Erstellt am: 4. 1. 2012 - 17:51 Uhr
Nicht alles wo "Nazi" draufsteht ist gut
Seit vor einigen Tagen zwei der Brands des letzten Jahres (Anonymous und Wikileaks) zur "Enthüllungsseite" nazi-leaks.net verschmolzen sind, glühen die STRG+F Tasten. Kundendateien von rechtsgerichteten Bekleidungsfirmen, Spendenlisten von Parteien und "Autorenlisten" einschlägiger Zeitungen werden von Wohnzimmer-Nazijägern nach Postleitzahlen, Nationalratsabgeordneten und spektakulären Firmenendungen in Mail-Adressen durchsucht.
Dass die "Autorenliste" offenbar auch lediglich angefragte InterviewpartnerInnen auflistet, die Daten schwer bis kaum auf Richtigkeit geprüft werden können und es generell wohl noch die eine oder andere hypothetische Möglichkeit gibt, den eigenen Namen so im Netz veröffentlicht zu sehen, ohne rechtsextrem zu sein, interessiert dabei im Moment herzlich wenig.
Mit geradezu kindischer Freude schwebt ein "Erwischt!" durch's Internet.
Wozu?
nazi-leaks.net
Dass im Rahmen dieser "Operation Blitzkrieg" fundamentale Ansprüche an Datenschutz außer Kraft gesetzt werden, weil XY einen Kapuzenpulli beim falschen Mailversand bestellt hat, stößt auf keine große Gegenwehr.
Im Gegensatz zu den USA, wo via National Sex Offender Public Website von jedem und jeder nach Namen oder Wohnadresse entlassener Sexualstraftäter gesucht werden kann, sind in Österreich selbst solche Daten besonders geschützt. Gerade einmal Exekutive, Staatsanwaltschaften, die Gerichte, die Jugendwohlfahrt und Schulen (bei Einstellungsverfahren) haben hier Einsicht in die Sexualstraftäterdatei. Mit gutem Grund.
Bleibt die Frage, warum das offenbar hierzulande hoch anerkannte Gut "Privatsphäre" im Fall der Nazi-Leaks derart vernachlässigt werden soll.
Möglichkeit A: Zur eigenen Sicherheit
Das wäre die Argumentation der "Sexualstraftäterdatei für alle"-Schreier. Was dort noch irgendwie nachvollziehbar ist, bleibt hier irgendwie witzlos. Ob mein Nachbar mit einer Runen-Jacke rumläuft, sehe ich auch aus dem Fenster.
Möglichkeit B: Zur Verunsicherung der anderen
Schon viel realistischer. Wer an rechtsextreme Parteien spendet, sollte sich im Klaren drüber sein, dass das publik werden kann. Könnte funktionieren. Allerdings: Es mag gemeinhin nicht sehr en vogue sein, aber schämen tun sich aktiver UnterstützerInnen rechter Parteien auch nur selten. Wer die schon erwähnte Runen-Jacke kauft, wird sie in aller Regel sowieso tragen (sprich: will wohl sogar damit gesehen werden), und wer einen Artikel für eine rechte Zeitung schreibt, gilt wohl ohnehin nicht gerade als öffentlichkeitsscheu. Auf intrinsisches schlechtes Gewissen kann man also in kaum einem Fall setzen.
Man könnte natürlich ein wenig nachhelfen. Wer Namen, Mail- und Wohnadresse oder gar Telefonnummer einer Person hat, der kann ihr das Leben natürlich durchaus schwer machen. Den bitteren Beigeschmack, dass die veröffentlichten Listen darauf abzielen, kann man ihnen leider nicht ganz absprechen. Vor der stabsmäßigen Planung solcher Aktionen wäre ein Blick auf Qualität, Zuverlässigkeit und Aussagekraft(!) der Daten aber durchaus angebracht.
Möglichkeit C: Because We Can
Das gezielte Hacken rechter Webseiten durch Anonymous ist natürlich auch eine Machtdemonstration. Per se aber keine von Nicht-Nazis gegen Nazis, sondern eine von Hackern und -innen gegen DatenaufbewahrerInnen. In einem aufklärerischen Sinn ("Wenn du deine Daten in ein Formular schreibst, dann können die auch irgendwo anders wieder auftauchen") ja auch durchaus sinnvoll.
Dass es keine rechten HackerInnen gibt, kann aber natürlich auch niemand behaupten. Man könnte also durchaus davon ausgehen, dass es technisch auch nicht sehr viel schwieriger ist, Daten von Antifa-Shop-Bestellern oder AbonnentInnen der (Hausnummer!) Jungle World zu klauen. Ob das überhaupt linke Äquivalente zum Odin-Versand oder der "Jungen Freiheit" sind, ist dann schon deshalb völlig irrelevant, weil das in dem Moment wo die Liste als antifa-leaks gehandelt wird, niemanden mehr interessiert. "Böse"-Stempel drauf, fertig. Und schlimmstenfalls zurück zu "Möglichkeit B: Verunsicherung der anderen".
Who cares?
Neben aller Freude über die Nazi-Leaks gibt es durchaus auch kritische Stimmen. So weißt beispielsweise ein Mitglied des Chaos Computer Club in der SZ zum Beispiel darauf hin, dass die Arbeit von Nazi-Leaks gegen den Hacker-Ethos "Private Daten schützen, öffentliche Daten nützen" verstößt. Und auch der Verein Zara ist mit der Methode der Veröffentlichung von Namen und Daten nicht sehr glücklich. Dort verweist man darauf, dass auch Neonazi-Seiten immer wieder Daten von Personen veröffentlichen, die gegen Faschismus und Rechtsextremismus arbeiten. Und diese Veröffentlichungen könnten für die Betroffenen durchaus gefährlich sein.
In FM4 Connected
Schaukeln solche unorthodoxen Methoden die Gewaltspirale nach oben oder sind sie ein wirksames Mittel gegenüber Rechtsradikalen? Welche rechtlichen Konsequenzen sind zu erwarten? Robert Glashüttner stellt dieses Fragen Dina Malandi und Claudia Schäfer vom österreichischen Anti-Rassismus-Verein ZARA.
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