Erstellt am: 27. 12. 2011 - 18:10 Uhr
Exit Poll 2011 - Teil Eins
Zu allererst vielen Dank an dich fürs Mitmachen. Tausend Menschen haben in den letzten paar Tagen unser Formular ausgefüllt und deswegen sitzen wir heute vor einer wahren Datenflut und machen überdimensionale Stricherllisten. Die ersten Kategorien haben wir schon fertig, und hier ist die Auswertung:
Act des Jahres
James Blake
1. James Blake
2. Crystal Fighters
3. Arcade Fire
4. Bon Iver
5. Casper
6. Foo Fighters
7. Camo & Krooked
8. Girls
9. Lana del Rey
10. Ja Panik
11. Skrillex
12. HGichT
13. Lady Gaga
14. The Naked And Famous
15. Patrick Wolf
Bereits in den Top 20 wäre die Antwort "Keiner". Eine Antwort, die auch die Verteilung der Ergebnisse widerspiegelt. Wie gesagt - rund tausend Menschen haben mitgemacht. Und diese tausend Menschen haben 445 verschiedene Lieblingsacts. Vier! Hundert! Fünfundvierzig. Nicht einfach nur verschiedene Songs, sondern komplett andere Bands.
Der Trend 2011 geht in eine beinahe schon unheimliche Diversifizierung ohnehin schon schmaler Nischen. Vielleicht wird 2011 als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem sich Pop tatsächlich erledigt hat. Während auf der ganzen Welt die 99 Prozent gegen das eine Prozent der Superreichen vorgehen, gibts im Act des Jahres keine Superreichen mehr. Die Aufmerksamkeit des Publikums ist auf unzählige Acts verteilt.
Der Form halber trotzdem ein paar Worte zu den Top 3: Arcade Fire bringen das seltene Kunststück zustande, ihren Podiumsplatz des Vorjahres zu verteidigen. Eine der seltenen Konstanten in einer Zeit, in der Musik kommt und wieder geht, bei einem Ohr rein, beim anderen raus, und am Ende erinnerst du dich noch nur noch an die Marke, die den Song in einem Clip verwendet hat.
Album? Komplett egal. Das letzte Arcade Fire war irgendwann 2010, genau wie das Album der zweitplatzierten Crystal Fighters. Schon im Jänner haben sie bei unserer Geburtstagsparty ein aufregendes Konzert gegeben. Ob die drei Superohrwürmer "Follow", "At Home" und "Plage" mitsamt ihrer baskisch-folkloristischen Instrumentierung jetzt schon ein paar Monate mehr auf dem Buckel haben oder nicht, spielt für die FM4 Exit Poll keine Rolle.
Platz eins geht schließlich an den neuen Konsenskünstler des Jahres: James Blake. Den Mann aus London, der Dubstepvergangenheit und Songwriterfähigkeiten zu epischen Teilen wie "Limit To Your Love" zusammensetzt.
Film des Jahres
Filmladen
1. Melancholia
2. Der Prozess
3. Atmen
4. Drive
5. Harry Potter (teil 7/2)
6. Carnage
7. Midnight In Paris
8. Hangover 2
9. Black Swan
10. Blue Valentine
Zum Glück gibts auf der anderen Seite Konstanten. Wie zum Beispiel Fernsehserien. (Aber um die soll es erst in Teil 2 der Auflösung gehen.) Und Kino.
"Melancholia", der umstrittene Lars von Trier Film ist in eurer Abstimmung mit großem Vorsprung die Nummer eins. Dass der dänische Regisseur seinen Figuren mit grober Verachtung begegnet, scheint euch nicht weiter zu stören. Einen schönen Film zum Ende der Welt wollte er drehen. Mission erfüllt.
Dahinter zwei österreichische Produktionen. Auf Platz 2 der Dokumentarfilm zum so genannten Tierschützerprozess, in dem sich Martin Balluch und die Mitangeklagten vor Gericht als Terroristen verantworten müssen. Interessant: Außerhalb Wiens war der Film regulär kaum in den Kinos. Warum nicht?
Dass "der Film mit der Natalie Portman, wo sie tanzt" (wir erinnern uns, Black Swan hieß das Teil) nur auf Platz 9 gelandet ist, haben wir uns zunächst damit erklärt, dass sich kein Mensch mehr an den Anfang des Jahres erinnert. Kann aber nicht sein, siehe Act des Jahres.
Heimliches Lieblingslied
Adele
1. Adele - Rolling in the Deep
2. Rihanna - We Found Love
3. Lana del Rey - Video Games
4. Foster The People - Pumped Up Kicks
5. Hubert von Goisern - Brennen tuats guad
6. LMFAO - Party Rock Anthem
7. Adele - Someone Like You
8. Beyonce - Countdown
9. Martin Solveig - Hello
10. Katy Perry - Firework
Na wenigstens ein Exit Poll Ranking, in dem auch Frauen vertreten sind. Während Lady Gaga offenbar den Sprung aus der Peinlich-Kategorie ins echte Ranking geschafft hat, hängen Adele und Beyonce immer noch in der Warteschleife. Lana del Rey hingegen läuft auf FM4, im besser sortierten Regionalradio und im Radio Gaga gleichzeitig. Crossover hat man sowas früher genannt.
Facebookstatus/Tweet/SMS des Jahres
Okay, das ist jetzt keine Kategorie, wo wir einfach nur zählen können und eine schnöde Liste machen. Weil, sonst würde das so aussehen.
1. Ich glaube in Kärnten ist gerade ein Solarium vom Himmel gefallen. (@NikoAlm, 2. August)
Nein, hier soll es darum gehen, zwischen den Zeilen zu lesen und eventuell ein Lebensgefühl abzulesen.
