Erstellt am: 12. 1. 2012 - 13:00 Uhr
Pop Is A Habit
Es hat mich eiskalt erwischt, schon letztes Jahr. Es waren diese einfachen, elegant geschlagenen, harmonisch leicht schwimmenden Akkorde von "Black Cat", die mich sofort verzaubert haben. Die schwarze Katze bringt für das österreichische Quartett Luise Pop jedoch kein Pech, sondern sie lockt uns auf leichten Pfoten zum Indiepopstrand, an dessen weitläufigem Ufer die verzerrten Gitarrenwellen brechen, uns der eingängige Harmoniewind sanft ins Ohr pfeift und uns den Soundtrack bietet für einen langer Spaziergang, bei dem wir in Gedanken durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft reisen.
Gegen konzeptuelle Gewohnheiten
Es ist ein vielschichtiges Universum von Gänsehaut erzeugender Musikalität, ein doppelbödiges Spiel mit Konzepten und Ideen, ein durch und durch durchdachtes Vehikel, das mit viel Bauchgefühl angetrieben wird. Wurden bei dem Debüt "The Car The Ship The Train", das mit all seinem clever eingeflochtenen, feministischen Unterbau damals auf Asinella Records erschien, die Gründerfrauen Vera Kropf und Lisa Berger am Schlagzeug von Ja, Panik Sänger Andreas Spechtl unterstützt, hat man sich für "Time Is A Habit" neu formiert. Soviel zum Aufbrechen von gewohnten Systemen. Denn wie Vera Kropf uns im eindringlich stampfenden Titelstück verrät, sind die meisten unserer Angewohnheiten schlechte. Über einen treibenden Schlagzeugrhythmus und immer wieder wild losbrechende Gitarren wird der sich immer gleich abspielende Alltag zerpflückt und dadurch ohne erhobenen Zeigefinger indirekt die eine oder andere Sinnfrage gestellt.

Luise Pop/Siluh Records
Luise Pop live:
- 12.01.2012 Club Weird Kong - Album Release Party / Transporter / Wien
- 13.01.2012 Cafe Publik / St. Pölten (A) w/ Stefanie Sourial
- 14.01.2012 Roeda / Steyr (A) / Siluh Label Nite w/ Killed by 9V Batteries, Alasac Duo
Es ist die unbändige Energie, diese bekömmliche Mischung aus Nachdenklichkeit und zornigem Auflehnen, die "Time Is A Habit" zu einem eindringlichen und bis zum letzten Ton spannenden Hörerlebnis machen. So folgt auf den dahingaloppierenden Riot-Girrrl-Pop, der in den fetten, gelben Mondaufgang reitet, ein zerklüftetes und dennoch federleichtes Stück, in dem mit zerbrochenen Erinnerungen das gegenwärtige Persönlichkeitsmosaik kunstvoll zusammengestellt wird. Nur um kurz darauf dann doch eine Pause mit warmen Orgeltönen einzuleiten und sich danach zu fragen, woher und aus welche Zeit wohl die essentiellen, persönlichkeitsprägenden Anteile der Seele entsprungen sein mögen. In "Desperate Times" treffen zarte Vibrato-Gitarren auf eine sich langsam aufbauende "Walk On The Wild Side"-Atmosphäre, die mit all ihrer Melancholie und den kleinen, versteckten Sehnsuchtsmelodien dann doch noch zu einer Idee eines furiosen Finales findet.
Und so wie "Desperate Times" aufhört, beginnt "Speedboat", mit euphorischem Noisegewirbel. Es ist eine gewitzt gehetzte Rocknummer, die durch ihren tanzbaren Groove wohl weder Frauen- noch Männerfüße still stehen lässt. Diesem vermeintlichen Showdown mit dem Teufel, den die feministische Superheldin Luise Pop nach nur drei Minuten überlegen gewinnt, folgt der konzeptuelle Siegestanz über die eigene Ernsthaftigkeit. Denn "Conceptual Dance" ist mit Abstand das selbstironischste und zugleich ernsthafteste Kritikstück, das sich passender Weise einer 1980iger Kraut- und Elektrorockästhetik bedient.
Das "Time Is A Habit" so richtig funktioniert, ist zu einem großen Teil auch Thomas "Kantine" Pronai, Produzenten und Mastermind von Bo Candy & His Broken Hearts zu verdanken, der Luise Pop zu einem unglaublich erdigen, ausgewogenen, transparenten, direkten und erfrischenden Sound verholfen hat, der die Songs, das Album und die Grundstimmung vom Anfang bis zum Ende zusammenhält.

Luise Pop/Siluh Records
Luise rettet die (Pop)Welt
Die beiden musikalischen Heldinnen Vera Kropf und Lisa Berger haben sich mit zwei neuen Mitstreiterinnen aufgemacht, die (Pop)Welt zu retten. Auch wenn sie das selber nicht vordergründig im Sinn hatten. Denn im vermeintlichen Apokalypsenjahr 2012 ist diese Platte, die eingefahrene Muster und Gewohnheiten listig hinterfragt und an der verkonzeptualisierten Gesellschaftskultur kratzt, ein frischer und willkommener Befreiungsschlag für alle eingefahrenen Popohren und Indiehamster, deren Puste nicht mehr lange für das Laufen im Brotjob-Rad reicht.