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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

23. 12. 2011 - 22:14

Fußball-Journal '11-141.

Die Weihnachtsüberraschung.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch das heurige Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit der einzigen aktuellen Personalie, die in eine mutmachende Richtung geht.

Die schmale Zeitspanne vor der Öffnung des Transferfensters Anfang Jänner wird gern für kurzfristige, oft unerwartete und auch überstürzte Entscheidungen genützt.
Für Überraschungen. Für Weihnachtsüberraschungen.
Weil das aber ein positiv besetzter Begriff ist, trifft er auf nur eine der aktuellen Entscheidungen zu.

Die große Überraschung zu Weihnachten ist nicht die Eliminierung von Karl Daxbacher oder die Installierung von Ivica Vastic.
Es ist schön, dass die allgemeine Befindlichkeit in Management-Kreisen und Coaching-Gewerbe den Neo-Trainer dazu zwingt schon in seiner Ankündigung von einem "Fokus auf Analyse" zu sprechen.
Die Installierung eines bislang nicht gerade als Analyse-Experten, sondern eher als Herumhäng-Haberer aufgefallenen Kumpels als dafür zuständigen Co-Trainer spricht hingegen dafür, dass uns hier einer das alte Prohaska-Ogris-Modell als kollermäßige Analyse verkaufen will; uns also für fest deppert hält.

Wer ist die Weihnachtsüberraschung? Der Vastic nicht...

Die große Überraschung ist nicht das offenherzige Jahresabschluss-Interview mit Leo Windtner, in dem der ÖFB-Präsident zugibt, dass ein bisserl mehr Constantini-Erfolg die dringende Reform um Jahre, wenn nicht auf den St.Nimmerleinstag, verschoben hätte.
Das war leider schon ohne diese Bestätigung klar: die für heimische Verhältnisse unendlich radikale Umbruch-Situation des ÖFB ist ganz wenigen Einzelnen zu verdanken und lebt aktuell von ihrer großen Wirkung. Die Gefahr, dass allzu viele den Druck abfedern wollen, indem sie sich das Mäntelchen der Akribie überwerfen, in der Substanz aber den Inlands-Pacult geben, besteht aber.

Die große Überraschung ist auch nicht der Wechsel von Andreas Herzog in den Trainerstab von Jürgen Klinsmanns Team USA. Dass Herzog trotz bester Möglichkeiten keine Handschrift entwickelt hat, hätte ihm als Amateur-Trainer bei der Austria, vielleicht auch bei Rapid nicht wirklich geschadet: beim neuen, nach tatsächlich relevanten Kriterien arbeitenden ÖFB qualifiziert einen das nicht für höhere Aufgaben. Also nahm er einen weniger bedeutenden Job an: Herzog wird als Scout/Beobachter/Kontakter für in Europa spielende US-Teamkicker eingesetzt; echter Assistent wird er keiner - was ihn als Coach auch nicht weiterbringen wird.
Immerhin lernt er aber eine andere Arbeits-Ethik und eine andere Kultur kennen; sofern er sich nicht weiter als hauptamtlicher Experte/Beschöniger auf Sky im Larifari-Land verlieren wird.

... der Windtner nicht und der Herzog auch nicht...

Die große Weihnachts-Überraschung ist auch nicht, dass der fröhliche Zipfelmützen-Verteiler von Bratislava, Heinz Hochhauser in Fuschl den Weisl bekommen hat. Wieder ein Red-Bull-Sportverantwortlicher, der in die Wüste geschickt wird, wieder einer, der keine klaren Aufträge bekommen hat und danach für eigenständiges Handeln kritisiert wird; wieder einer, der der Versuchung nach Transfer-Quantität erlegen ist; wieder einer, der Begriffe wie "Jugend", "Nachwuchs" und "Aufbau" nur im Mund führt, sie aber nicht zu schmecken versteht.
Stattdessen zündete er noch eine Expansionspolitik an, die wieder einmal darauf abzielt, Regeln zu umgehen und die Konkurrenz zu verarschen

Die große Überraschung wird auch nicht die eventuell bevorstehende Vorstellung des Hochhauser-Nachfolgers sein: wenn Ralf Rangnick das macht, dann hat er sein Burn-Out nicht genutzt, um das Leben zu verstehen. Salzburg verhält sich zu Hoffenheim schließlich wie Suchard zu Zotter.

Die große Überraschung ist auch nicht der Dreck, den man nachträglich über Werner Gregoritsch erfährt. Dass er ein homophober Austro-Baric ist, daraus hat er nie ein Hehl gemacht. Dass mit seinem Abtritt das Problem von Macho-Feschismus erledigt ist, wird sich als Trugschluss herausstellen. Solange Figuren dieser Preisklasse als Funktionäre überwintern, wird der Sport sein verranztes Männerumkleide-Image nicht loswerden.

... nicht der Hochhauser, der Rangnick, der Gregoritsch...

Die große Weihnachtsüberraschung ist auch nicht das offene Wort von Bundesliga-Finanzvorstand Herovits über den Fehlglauben an unendliche Finanzierbarkeit. Wann wenn nicht jetzt kann er erwarten, dass ökonomische Zusammenhänge zumindest ansatzweise nachvollziehbar ankommen, in einer Öffentlichkeit, die sich lang genug in der unter dem Quarglsturz der Medienlandschaft aufs "rein Sportliche" reduzierten Scheinwelt aufgehalten hat.

Die echte Weihnachtsüberraschung ist ein ganz banaler Transfer. Der eines Trainers. Ins Ausland. Ins qualifizierte Ausland, zu einem Champions League Achtelfinalisten. Zum FC Basel.
Markus Hoffmann hat vier Jahre lang als Coach beim Regionalligisten SV Seekirchen in Salzburg gearbeitet, den Mini-Verein in dieser Zeit mit keinen Mitteln und keinem Spielermaterial in der Liga gehalten und als Anlaufstelle für junge Spieler etabliert.
Jetzt holt ihn Heiko Vogel nach Basel, als Assistenztrainer; und zwar wirklich, nicht wie Herzog.
Vogel war selber Assistenztrainer, der von Thorsten Fink, ehe der zum HSV ging und Vogel den Sensationserfolg gegen Manchester United überließ.

... es ist der, den sich der Vogel rausgepickt hat!

Markus Hoffmann ist 39, und er war kein großer Kicker, Stürmer beim damaligen Profiklub Braunau. 1999 ging er für zwei Jahre ins Ausland. Nur ein paar Schritte über die Grenze zu Wacker Burghausen. Trotzdem in eine andere Fußballwelt, andere Zu- und Umstände, eine andere Kultur.
Dort spielte er mit einem gewissen Heiko Vogel zusammen.

Dass der jetzt ihn und nicht einen Vastic holt, hat damit zu tun, dass es in einem Profi-Betrieb wie dem FC Basel nicht um Posertum, Sich-Gutstellen mit der Presse oder anderes Blendwerk geht, sondern um Qualität. Ein No-Name wie Hoffmann muss durch Lernwillen und Ausbildungs-Drang auffällig werden, um zu überzeugen. Da reicht schickes Modebegriffe-Dropping nicht aus.

Deshalb ist Hoffmann in Basel; und andere weiter in Kolumnen-Geiselhaft am österreichischen Boulevard. Was für eine Weihnachtsüberraschung!