als Sündenbock herhalten muss.
Apropos Sündenbock
Da ich ja penibel darauf achte, so gut wie nie am Puls der Zeit zu sein, sprich entweder (aber selten) viel zu früh dran bin (etwa Ja, Panik Fan sein), oder aber (meistens) um Jahre zu spät (bei den meisten Platten, TV-Serien und Filmen) – hab ich ein ganzes Zeitalter nach Martin Blumenaus hoch aktuellen Lobpreisungen doch noch „The Wire“ geschaut. Und stecke derzeit am Beginn der fünften und letzten Staffel.
Ganz kurz: Jedes Lob ist wahr, diese Serie ist eigentlich viel mehr als eine „TV-Serie“, eine packende Mischung aus hyper-authentischen Milieustudien (Politik, Polizei, Drogenkriminalität, Innercity Ghettos, Medien, etc.) und ganz klassischen US-Storytelling.
War On Drugs
Um kurz beim Drogenproblem zu bleiben: Im Herbst hatte ich die Gelegenheit mit dem in Sachen linkslinker Haschtrafiken sehr unverdächtigen P.M. Lingens über sein neues Buch zu sprechen. Darin beschreibt der zutiefst bürgerliche Lingens wie der „War On Drugs“ seit Jahrzehnten scheitert, wie die USA mit dem Hegemonialanspruch weite Teile der Welt in diesen nicht zu gewinnenden Konflikt verstrickt haben und welches Leiden aus einem Kampf entsteht, den man mit Gewalt nie gewinnen wird können.
Menschen haben immer Drogen genommen und werden das immer tun, und zwar alles was verfügbar ist. Und sind die Gewinnmargen hoch genug ist alles verfügbar.
Warum man in einer Stadt wie Baltimore Menschen wegen Suchtgift-Anklagen wegsperrt, und statt Geld in ihre Zukunft zu investieren lieber Billionen für ihren Strafvollzug ausgibt, warum Wiener Hanfpflanzen zertreten werden während sich alkoholkranke Politiker in Härte gegenüber Drogen ereifern – das alles bleibt ein Geheimnis dieser Doktrin, die sich von Boulevard und Stammtisch treiben lässt.
Und dabei Kranke kriminalisiert und ein ökonomisch-gesellschaftliches Problem versucht mit der Polizei zu lösen.
Doch wie sagt Major Colvin in der dritten Staffel von The Wire so schön? „This drug thing, that ain´t police work“.
Colvin setzt diese durch Jahrzehnte Polizeiarbeit in Baltimore gewonnene Erkenntnis dann auch kurzfristig um, als er ein paar Spots der Stadt kurzfristig zu Zonen erklärt, wo Drogen gehandelt werden können, während überall anders Zero-Tolerance angesagt ist.
Das Ergebnis: Weniger Verbrechen, weniger Tote, weniger Drogenopfer. Sogar der Bürgermeister überlegt kurz was mit diesem Experiment anzufangen ist, seine beratenden Wissenschaftler sind begeistert. Bis die Boulevardpresse auftaucht. Das Experiment muss beendet werden, weil Drogen legalisieren – das geht nicht.
Und Major Colvin wird natürlich entlassen.
Genau daran musste ich übrigens denken, als ich Dienstag in der U1 erstmals Zeugnis der Wiener Version von „The Wire“ wurde. Nachdem ein Beamter in Zivil in der Station Nestroyplatz die Notbremse zog, stürmten 5-7 Kollegen martialisch und zum Teil in Alpha-Industries-Jacken den Waggon und schleppten einen Afrikaner mit Polizeigriff aus selbigem, das Personenverhältnis war glaub ich 1:7 oder so.
Ohne den Beamten, die sich diesen Einsatz wohl auch nicht ausgesucht haben, zu nahe zu treten, neige ich aber doch dazu, der älteren, schockierten Dame, die neben mir saß, zuzustimmen: „Des war sicher doch auch nur a kleiner Fisch!“
Vielleicht sollte sich die Suchtgiftabteilung der österreichischen Kriminalpolizei an Barack Obama ein kleines Beispiel nehmen, und sich auch mal ein paar Folgen „The Wire“ reinziehen.
Vielleicht hätte Major Colvin am Nestroyplatz mehr Erfolg als Krieg und Kampf.
Und nun noch kursorisch zu den Charts
ondrusova/fm4
Da landet der alte Haudegen Moby auf Platz drei mit „After“.
Platz zwei geht an Kele der auch solo mit „Release Me“ für hohe Charts Platzierungen gut ist.
Und die neue Nummer eins von FM4 kommt von Deichkind, heißt „Illegale Fans“ und löst die Black Keys ab.
Eine schönes Wochenende euch allen!