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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

13. 1. 2012 - 07:00

Dancing on my own

Small Screen Stories zu Videos, in denen getanzt wird. Zum Dazuhüpfen und Weglaufen.

Manche werden ihr Näschen rümpfen und meinen, über Tanzvideos zu schreiben sei ungefähr so originell, wie das Ableben von Michael Jackson zu beklagen.

Ihr hättet Recht, gäbe es da nicht meine ganz spezielle Liebe zu Tanzvideos, die mich schon fast in eine "Little Miss Sunshine"-Kategorie hievt. In meiner gebrochenen Seele treffen nämlich eine unglaubliche Liebe und Emphase zu Tanzchoreographien auf völlige Koordinationsunfähigkeit und totales Fehlen von Taktgefühl. Ich meine hier übrigens musikalisches Taktgefühl und nicht soziales.

In meinem Freundeskreis nennt man mich hinter vorgehaltener Hand "das boxende Känguru" und bereits vor zwanzig Jahren haben meine lieben DJ-Freunde es aufgegeben, mir das Nachklatschen eines Viervierteltakts beibringen zu wollen. Mein Freund G. meint sogar, ich wäre ein kleines Wunder, weil wenn man absichtlich so neben den Beat tanzen wollen würde, wie ich das von selbst tue, wäre man ein rhythmisches oder besser arhythmischen Genie.

Linke-Hand-rechte-Hand-Koordination ist mir nicht möglich, warum ich überhaupt ein Mischpult bedienen kann, verstehen meine Kollegen bis heute nicht.

Vielleicht habe ich deshalb seit frühester Kindheit eine große Liebe zu Tanzchoreographien. Über Jahre habe ich Jazztanz-Kurse sabotiert, obwohl schon in die letzte Reihe verbannt, habe ich als euphorischstes Kind die gesamte Gruppe aus dem Konzept gebracht. Kein Kind hat Michael Jackson-Videos so oft gesehen wie ich, und versucht Thriller zu jeder Gelegenheit nachzutanzen.

Langer Rede kurzer Sinn, es fasziniert mich nach wie vor, wenn Menschen ihre Bewegungen auf amüsante oder unerwartete Art in Videos zu Musik synchronisieren und im besten Fall für mich damit schrankenlose emphatische Daseinsbejahung (=Spaß) ausdrücken.

Sich räkelnde Kopulationstänze finde ich nicht so spannend, weil schließlich gibt es für jeden der oder die es will frei verfügbar Pornographie, deshalb sehe ich nicht ein, warum ich mich in Musikvideos in meinem Alltag ständig von der Sexualität von irgendwelchen Beyonces, Britneys oder Rhirhis belästigen lassen muss.

Aktuelle Videos

Die Scissor Sisters, denen die Welt die großartige Nummer "I dont feel like dancing" zu verdanken hat, haben ein neues Album gemacht. Es heißt "Night Work", Boys Noize hat es produziert und Azealia Banks, vor der ich mich gleich im Anschluss gleich tief verbeugen werde hat an der Nummer "Shady Love" mitgeschrieben.

Pitchfork nennt das Video dazu „eines der ersten großen Videos von 2012, die beste Schulaufführung die wir nie gesehen haben“. Ich tendiere eher dazu es als einen "Pädophilie im Showbiz zu thematisierenden Albtraum" zu sehen, der wohl noch lange leichte Übelkeitschübe erzeugen wird.

Wesentlich charmanter wird die Jugendkarte von Azealia Banks ausgespielt. Miss Banks ist 1991 in Harlem geboren, war mit Nicki Minaj in der Schule, wenn sie nicht als Kindermusical-Star am Broadway beschäftigt war. 2009 hat Diplo ihre ersten Tracks produziert, und ihr gegen Ende letzten Jahres erschienener Song "212 hat sie gleich in diverse Coolheitslisten befördert.
Auch wenn sie irgendwas von "cunt getting eaten" erzählt, klingt das ganze nach Ironie und Spaß. Und dass sie bei dem Text wie ein Schlumpf im Mickey-Mouse-Pullover herumhüpft und sich nicht im Strobo-Lazer-Licht-Wahnsinn irgendwo räkelt, gibt ihr einen gewaltigen Sympathie-Vorsprung.

Es kann gut sein, dass 2012 nicht nur das Jahr ist, in dem die Welt untergeht sondern in dem Major Lazer die Großraumetablisments dieser Welt erobern. Warum auch nicht? Krochen mit Diplo und Switch am Praterstern!

Die aktuelle Major Lazer Single "Original Don" zeigt ungefähr, wie ich meine Freizeit am liebsten verbringen würde. Das Herumgehopse hat nicht den geringsten Kopulationshintergedanken und auch die Identifikationsfigur mit dem kleinen korpulenten Hund - der aussieht wie meiner - ist im Video vorhanden.

Das wären die aktuellen Vorschläge die mich in meiner Küche herumhüpfen bzw. die Flucht ergreifen lassen.

Die Klassiker

Keine Youtube-Party wäre aber perfekt ohne die großen Klassiker. Allen voran das Video, das mir Mut und die Bestätigung gegeben hat, dass es völlig in Ordnung ist, sich in der Öffentlichkeit zum Idioten zu machen, solange man es mit genügend Hingabe und Selbstvertrauen tut.

Danke Fatboy Slim, danke Spike Jonze.

Ich habe die Kollegin Susi Ondrusova noch nie Tanzen gesehen, aber auch sie scheint eine große Freundin von spontanen Bewegungsausbrüchen zu sein. Falls ihr in nächster Zeit einmal zwei schwarz gekleidete Frauen mit Kopfhörern und kleinen Hunden in einem Park im fünfzehnten Wiener Bezirk bizarre Choreographien ausführen sehen solltet, dann ist diese von Frau S. erstellte und von mir ergänzte "It makes me wanna dance"-Liste Grund dafür:

It makes me wanna dance

Und du?