Erstellt am: 18. 12. 2011 - 19:50 Uhr
Fußball-Journal '11-139.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch das heurige Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit dem dritten Teil der Bilanz zur Halbzeit, nachdem es gestern die Geschichte der Herbst-Saison der Bundesliga zu erzählen galt; und dem Fazit zur 1. Liga.
Die Gegenwart des österreichischen Fußballs ist nicht in der Bundesliga oder gar in der 1. Liga.
zu finden: dort formiert sich, wenn alles ideal läuft, die Zukunft. Und wenn es schlecht läuft ziehen die Sünden der Vergangenheit alles runter.
Die Gegenwart, das ist nämlich das aktuell zu erreichende Top-Level. Ein in Österreich nahezu unbekanntes Zeit-Territorium.
Und diese Gegenwart stellen derzeit einzig und allein die Auslands-Profis dar. Es ist kein Zufall, dass selbst die von den heimischen Trainern gewählte Fußballer des Jahres-Liste nur Legionäre vorne hat. Es ist kein Zufall, dass der neue Teamchef eine fast reine Legionärs-Truppe hinstellt um Österreich zu repräsentieren. Der, Marcel Koller, hat das im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der sich mit Teamberufungen regionale Gefälligkeiten erkaufen wollte, auch erkannt; und entsprechend reagiert.
Die, die 2011, vor allem in der Herbstsaison einen gewaltigen Schritt nach vorne, in Richtung Internationalität gemacht haben, sind ausschließlich Legionäre. Alaba, Fuchs, Dragovic, Harnik, Pogatetz, Kavlak, Baumgartlinger, Ivanschitz...
Paratatikos, Präsens & Perfekt
Die österreichischen Spitzenkräfte in der Bundesliga (Leitgeb, Junuzovic, Jantscher, Schiemer) können allesamt froh sein, wenn sie ihr Level halten oder sich wieder aus Wellentälern rausziehen. Es hat sich, wieder einmal, keiner frisch angeboten in diesem Halbjahr. Einige wegen Verletzungen (die halbe Sturm-Mannschaft etwa...), andere wegen Formverfall oder Übervorsicht ihrer Trainer.
Wie sich aber etwa ein Hinteregger in der Liga noch weiterentwickeln soll, kann wohl keiner sinnhaft erklären: der spielt jetzt schon auf Top-Level, bleibt über einen längeren Zeitraum stabil und braucht jetzt dringend ein anderes Kaliber als Pasanen um sich als Top-Verteidiger weiterzubilden.
Und wenn er wartet bis er, wie Junzovic oder Leitgeb zu alt ist, um bei einem guten Club in einer guten Liga als noch ausbau- und ausbildbarer junger Spieler durchzugehen, dann wird er den Sprung über den Tellerrand nie schaffen.
Die ganz wenigen, die erst recht spät ins Ausland gingen (Janko, Scharner), zeichnet eine sehr individualistische Karriereplanung aus. Alle anderen (von Stranzl bis Manninger, von Prödl bis Arnautovic) haben sich bewusst und früh abgesetzt.
Futur, Futur II & Imperfekt
Für alle, die die Gegenwart des Fußballs erreichen wollen, bleibt das die einzige Chance.
Sonst werden sie im Konjunktiv des Talent-Geredes steckenbleiben und sich bei einem besseren Liga-Verein problemlos durchstögern, ohne jemals das Risiko gekostet zu haben. Oder sie bleiben in einem Fegefeuer der Möglichkeit, einer Art Parallelzukunft, in einem Futur II gefangen.
Diese Gegenwart ist nur einem Teil jener weit über 100 Österreicher, die sich ins Ausland vorgetraut haben, vorbehalten, klar. Mehr als 25 sind das nicht.
Aber auch die, die sich dahinter anstellen, sind mehrheitlich bereits raus aus der Liga (falls sie jemals drin waren...) - 13 der 16 Juniors to watch, die etwa abseits.at in einer löblichen Reihe vorgestellt hat, spielen in anderen, näher an der Gegenwart angesiedelten Sphären.
Das bedeutet aber auch, dass in den künftigen Hoffnungsträger Nationalmannschaft systematisch neue junge Akteure hineinwachsen werden, die nicht mehr von der seltsamen Zeitenfolge der österreichischen Bundesliga-Realität, sondern vom Gegenwarts-Anspruch der besseren Ligen prädefiniert sind. Auf dieses Wegdrängen des Hättiwari-Virus arbeitet Marcel Koller wohl auch hin.
Aorist, Plusquamperfekt & Präteritum
Dank des Wechsels von Andreas Herzog in die Assistenten-Riege von Klinsmanns Team USA (man sollte nicht auf die überzogenen Medien-Ankündigungen Herzog wäre dort die Nummer 2 reinfallen: er ist eine Art Special-Scout für Europa; Klinsmann hat drei andere, echte Assistenten) und der Demontage von Andreas Heraf besteht nämlich auch im Nachwuchs-Bereich genau jetzt die Chance, dass der neue ÖFB sich auch dort nachhaltig aufstellt: nicht als Ausgedinge für verdiente Trottelsager-Buam, sondern als zentrale Zone für die Basis dieser mentalen und psychologischen Ausbildung gegen das Seier- und Seicherltum.
Es ist beim Fußball so wie mit der Kunst. Wer sich aufs museale Ausstellen von alten Meistern verlegen will, der wird sich in Richtung Themenpark und Disneyland engagieren müssen; wer die Gegenwarts-Kunst forcieren möchte, der muss sich mit den Unwegbarkeiten des echten Lebens auseinandersetzen, bilden, ausbilden, fördern und die Möglichkeit für Auslauf schaffen.
Nach einer Halbsaison, in der einer der Beteiligten, überraschenderweise der ÖFB, es geschafft hat, ein Fenster zur Gegenwart hin zu öffnen um dem stickigen Mief der Vergangenheit zu entkommen, kann und soll es kein Zurück geben.