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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

20. 12. 2011 - 16:27

Bald Drohnen über deutschen Dächern

Der Deutsche Bundestag ist dabei, das gesetzliche Flugverbot für Drohnen im zivilen Luftraum aufzuheben. Die Überwachung von Großereignissen durch unbemannte Flieger wird künftig auf dem Verordnungswege möglich.

Am vergangenen Donnerstag wurde ein Entwurf zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes im Deutschen Bundestag vorgestellt, der weitreichende Folgen haben wird. Neben verschiedenen Bestimmungen zur Umsetzung einer EU-Richtlinie für mehr Kostentransparenz bei Flughäfen findet sich auch eine, die eines der bisherigen Prinzipien der weltweiten, zivilen Luftfahrt kippt.

Bis jetzt war in Deutschland, - wie in allen Luftverkehrsgesetzen weltweit - der Betrieb von unbemannten Flugobjekten (Unmanned Aerial Systems, UAS) im zivilen Luftraum generell verboten, wenn man von Ballonen für meteorologische Zwecke oder Modellflugzeugen absieht. Dieses Verbot wird nun sukzessive aufgehoben.

Mit UAS sind nicht Quad-Kopter gemeint, die bereits bei Gelegenheit zum Einsatz kamen und auch in Spielzeugform erhältlich sind. Hier geht es um etwas größer dimensioniertes Gerät von 150 Kilogramm Fluggewicht aufwärts bis etwa zu einer halben Tonne.

Gleichberechtigung

Aufgrund "erheblicher Fortschritte" in der technischen Entwicklung erscheine es "in naher Zukunft nicht mehr ausgeschlossen, dass unbemannte und bemannte Luftfahrzeuge gleichberechtigt am Luftverkehr teilnehmen", heißt es dazu im Gesetzentwurf.

Daher sei es erforderlich, diese Form unbemannten Fluggeräts nunmehr gesetzlich "abzubilden", schließlich sei ja auch die europäische Agentur für Flugsicherheit seit 2009 mit der möglichen Freigabe des zivilen Luftraums für Drohnen befasst.

Analoge Routen

Und Sicherheit ist auch der kritische Punkt, zumal Kommunikation und Routing des internationalen Luftverkehr vollständig in analogem Sprechfunk abgewickelt werden. Einfliegende Maschinen melden sich mit Kennung und Flugparametern im jeweiligen Luftraum an und bekommen von den Fluglotsen dann Flughöhe, Routen etc. zugeteilt.

Mit unbemannten Fliegern ist das logischerweise nicht möglich, eine wirkliche Lösung ist für absehbare Zeit nicht in Sicht.

Militärs und Polizei

Angeführt vom EADS-Konzern hat sich die europäische Militärindustrie dennoch seit Jahren für die Zulassung unbemannter Flugzeuge auch im zivilen Luftraum stark gemacht. Unterstützung erhält die Waffenbranche dabei nicht nur von den Militärs, sondern auch von den Polizeibehörden verschiedener Mitgliedsstaaten.

Rund um die großen Sportereignisse der letzten Jahre kamen die jeweils gleichen Forderungen aus Polizeikreisen. Um Randale schon in ihren Anfängen zu erkennen, sollten Drohnen beispielsweise über Stadien kreisen, um Livebilder zu liefern.

Das zugehörige EU-Projekt INDECT

Das von der EU mit mehr als zehn Millionen Euro geförderte INDECT-Projekt entwickelt ein solches System zur flächendeckenden Kontrolle des urbanen Raums, in dem Drohnen zwar eine wichtige Rolle zukommt. Der weitaus mächtigere Teil des Systems aber befindet sich "dahinter".

Für die Fußball-EM 2008 hatten die Schweizer Behörden angekündigt, Teile ihrer 27 Geräte umfassenden militärischen Flotte taktischer Drohnen zur Überwachung rund um die Stadien einzusetzen. In Österreich wurde diese Option nicht (öffentlich) erwogen.

Es ist ein Netzwerk aus Datenbanken, Software zur automatisierten Videoüberwachung und Objekterkennung, daran gekoppelt sind eine auf soziale Netzwerke spezialisierte Internet-Suchmaschine, sowie diverse Datenbanken der Polizei.

Automatismen

Die Live-Daten kommen von Sensoren, die entweder fix montiert sind oder in Drohnen herumgeflogen werden: Videokameras von Infrarot bis HD, Tonaufzeichnung, GPS-Daten usw.

Diese Daten werden in die Kommandozentrale gefunkt, um dort analysiert zu werden, wobei der Vorgang teilweise automatisiert ist. Bei vorab festgelegten "Vorfällen" - Personen beginnen plötzlich zu laufen oder stürzen - schlägt das System Alarm und überspielt das Video an die geografisch nächsten Streifenwagen.

Das 2009 in die Schlagzeilen geratene und heftig kritisierte Indect-Projekt wird von der EU-Kommission mit 10 Mio. Euro gefördert, weitere fünf Mio. bringen die teilnehmenden Forschungsinstitute und Polizeibehörden ein.

"Polizeiliche Gefahrenabwehr"

In der aktuellen Novelle zum deutschen Luftverkehrsgesetz ist denn auch über den Einsatz von Kameras mehrfach die Rede und: Der Drohneneinsatz solle einer "Verbesserung der polizeilichen Gefahrenabwehr" dienen.

Die Tatsache, dass die weitgehend von einem Autopilotsystemen gesteuerten Drohnen von sich aus zu keinerlei Ausweichmanövern fähig sind und daher für den zivilen Luftraum grundsätzlich nicht zugelassen werden dürften, umgeht der Gesetzentwurf elegant.

Bodenpersonal mit Pilotenstatus

Durch die Einbeziehung von Datalinks und Bodenstationen wird das Ganze zu einem "unbemannten Luftfahrtsystem" erklärt. Eine irgendwo auf dem Boden befindliche Steuer-Crew der Drohne erhielte damit quasi Pilotenstatus und könnte dann den Funkverkehr mit den Fluglotsen abwickeln, ist das offenbare Kalkül dahinter.

Eine andere, direkte Form des Interagierens zwischen Drohne und zivilen Fluglotsen ist in absehbarer Zeit technisch nicht machbar. Es gibt dafür keinerlei einheitliche technische Standards und Normen.

UAS auf dem Verordnungsweg

"Nähere Katorisierung und Spezifizierung dieses Luftfahrtgeräts" solle analog zur technischen Weiterentwicklung in einem zweiten Schritt erfolgen und zwar durch das deutsche Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Dies solle jedoch nicht auf gesetzlichem Wege, sondern auf Basis von Verordnungen geschehen.

Zwar wird im Entwurf betont, dass noch "viele Aspekte des Betriebs von UAS weitere Klärung" bedürften und dass "ein verlässlicher Betrieb" ohne "wissenschaftlich abgesicherte Parameter nicht vertretbar" sei.

Der Entwurf zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes in Deutschland.

Luftraumsperren

Nur wenn eine "Einfügung in das bestehende Luftverkehrssystem" gewährleistet sei, "ohne eine Beeinträchtigung für andere Luftverkehrsteilnehmer" darzustellen, werde der Einsatz von Drohnen also möglich.

Diese Umstände können jederzeit gegeben sein, wenn zum Beispiel der Luftraum rund um eine Veranstaltung entsprechenden Kalibers für die Zivilluftfahrt weiträumig gesperrt wird. In Österreich und der Schweiz war das zum Beispiel während der Fußball-EM 2008 der Fall.