Welche Geschichte hat wohl mit "ich hab echt nicht mehr viel zeit aber ok" ihren Anfang genommen?
Und was wurde aus dem hehren Vorsatz: "Habe bei Ikea 1000 Bleistifte mitgenommen. Baue Floß!"
Warum wurde die SMS "ich glaube ich liebe dich noch" nie abgeschickt?
Welche Wendung hat ein Leben genommen, wenn "Heute Niese?" die Ehrung als SMS des Jahres bekommt?
Wessen Statusmeldung könnte das sein?: "Eating Tim Tams with XX and 2 others at Bondi Beach."
Und warum schreibt "Mama" solche SMS? "Hallo! Papa hat mich in Ungarn vergessen. Komme später! LG, Mama"
Weitere Messages, Statusmeldungen und Tweets des Jahres 2011:
- Siri, why do bad things happen to good peolpe
- radiohead tickets soeben gecheckt
- wegen gestern heute geschlossen
- Wenn ich mich nicht bald rasiere, muss ich irgendwo Linux installieren!
- Wow, jetzt kannst du sehen welche deiner Freunde Idioten sind!
- jetzt wo wir nur mehr hinten an der bar stehen, sollten wir uns mit charly fluch befreunden #a place to bury strangers
- WTF?
- merry crisis and a happy new fear!
Club des Jahres
flex
1. Flex, Wien
2. Pratersauna, Wien
3. Niesenberger, Graz
4. P.M.K., Innsbruck
5. Weekender, Innsbruck
6. Morrisson Club, Wien
7. Rhiz, Wien
8. Fluc, Wien
9. Chelsea, Wien
10. Conrad Sohm, Dornbirn
Der Klassiker unter den österreichischen Clubs behauptet auch 2011 den ersten Platz. Nicht einmal die Querelen um die Sperrstunde können das Flex erschüttern. Die Pratersauna sieht immer noch jedes Mal, wenn du hingehst, anders aus, und das liegt noch immer nicht nur an dir. Der Niesenberger-"Mitgliedsausweis" ist die wahrscheinlich kredibelste Kundenkarte des Landes. Und wäre die Niese in Wien, würden die Top drei sicher anders aussehen. So aber hat jede Stadt die Clubs, die sie verdient. Beziehungsweise (hallo Linz!? hallo Salzburg?!) gar keinen Club in den Top10 des FM4 Exit Poll.
Buch des Jahres
Ullstein Verlag
1. Dirk Stermann - 6 Österreicher unter den ersten Fünf
2. Charlotte Roche - Schoßgebete
3. Martin Balluch - Tierschützer. Staatsfeind.
4. Stéphane Hessel - Empört Euch!
5. Arno Geiger - Der alte König in seinem Exil
6. Walter Isacson - Steve Jobs
7. Umberto Eco - Der Friedhof in Prag
8. Karim El-Gawhary - Tagebuch der arabischen Revolution
9. Haruki Murakami - 1Q84
10. Michel Houllebecq - Karte und Gebiet
Na servus. Entweder hat Dirk Stermann hier selbst abgestimmt, bis seine Finger verglüht sind, oder dieser Mann ist reif für den ersten FM4 Exit Poll Award auf Lebenszeit. Sein Buch "6 Österreicher unter den ersten Fünf" gewinnt zum zweiten Mal in Folge die Umfrage, ist somit Buch des Jahres 2010 und Buch des Jahres 2011. Wie wird wohl sein nächstes Buch heißen? Zwei Stermänner unter den ersten Eins?
Dahinter das Buch mit dem Charme eines Autounfalls (du willst nicht, musst aber hinschauen), die Biografie mit der emotionalen Komponente einer Doktorarbeit (du kannst nicht weiterlesen, aber irgendwie interessiert dich ja doch, wie die Sache ausgeht) und das Heftchen mit den vierzehn Seiten.
Und die Literatur? Die folgt dann auf den hinteren Plätzen der Top10.
Persönliche Enttäuschung des Jahres
Lieber Bundeskanzler Faymann, lieber Minister Berlakovich, lieber Lou Reed, liebe Politik, liebe Wirtschaft, liebe untätige Menschen, lieber SK Sturm Graz, liebes Liebesleben!
Macht euch nichts draus, dass ihr in dieser Kategorie besonders viele Nennungen bekommen habt. Enttäsucht sein kann man nämlich nur von Dingen, von denen man sich was erwartet. Vom Traumschiff, vom Salzamt, von Rainhard Fendrich, den Schauspielern aus Friends, Felipe Massa und Maria Fekter erwartet sich offenbar schon im Vorhinein niemand irgendwas, deswegen ist auch jetzt - am Jahresende - niemand enttäuscht.
Ihr aber, ihr Faymanns, ihr Untätigen und Liebeslebens dieser Welt, auf euch ruhen die Erwartungen. Also krempelt 2012 gefälligst die Ärmel hoch und macht was!
Teil 2 mit dem Konzert des Jahres, dem Game des Jahres, dem Song des Jahres, der Fernsehserie des Jahres, dem Blog des Jahres, dem Protestanliegen 2011 und dem Magazin des Jahres folgt am 28. Dezember.
Und ihr anderen auch, die ihr da persönliche Enttäuschungen wart:
Unistundenplan
Dubstep
Grazer Univiertel
der Vater
Sommer
Exfreund
Ratingagentur
Nationalmannschaft
Schule
steirisches Sparpaket
Bloß: Bei Dingen wie dem Tod von Menschen (solche die einem nahe stehen, oder aber auch Peter Alexander oder Amy Winehouse) hilft auch Ärmelaufkrempeln nichts. Manchmal hilft eben doch nur Enttäuschtsein.