Erstellt am: 30. 12. 2011 - 10:33 Uhr
Verstoßene Schätze und skurrile Objekte
Bibliothek der Provinz
"Sapperlot! Steiermark Spektakulär" von Anita Fuchs und Martin Behr ist im Verlag Bibliothek der Provinz erschienen.
Zwischen den Jahren, da kommen viele zurück in ihre Orte. Und wie nach einer langen Reise gleicht sich die Erinnerung ab mit der Gegenwart. Das kann ziemlich unglaublich sein. In manchem Ort wartet eine Überraschung: Plötzlich steht in Nachbars Garten eine maoistisch geprägte Statue, die in Peking gute Figur machen würde. Das Feuerwehrauto ist ein Feuerwehrhaus und nahe dem Waldstück erblickt man beim Winterspaziergang eine Stupa.
Garanas mit seiner Stupa liegt nicht in Indien, sondern in der Steiermark. Das Bundesland hat Sehenswürdigkeiten zu bieten, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob ich sie täglich sehen will.
Der Künstler und Journalist Martin Behr (eine Hälfte von G.R.A.M.) und die Gestalterin Anita Fuchs (die als Teil des Künstlerinnenduos "ResAnita" Spontanlokale eröffnete) haben sich auf die Reise gemacht: In ihrem Bildband "Sapperlot! Steiermark Spektakulär" tragen sie die skurrilsten Objekte und Schauplätze zusammen. Es sind Ausgeburten von Kreativität oder unendlicher Langeweile, von SammlerInnenleidenschaft oder modernem Brauchtum.
Anita Fuchs/Martin Behr
Wuchsen die Holzstörche anlässlich von Geburten in den letzten Jahren meterhoch an, so überragen nun die Geburtstagsfiguren. "Da ist noch einiges in Vorbereitung", ist Mitherausgeber Martin Behr überzeugt.
Vergiss den Storch
Vom Western-Saloon in Spielberg, dem Saurierpark und dem Bärenkäfig für die lebendige Bärin Heidi will ich gar nicht erzählen. Die "Hundekampf-Bärin" aus Syrien fristet nun ihr Elend neben Braunbär "Raunzer" in Berghausen.
Die wunderbarsten Kreationen aber entspringen skurrilen Hobbys: Weltenbauer und Kreativmenschen trifft Martin Behr seit Jahren. Der Künstler Behr schätzt sie und hat Respekt, ob es um die professionell installierte Wasserwelt oder die Bastelarbeiten von privaten Menschen geht. Für ihn sind sie nicht die "Spinner", als die sie die nähere Umgebung gerne abtut.
Anita Fuchs/Martin Behr
In Vorgärten spielt es sich ab. Komplett verflieste Einfamilienhäuser mit rosa Zaun sind noch ein zuckersüßer Anblick im Gegensatz zu einem überlebensgroßen steinernen Panther, der knapp über der Zaunspitze seine Zäune fletscht. Der Kommandant nebenan ist allerdings eine steirische Auftragsarbeit und kein China-Import. Dimension ist vielfach alles. Ob Riesenpizza, Mickey Maus oder Draken-Skulptur. In Bärnbach hat der Künstler Gustav Troger ein Gasthaus mit einer enormen Stahlkugel und Kette gesichert.
Das Dorf der Osterhasen
Die Interessen von Privatpersonen und Gemeinde decken sich im Idealfall, wenn es um die optimale Gestaltung ganzer Straßenzüge geht. In Fischbach lautet der Slogan: Mehr Osterhasen als EinwohnerInnen. "Überall im Ort, bei jedem Fenster und jeder Türe, wohin man blickt, siehst du Osterhasen. Das Denkmal des Kameradschaftsbundes wird von sechs Holzhasen und einer geschnitzten Kanone flankiert", berichtet Anita Fuchs, selbst nach wie vor ungläubig. "Heftig."
Antia Fuchs/Martin Behr
Wird das Motto vom Fremdenverkehrsverein ausgegeben, floppt das Unternehmen mitunter. Eisenerz hat sein Bemühen sich als "Schneemannstadt" zu etablieren, wieder eingefroren.
Anita Fuchs/Martin Behr
Andere greifen lieber auf Bewährtes zurück. Freiheitsstatuen stehen in Graz und - weitaus näher am Original - in Wies. Zur Golden Gate Bridge in Unterpremstätten ist es von Graz nicht weit. Hulk ballt am Abenteuer-Golfplatz in Gleisdorf die Fäuste. Und die Madonna von Lourdes findet man auch in Unterlamm und die Mutter Theresa-Statue vor der Karlauer Kirche.
Anita Fuchs/Martin Behr
Sammlung der verstoßenen Schätze
Die Geschichten zu all diesen ungewöhnlichen und teils irritierenden Objekten und Orten muss man selbst erfahren. Der außergewöhnliche Bildband ist ein alternativer Guide in die Steiermark. Zwei, die man trifft, wenn man sich auf die Suche macht, sind Margareta und Alois Schwarz.
Sechs Jahre arbeitete Alois Schwarz bei der Müllabfuhr. Eines Tages brachte er einen gußeisernen Luster nach Hause. Verwendung fand das Ehepaar keine dafür, doch wer weiß? Eines Tages könne man den Luster brauchen. Das Teil wanderte in die Garage, und über die Jahre sollten viele weitere Dinge folgen. Alois Schwarz fischte sie aus den Mülltonnen. Bis sein Auto nicht mehr in die Garage passte, und ein Zubau die "Sammlung der verstoßenen Schätze" begründete.
Russisches Papiergeld, Souvenirs und Fingerringe. Nichts, was es nicht gibt. Den Schmuck fand Schwarz in Altkleidern und in Staubbeuteln, die er aufschlitzte. Seine Sammelleidenschaft stieß nicht bei allen Kollegen auf Begeisterung. "Schämen braucht ihr euch nicht für mich! Nur fahren", entgegnete der Steirer.
Radio FM4 | Maria Motter
Tausende Dinge aus dem Restmüll stellt das Ehepaar Schwarz in seiner Sammlung aus. Ankäufe schließt es ebenso aus wie Verkäufe: "Naa! Wir verkaufen nix! Soviel kann niemand für etwas zahlen wollen! Denn dann wären alle schönen Stücke weg. Und für uns ist das alles viel wert."
Radio FM4 | Maria Motter
Bis die Schwarz ihr Privatmuseum nahe Straden der Öffentlichkeit zugänglich machten, brauchte es Überzeugungsarbeit. Was aus dem Müll kommt, könne ja nichts wert sein, hörte Margareta Schwarz vielfach. Heute zieht sie ihre Lieblingsstücke, die Spieluhren, für alle BesucherInnen mit Besitzerstolz auf.