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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

2. 1. 2012 - 16:14

Das Jahr der SciFi-Onlinerollenspiele

Unendliche Weiten. Science-Fiction-Liebhaber, die gerne online spielen, haben 2012 mehr Auswahl als je zuvor.

Wenige Tage vor Weihnachten startete ein Online-Rollenspiel, dem schon Monate vorher viel Aufmerksam seitens Fans und Fachpresse geschenkt wurde: Star Wars: The Old Republic aus dem Hause BioWare. Das MMO-Debut des kanadischen Gamedevelopers wurde als jenes Spiel gesehen, das dem MMO-Platzhirschen "World of Warcraft" erstmals wirklich Konkurrenz machen könnte. Und das obwohl BioWare bisher ausschließlich Singleplayer-Rollenspiele entwickelt hat, diese aber stets mit herausragender Narration und daher stetigem Erfolg.

Ein paar Wochen nach dem Start zeigt sich: "SWTOR" ist tatsächlich das am schnellsten wachsende Online-Rollenspiel der Geschichte. Schon innerhalb der ersten Tage hatten sich über 1 Million Spieler registriert.

Das andere Star-Wars-MMO wurde zum Start von "The Old Republic" abgedreht - die Userzahlen von "Galaxies" waren in den letzten Jahren aufgrund umstrittener Veränderungen des Spiels ohnehin stark gesunken. Schade ist es trotzdem um "Star Wars: Galaxies", war es doch eines der wenigen echten Sandbox-MMOs: Spieler konnten zahlreiche Elemente im Spiel selbst gestalten.

Diesen "Sandbox"-Charakter kann "The Old Republic“ nicht bieten, böse Zungen sprechen vom virtuellen Star-Wars-Disneyland. Dafür aber glänzt es wie erwartet mit guten Geschichten: Alle acht Character-Classes haben ihre eigene Erzählung, jeder NPC-Dialog im Spiel ist von Schauspielern vertont. Ein SciFi-Höhepunkt also, der das MMO-Jahr 2012 maßgeblich bestimmen wird. Ob WoW als populärstes MMO tatsächlich abgelöst wird, steht in den Sternen.

BioWare

Star Wars: The Old Republic

Star Trek Erweiterung

Im anderen großen Weltraumspektakel aus Film und Fernsehen gab es 2011 gleich drei Erweiterungspakete: Star Trek Online bringt den Spieler an verschiedenste detailreiche Schauplätze, von der Starfleet Academy, über fremde Planetenlandschaften, in den Weltraum und ins Innere von Raumschiffen und Raumstationen. Bei seinem Erscheinen aber erfüllte "STO" die Erwartungen nicht ganz, weil es noch relativ wenig Content bot. Nun fetten die häufigen Erweiterungen - "Seasons" genannt - das Spiel ordentlich auf. Ende 2011 erschien "Season 5".

Für dieses Jahr steht bei "Star Trek Online" die Umstellung vom monatlichen Bezahl-Abo auf ein sogenanntes "Freemium"-Modell an. Das heißt: Wer will kann das Game gratis herunterladen und spielen - wer trotzdem monatlich bezahlen will, erhält Extra-Goodies. Dazu gibt einen großen Shop im Spiel, wo man für echtes Geld Raumschiffe, Waffen und Ausrüstung kaufen kann. Weil letzteres spielbeeinflussend wirkt, ist es nicht unumstritten: Hardcore-Gamer lehnen das Bezahlmodell als "Pay-to-Win"-System ab.

Cryptic

Star Trek Online

EVE: Proteste und Demokratie

Das Unbehagen angesichts des "Pay to Win"-Trends hat auch CCP, Betreiber des dritten großen SciFi-MMORPG im Jahr 2011 gespürt: Denn "EVE Online" erhielt im Sommer einen Ingame-Shop. Dort kann man sich vorläufig zwar nur optische Verbesserungen kaufen, die das Spiel nicht beeinflussen. Doch die Abonnenten des gigantischen Sandbox-MMOs befürchteten, dass die Einführung des Shops ein erster Schritt hin zu spielbeeinflussenden Bezahl-Items war. Geleakte E-Mails aus der CCP-Chefetage taten ihr übriges, um die Skepsis anzuheizen, die Folge waren Proteste und 10.000 gekündigte Abos.

