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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

9. 1. 2012 - 18:11

Nur mehr ein Gast, wie jeder andere

Die einen kehren Ängste und Vorurteile hervor, die anderen wittern das große Geschäft, dabei unterscheiden sich russische TouristInnen gar nicht mehr besonders von anderen.

Wenn russische TouristInnen nach Österreich kommen, so sagt man, dann freuen sich die BoutiquenbesitzerInnen und Reinigungskräfte. Erstere, wenn ihre Geschäfte halb leer gekauft werden, zweitere, wenn diese schönen neuen Sachen dann nach dem Auschecken im Hotelzimmer bleiben.

Viele Leute haben solche Geschichten zu erzählen, meist aus zweiter und dritter Hand. Wenn Peter Marko solche Geschichten hört, dann muss er schmunzeln, denn für ihn sind sie ein Ding aus der Vergangenheit, mindestens fünf Jahre her. Damals hätte er in seiner Boutique in Sölden den dreifachen Umsatz gemacht, wenn die russischen TouristInnen rund um das orthodoxe Weihnachtsfest in den Ort gekommen sind. Heute wären es nur mehr um 20% mehr als in den anderen Wochen.

Schifahrer im Sessellift

APA/DPA/Karl-Josef Hildenbrand/DPA/Karl-Josef Hildenbrand

Das Einkaufsverhalten normalisiert sich

"Es gibt Statistiken darüber, dass die Russen eine höhere Pro-Kopf-Tagesausgabe haben, die sich aber in den letzten Jahren immer mehr an die Durchschnittsausgabe der anderen Nationen angepasst hat. Es wird tendenziell weniger, bzw. normalisiert sich."

Peter Marko kennt sich aus mit den Statistiken über russische TouristInnen, denn hauptberuflich ist er Geschäftsführer des Kitzbühler Tourismusverbandes. Die geringere Ausgabenfreudigkeit der RussInnen führt er auf zwei Ursachen zurück. Erstens könnten sie heutzutage auch in Moskau, St. Petersburg und anderen russischen Großstädten Skiausrüstung kaufen, auch zu normalen Preisen, was vor zehn Jahren noch nicht möglich war. Zweitens kämen nach den ganz Vermögenden nun auch Angehörige der gehobenen Mittelschicht zum Schifahren nach Österreich, die preisbewusst im Supermarkt einkaufen und in Appartements wohnen.

RussInnen füllen das Jännerloch

Kitzbühel zählt gemeinsam mit St. Anton, Sölden, Ischgl und Mayrhofen zu den sogenannten "Russenhochburgen", den wenigen Tiroler Orten, wo Russen ihren Urlaub verbringen. Dennoch machen sie über die gesamte Saison gesehen nur vier Prozent der Gäste aus, nur Anfang Jänner wird ihr Anteil mit 17% zweistellig. Für die Hoteliers der ideale Zeitpunkt, denn die RussInnen verlängern damit die Hochsaison und lassen das "Jännerloch" verschwinden.

Hotels haben sich für diese Wochen mit eigenen Dolmetschern gerüstet und kommen ihren Gästen bei besonderen Wünschen entgegen, etwa mit Gala-Dinners am 7.Jänner, dem orthodoxen Weihnachtsfest. Auch bei Schischulen stehen russische TouristInnen zu dieser Zeit hoch im Kurs, die Nachfrage nach russischsprachigen Schilehrern ist hoch.

Bank im Schnee

APA/HANS KLAUS TECHT

Wenige Einheimische sprechen Russisch

Simon Rieser ist als Russischstudent einer der wenigen einheimischen Schilehrer, der seine SchischülerInnen versteht. In der Schischule, in der in der Hochsaison über 100 SchilehrerInnen beschäftigt sind, sprechen nur etwa sieben von ihnen russisch. Der Großteil von ihnen kommt selber aus Russland oder den ehemaligen Sowjetrepubliken Lettland und Weißrussland.

Für alle anderen hat der Tiroler Schilehrerverband eine Broschüre herausgegeben, wo die wichtigsten Phrasen und Kommandos des Schiunterrichts auf Russisch übersetzt wurden. Russischkenntnisse zahlen sich aus, wie Simon bestätigt, denn seine russischen Gäste seien nicht nur sehr angenehme SchülerInnen gewesen, sondern hätten sich auch großzügig gezeigt. Beim Essen auf der Schihütte und beim Trinkgeld, das heutzutage nicht mehr selbstverständlich sei.

Kein Grund für Ressentiments

Dass es so viele Ressentiments gegenüber RussInnen gibt, kann sich Simon Rieser nur mit der Sprachbarriere erklären, Peter Marko versucht es mit den Geschichten aus der Vergangenheit und Medienberichten von Pauschalurlaubsdestinationen, wo reiseunerfahrene russische Gäste negativ aufgefallen seien. "Winterurlaub ist teuer. Hier reisen in erster Linie Gäste an, die reiserfahren sind, die international sind und die sich international bewegen. Deswegen ist das ganz ein normaler Gast wie alle anderen Gäste auch."