Erstellt am: 10. 1. 2012 - 14:06 Uhr
Ösi-Anleihen zu verkaufen!
Normalerweise ist es ein unspektakulärer Vorgang, von dem niemand außer den Beteiligten groß Notiz nimmt: Der österreichische Staat verkauft wieder mal Anleihen, und holt sich so frisches Geld bei Kreditgebern, um damit seine Ausgaben zu bezahlten.
Doch diesmal zieht die Auktion von österreichischen Bundesanleihen von insgesamt 1,3 Milliarden Euro, die über 10 Jahre zurückgezahlt werden sollen, viel Aufmerksamkeit auf sich. Denn im Gegensatz zu früher ist seit Ausbruch der Krise die Zugriffslust der GeldgeberInnen bei Anleihen europäischer Staaten schwer einzuschätzen. Einige Staaten (Griechenland, Portugal, Irland) fanden in den letzten zwei Jahren immer weniger KäuferInnen für ihre Staatsanleihen, und wenn, dann nur für gefährlich hohe Zinsen. Um sie vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren (und die Bankenlandschaft und den Rest der EU vor deren Folgen), schufen die Euroländer den "Rettungsschirm", der diesen Ländern Kredite verschafft, die von allen anderen Staaten garantiert werden, und deswegen etwas günstiger sind.
Wer ist noch zu retten?
Eine entscheidende offene Frage für die Erfolgsaussichten dieses Manövers ist, ob sich das Misstrauen der GeldgeberInnen auch auf andere Länder ausbreitet. Schlechte Wirtschaftsnachrichten in einer Region, Gerüchte und eine Vielzahl anderer Unwägbarkeiten können in einer so instabilen Lage wie derzeit jederzeit den Schatten des Zweifels über die Kreditwürdigkeit eines Landes dunkler machen. Wenn noch weitere Staaten Probleme kriegen, Kredite am Markt aufzunehmen, gibt es am Ende eventuell zu viel RettungskandidatInnen und zu wenig RetterInnen im Rettungsschirm.
Für die aktuelle Auktion gilt eine solche schlechte Nachricht in Gestalt des Nachbarlandes Ungarn für Österreich als möglicherweise relevant: In Ungarn hat sich die Staatsschuldenkrise verschärft, und Österreichs Wirtschaft, allen voran der Bankensektor, macht viele Geschäfte dort. Deshalb bedeuten Probleme in Ungarn auch Probleme für Österreich. Jetzt bangen die Verantwortlichen für das österreichische Staatsschuldenmanagement, ob sich die KäuferInnen von österreichischen Staatspapieren dadurch vom Kauf abhalten lassen oder ob sie höhere Zinsen fordern als sonst, als Kompensation für das gestiegene Risiko.
Was ist eine Staatsanleihe?
Eine Staatsanleihe ist eine Art Kreditvertrag zwischen dem Staat, und jemand, der ihm Geld gibt. Das besondere gegenüber einem Bankkredit ist, dass dieses Wertpapier dann z.B. weiterverkauft werden kann.
Gekauft werden Staatsanleihen vorwiegend von Banken, Versicherungen, Unternehmen und vermögende Privatpersonen im Inland und im Ausland – sie sind also üblicherweise die KreditgeberInnen des Staates. Für sie sind Staatsanleihen eine von vielen Möglichkeiten (neben Unternehmensanleihen, Aktien, Gold etc.etc.), Geld anzulegen.
Die Festlegung der Zinsen erfolgt in einer Art Auktionsverfahren. Finanzinstitute geben Gebote ab, zu welcher Verzinsung sie bereit sind, dem Staat diese Kredite zu gewähren (also Staatsanleihen abzukaufen). Im Extremfall kommt es sogar zu der skurrilen Situation der Negativverzinsung: Während Staatsanleihen vieler europäischer Staaten zögerlich oder nur gegen höhere Zinsen angekauft werden, aus Angst vor Zahlungsausfällen, erfreuen sich Deutsche Bundesanleihen aufgrund des großen Vertrauens in die Wirtschaftskraft des deutschen Staates so enormer Beliebtheit, dass AnlegerInnen jüngst sogar Geld gezahlt haben, um bei der letzten Auktion welche zu kriegen. Wenn nichts mehr für sicher gehalten wird, werden die letzten sicheren Häfen für Vermögen zu einem wertvollen Gut, für das im Notfall auch gezahlt wird: Statt Zinseinkünfte zu erwarten gilt es dort Parkgebühren für Geld zu entrichten.
Zwar ließen sich etwa mit italienischen Staatsanleihen oder mit Anleihen von Unternehmen und Banken höhere Zinsen verdienen. Höhere Zinsen sind aber in der Wahrnehmung der Finanzbranche auch Zeichen eines höheren Risikos, vielleicht einen Teil des Geldes nicht mehr zurückzubekommen. Und Akteure die auf Nummer sicher gehen wollen (zum Teil, weil sie es laut Vorschriften auch müssen: Versicherungen zum Beispiel), verzichten deshalb in Krisenzeiten lieber auf Rendite, und kaufen nur die sichersten Papiere.
In Frankreich und anderen EU-Staaten ist man dieser Zitterpartie schon überdrüssig, und verlangt, dass die Europäische Zentralbank künftig die Kreditvergabe an Staaten übernehmen soll, statt sich weiter den Stimmungsschwankungen der privaten GeldgeberInnen auszusetzen (werden die GeldgeberInnen heute optimistisch und gnädig sein oder packt sie wieder die Angst?). Doch die deutsche Bundesregierung als finanzstärkste Kraft in der EU hält dagegen. Nicht zuletzt, weil der deutsche Staat als Schuldner, dem auf seine Schulden zuletzt wie oben erwähnt sogar Prämien gezahlt wurden, bislang zu den Gewinnern der Krise zählt - vorerst.