"EVE Online"-Betreiber CCP berief das "Council of Stellar Management" ein, eine in der Games-Community einzigartige, demokratisch gewählte Vertretung der "EVE"-Spieler. Nach wochenlangen Beratungen schoss CCP eine neue Erweiterung nach, deren Fokus auf vielen von den Spielern lange eingeforderten Verbesserungen im Weltraum- und Raumschiff-Content des Games lag.

Die Weiterentwicklung des Shops wurde vorläufig auf Eis gelegt, der Friede war wiederhergestellt - ein Rest von Skepsis hinsichtlich der Strategie von CCP bleibt aber: Denn 2012 soll der First-Person-Shooter "Dust 514" erscheinen. Das Geschehen in diesem MMOFPS spielt sich auf den Planetenoberflächen von "EVE" ab und beeinflusst direkt die Machtverhältnisse im Rollenspiel - ein einzigartiges Projekt mit einem bitteren Beigeschmack: In "Dust 514" soll es die gefürchteten, spielbeeinflussenden Bezahl-Items von Anfang an geben. So schleicht sich "Pay to Win" dann doch, sozusagen durch die Hintertür, in das "EVE"-Universum ein. Das letztjährige Drama ging also glimpflich für die Macher von "EVE Online" aus, wird 2012 aber mit Sicherheit eine Fortsetzung erfahren.

CCP

EVE Online

Trägodie um Jumpgate

Völlig verunglückt ist das letzte Jahr für NetDevil, den Betreiber eines ebenso legendären Onlinespiel zum Thema Raumschiffe: "Jumpgate" sollte eigentlich endlich seine lang erwartete Neuauflage erhalten, mit dem Namen "Jumpgate Evolution"- doch dieses Projekt ist so gut wie gestorben. Grund dafür ist ein Streit zwischen NetDevil und dem Publisher Codemasters, dem die Entwicklung des MMOs zu langsam voranging und der plötzlich vor Gericht einen Millionenvorschuss zurückforderte.

NetDevil musste im Zuge des Rechtsstreits fast alle seine Mitarbeiter kündigen und betreibt nun mit einer Skelett-Crew der einstigen Firma das in die Jahre gekommene originale "Jumpgate" weiter. Die Fans werden das auch 2012 mit einer Mischung aus Verzweiflung und trotziger Treue zu "ihrem" Spiel ertragen. "Jumpgate" bietet trotz der veralteten Grafik auch 2012 noch überragendes Gameplay.

Reakktor

Black Prophecy

Der deutsche Spieleentwickler Reakktor Media hat
angesichts der Katastrophe rund um "Jumpgate Evolution" Glück: Sein Raumschiff-MMORPG Black Prophecy startete im letzten Jahr und legt den Focus ähnlich wie "Jumpgate" auf groß angelegte PvP-Weltraumschlachten – grafisch modern und sehr beeindruckend. "Black Prophecy" ist allerdings ein Freemium-Game mit spielbeeinflussenden Bezahl-Items und wird von "Jumpgate"-Fans mit Skepsis gespielt.

Seriös bleibt hingegen das schon sieben Jahre alte "Vendetta Online", entwickelt und betrieben von nur vier Fans des Genres und eines der wenigen Cross-Plattform-Games des Genres: Vendetta Online wird auch 2012 ständig verschönert, verbessert und sogar hinsichtlich der Kompatbilität erweitert: Das MMORPG kann ab sofort nicht nur auf Windows, Linux und MacOS gespielt werden, sondern auch auf Android-Geräten. Viel Erfreuliches also für Liebhaber von Space-MMOs. Trotz Abschaltung der "Star Wars Galaxies" und Einstampfung des halbfertigen "Jumpgate Evolution" präsentiert sich das Genre heute vielfältiger und aufregener als je zuvor. 2012 wird ein gutes Jahr.