Erstellt am: 23. 12. 2011 - 13:08 Uhr
Sperrstunde
Das Flex letzten Samstag, kurz nach vier Uhr Früh: Hunderte Menschen tanzen beim Wicked zu Raggatek und Drum’n’Bass. Plötzlich bricht die Musik ab. Es wird hell auf der Tanzfläche. Enttäuschte Gesichter bei den Gästen, manche haben gerade erst Eintritt gezahlt. Man ist wütend aufs Flex. Dabei war es ein Polizist, der das Ende der Party angeordnet hat – Sperrstunde sei um vier. Kaum ein Club im ersten Bezirk Wiens kann von der neuen Sperrstundenregelung Gebrauch machen: 30 Lokale haben angesucht, nur zwei davon dürfen bis sechs Uhr offenhalten (Sass und Platzhirsch). Die anderen 28 Lokale, sagt Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Daniela Stepp, hätten die Auflagen nicht erfüllt: „Es sind strenge Auflagen, weil es ja auch um Lärmerregung mitten in der Nacht geht, und da wollen wir sehr genau hinschauen. Genau das passiert jetzt. Das dauert halt ein paar Monate länger. Dafür haben dann alle ihre Ruhe, sowohl die Gastronomen, als auch die Anrainer, und das ist uns wichtig. Deshalb glaube ich, dass es gut ist, wenn man ein, zwei Monate genauer hinschaut und das lieber genauer prüft, als im Nachhinein dann die Beschwerden von den Bewohnerinnen und Bewohnern zu haben.“
flex
Die „ein, zwei Monate“ dauern im Fall des Flex allerdings schon zwei Jahre. Denn die Sperrstundenverlängerung ist gekoppelt an eine neue Betriebsanlagengenehmigung, und um diese hat das Lokal bereits im Jahr 2009 angesucht – seit damals liege der Antrag bei der zuständigen Beamtin am Magistratischen Bezirksamt und werde nicht abgestempelt, sagt Flex-Geschäftsführer Peter Schachinger. „Es geht mir sehr, sehr schlecht“, sagt er. „Weil ich nicht nachvollziehen kann, dass zuerst ein Gesetz geschaffen wird, und es dann wieder so mühsam ist, die Verlängerung zu bekommen. Wenn es dann wieder heisst: 'Und, und, und, und.' Abgesehen davon wird bei uns seit 2008 Lärm gemessen – mit dem Ergebnis, dass es keinen gibt. Man hört nichts raus. Es ist völlig absurd.“
Nachtclubs in anderen Wiener Gemeindebezirken - etwa im dicht bebauten siebenten Bezirk – haben trotz unmittelbarer Nähe zu Wohnhäusern die Betriebsanlagengenehmigung problemlos erhalten. Lokale im ersten Bezirk hingegen müssen neben dem Lärmschutz offenbar viele andere Hürden meistern, um die Genehmigung und somit die Sperrstundenverlängerung zu erhalten: So wird beim Flex etwa der Abstand des Würstelstandes zum Radweg beanstandet – dabei beträgt er ohnehin sechs Meter, mindestens dreieinhalb sind vorgeschrieben. Die für Betriebsanlagen-Genehmigungen zuständige Beamtin, Michaela Swoboda, wollte FM4 kein Interview geben. Es sei aber nicht ungewöhnlich, dass das Flex schon zwei Jahre auf die neue Genehmigung warte, so Swoboda – die Auflagen müssten eben erfüllt werden. Diese Meinung teilt Peko Baxant, Gemeinderatsabgeordneter der SPÖ – er hat im Sommer die neue Sperrstundenregelung propagiert: „Es gibt keine wie auch immer geartete Benachteiligung des Flex. Sondern es sind laut Polizei und laut magistratischem Bezirksamt einige wichtige Dinge noch zu erfüllen. Das ist anscheinend ein Kommunikationsproblem zwischen den Betreibern, dem Magistrat und der Polizei.“
Daniel Eberharter
Die Polizei stört sich etwa auch an den Bänken, die vor dem Lokal am Donaukanal stehen – sie sollen verschwinden. Immer wieder würden Dinge beanstandet, die eigentlich schon genehmigt waren, ärgert sich Geschäftsführer Peter Schachinger. Das zehre nicht nur an den Nerven, sondern auch an den finanziellen Ressourcen. Das Flex ist als Verein organisiert, daher nicht auf Gewinn ausgerichtet. Es hat Gewinne stets ins Lokal zurück investiert, muss seit Jahren aber mit zwei Stunden weniger Öffnungszeit auskommen – für einen Nachtclub bedeutet das ein Drittel weniger Umsatz: „Wir Nachtschwärmer wissen, dass die Leute nicht vor zwölf, halb eins in den Club gehen. Auch internationale DJs, die man einfliegt – was viel Geld kostet – gehen frühestens um eins auf die Bühne. Eigentlich um zwei, und dann wollen sie bis sechs Uhr spielen. Wenn der Club zwei Stunden weniger offen haben darf, führt das irgendwann zum Konkurs. Wir stehen kurz vorm Zusperren, weil uns nicht ermöglicht wird, dass wir richtig wirtschaften können.“
Schachinger spielt mit dem Gedanken, Wien zu verlassen und nach Berlin zu ziehen. Denn auf den Club kommen auch wieder rechtliche Schwierigkeiten zu: Zwei Anzeigen wegen nicht eingehaltener Sperrstunden sind eingegangen, ab der dritten kann dem Geschäftsführer die Konzession entzogen werden – dieses Problem hatte das Lokal schon vor drei Jahren, der damalige Geschäftsführer und Gründer Tom Eller trat damals zurück, um den Fortbestand des Flex zu sichern. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob die im Sommer vom Wiener Rathaus gepriesene Sperrstundenverlängerung für mehr innerstädtische Clubs Realität wird, oder doch nur eine Mogelpackung war.