Erstellt am: 26. 12. 2011 - 23:25 Uhr
Journal 2011. Eintrag 235.
2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.
Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo (oder nur unzureichend) finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute mit Widerstand gegen eine allzu redundant begangene Wiederentdeckung.
Diesmal ist es gar kein Geburts- oder Sterbetag oder Jubiläum, sondern die Tatsache, dass einige ihrer Hauptwerke restauriert und herausgeputzt wurden.
Auch schön.
Macht diese gefühlt alle zwei, drei Jahre wiederkehrende Neuentdeckung der größten Komiker aller Zeiten sinnvoller als sonst.
Das Filmarchiv Austria zeigt ihre Filme noch bis Anfang Jänner. Und der 2012 noch genauer positionierte Kulturkanal arte widmet Stan Laurel & Oliver Hardy eine eigene Retrospektive samt neuer Doku (am Mittwoch).
Und wie das Amen im Gebet, wie die Transparenz im Bullshit-Bingo der Piraten oder die politische Unabhängigkeit in dem des ORF kommt dabei sofort die Rede auf die ach so schröckliche Rezeptions-Geschichte von Laurel & Hardy im deutschsprachigen Raum.
Nicht einmal der arte-Trailer kommt drum herum, auch die besten Vorankündigungen schaffen es nicht.
Die verunstaltenden TV-Mashups früherer Tage
Seit ich denken kann, muss ich mir ein starres Narrativ anhören, über die Entsetzlichkeiten, die Laurel & Hardy angetan wurden, als ihre Kurz- und Langfilme durch wirres Schnipseln verstümmelt in Vorabendserien hineingepresst und dann entweder dümmlich synchronisiert oder von einer Erzählerstimme vergewaltigt wurden. Schlimmer noch; man stopfte Laurel & Hardy mit anderen Zeitgenossen des Stummfilm-Slapsticks in ein Pseudo-Universum. Da wirbelten Turpin, Chaplin, Keaton, Langdon, Lloyd, Chase, Laurel & Hardy und andere Figuren aus dem Hal-Roach-Studio durcheinander, wiewohl sie im echten Leben und in der zeitgenössischen US-Rezeption allesamt echte Einzelstars waren.
Die Väter der Klamotte waren das Resultat des Kampfes zwischen der Idee der Bewahrung des alten deutschen Kulturguts und den Einflüssen der neuen US-Alltags-Kultur. In diesem Kampf wurden in den 50er/60er/70er Jahren auch der Comic oder die Rockmusik zerrieben: das alles galt als wertlose Kunst und konnte bestenfalls veralbert dargeboten werden.
Laurel & Hardy ficht das soviel an wie Donald Duck
Deshalb waren Laurel & Hardy eben Stan & Ollie oder Dick & Doof (eigentlich Doof & Dick, aber whatever...). Dem hauptangesprochenen Ziel-Publikum von Rockmusik, Comix und Slapstick aber waren diese bürgerlichen Dünkel den niederen Künsten gegenüber ziemlich scheißegal.
Genauso wie eine lachhafte Verschneidungs-Politik der Donald-Duck-Geschichten im deutschsprachigen Raum nicht verhindern konnten, dass sich dieser Charakter und sein wichtigster Erzähler letztlich durchsetzen konnte als Chronist des Alltags seiner Zeit, genauso wenig konnte die Verunstaltung L&H etwas anhaben. So stoisch Keaton, so hibbelig Chaplin durch ihre Settings gingen - die Alltagsszenen, die Laurel & Hardy beim Scheitern zeigten, waren zu stark und von zu hohem Ewigkeitswert, um sich zerstören zu lassen.
In den 70ern gab es dann den Backlash: sich zurecht über die bisherige Behandlung empörende Cinephile, die sich in der Folge dann erfolgreich um eine würdige Einordnung des überragenden Komiker-Duos bemühten. So wurden aus Dick, aus Ollie, aus dem Südstaaten-Bonvivant Hardy, aus Doof, aus Stan, aus dem wie Chaplin aus England kommenden Laurel veritable Filmkünstler, Autoren-Filmer, die ihre Karriere ab einem bestimmten Zeitpunkt selber in der Hand hatten und vor allem selber produzierten.
Redundant nervige Heldengeschichten cinephiler Retter
Und seitdem kann ich es mir jedesmal anhören, die Heldengeschichte, wie aus den unterschätzten Vaudeville-Stars, die nicht mehr geachtet wurden als Zirkus-Clowns, deren Nummern man beliebig zusammenschneiden konnte, hochgeschätzte Filmkünstler wurden.
Seit ein paar Jahren, seit den gefühlten letzten fünf Wiederentdeckungen strengt mich diese angestrengte Auftischung der Rezeptions-Geschichte aber nur noch an: auch weil sie daherkommt wie eine Wein-Verkostung unter neureichen Bobos. Es geht nicht mehr um den Wein, sondern nur noch um deren Ausstellung.
Ich finde es auch toll, wenn die Geschichten mit der Leiter, dem Fertighaus, dem Klavier, wenn die Wüstensöhne oder der Oxford-Film in einer neuen besser bildaufgelösten Version aufliegen. Selbst wenn diese Arbeiten von der hochreaktionäre KirchGroup durchgeführt werden, den Mit-Schöpfern dieses Nachkriegs-Klimas von Dünkel und Hochnäsigkeit, das letztlich an der Dick&Doof-Sache schuld war. Schwamm drüber.
Ich brauche dazu aber nicht schon wieder, hoch-redundant, auf die Väter der Klamotte hindreschen. Das ist letztlich nur das Gegenstück zum Schundheftl, in dem die Donald-Geschichten zu finden waren; also ein Reinzieher, ein Türöffner.
Die alten Bastard-Remix gehören genauso restauriert
Die alten Slapstick-Verschneidungen kann man nämlich auch ganz anders sehen: als frühe Remixe, als Bastard-Pop. Klar, die Remixer, die sich da vergangen haben, sind nur die Guettas und d'Agostinos, nur die Kommerztrottel, keine Künstler. Trotzdem haben ihre wilden und teilweise wirklich geistesgestörten Bastard-Mixe teilweise Cutup-Qualitäten und sind (in sich) genauso, speziell in einer postmodernden Sichtweise, Kunst wie die perfekt restaurierten Laurel & Hardy-Werke.
Diesen (seit Jahren nötigen) Denkschritt lassen die L&H-Würdiger aber seit Jahren aus.
Das nervt. Und beschädigt Laurel & Hardy, die diese hochnäsige Geiselhaft, in die sie die cinephilen Snobs genommen haben, weder verdienen noch gewollt haben. Die beiden kommen schließlich aus der bösartig-brutalen Welt des Zwischenkriegs-Vaudevilles, das es geschafft hat die Schrecken der Zeit, die Massenarmut, die wirtschaftlich und politische Verödung, die soziale Verrohung abzubilden, im Rahmen eines Witzes zu erzählen.
Solange ein ebenso verrohter Remix nichts an dieser inhaltlichen Substanz ändert und die Werke so einem neuen Publikum nahebringt, bin ich für die gleichberechtigte Restaurierung der alten "Männer ohne Nerven"-Mash-Ups, samt Theo-Lingen-Gedächtnis-Synchronisation.