Erstellt am: 17. 12. 2011 - 22:55 Uhr
Fußball-Journal '11-138.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch das heurige Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit der Bilanz der Herbst/Winter-Saison der heimischen Bundesliga.
Das Fazit zur 1. Liga ist bereits Ende November erschienen: Bewegung in der zweiten Klasse. Zur Herbstsaison der 1. Liga.
Es hat nichts mit Weihnachten zu tun. Aber schon der Saison-Rückblick auf die 1. Liga Ende November fiel gar nicht so übel aus. Dort wo aufgrund extrem mieser Voraussetzungen eigentlich nichts weitergehen dürfte, gab es Entwicklung, Bewegung.
Nimmt man das Halbjahr des ÖFB dazu, dessen Geschehnisse es zu einem der Bedeutendsten seit Jahrzehnten machten (um einen ungefähren Eindruck zu gewinnen: dieses Interview mit Sportchef Ruttensteiner lesen) und auch noch den kleinen, aber wichtigen Aufstieg im UEFA-Ranking der einer zusätzlichen Mannschaft europäische Luft verschaffen wird, könnte man meinen: alles in Butter irgendwie.
Nur die fast schon traditionelle Schwäche der Liga-Teams im Herbst, wenn sich der (zu) frühe Meisterschaftsbeginn, die dadurch nicht professionell genug durchgeführte Vorbereitung ohne die nötige Sommer-Regeneration und die durch den (wegen der Gier der Funktionäre) vollgestopften Kalender verursachte Ausgelaugtheit niederschlägt, lässt auch den größten Schönrednern des Sports (die Rechteverwerter und ihre medialen Büttel) keine andere Wahl als am Niveau der höchsten Meisterschafts-Stufe zu zweifeln.
Zumal sich die besseren Teams darin übertrafen, weder Punkte holen noch gute Spiele abliefern zu wollen.
Entwicklung, Fortschritt, Hoffnung? Echt? Echt
Strukturell ist die Liga weiterhin lange noch nicht auf europäischem Level. Das zeigt der un-, nein, der unterprofessionelle Umgang, den Sturm Graz aktuell nicht nur mit dem Trainer, sondern mit praktisch allem an den Tag legt.
Das zeigt die philosophielose (Nicht-)Führung von Two-Face Salzburg, das zeigt die Fan-Problematik in Wien und vieles andere mehr.
Sportlich ist man auf einem brauchbaren Weg: immer weniger teure Legionäre ohne Wiederverkaufswert (Ausnahme: Salzburg); immer mehr Einsatz-Zeiten für junge, mittlerweile bestausgebildete Spieler (egal ob heimisch oder nicht); zunehmende Raffinesse in taktischen Angelegenheiten.
Diesbezüglich befindet sich die Liga in der Post-Pacult-Phase. Der konnte zwar, wollte aber nicht, weil er nicht musste, weil es keinen Druck gab, modern zu arbeiten (weil Medien, Funktionäre und Umfeld versagten, weil die Trainer/Experten-Seilschaften keine Notwendigkeit sahen).
Die Schöttels wollen, nicht weil sie müssen, sondern weil sie erkannt haben, dass nur so der Rückstand zu minimieren ist. Und seit der großen Koller-Debatte, in der ja das Denkmal für den akribischen Arbeiter errichtet wurde, ist es auch erlaubt, sich über das reine Hutschenschleudern hinaus zu entwickeln.
Das alles legt eine vergleichsweise brauchbare Basis für Spieler, die keine ewigen Talente bleiben, sondern weltmarktfitte Akteure werden wollen. Es ist ein Anfang, immerhin.
Vor diesem Hintergrund gibt es ein paar Geschichten zu erzählen.
Die Geschichte vom Herbstmeister...
... erzählt ein Blonder namens Thomas Reifeltshammer. Er leitet eine Abwehr, gemeinsam mit Kollegen wie Lukas Rotuller, Marcel Ziegl, Jan-Marc Riegler oder Max Karner, alle 23 und jünger. Diese Abwehr der Niemande ist die mit den wenigsten Gegentoren. Und Reifeltshammer ist dem gefühlte 20 Jahre lang verantwortlichen Oliver Glasner nachgefolgt, von einem Tag auf den anderen.
Ähnliches gelang dem Herbstmeister im Mittelfeld, von Anel Hadzic und Marco Meilinger Florian Mader und Daniel Royer ersetzen musste.
Der Herbstmeister ist, nicht nur personell sondern auch budgettechnisch, der Zwergrattler unter den Jadghunden und Rottweilern, die er aber allesamt auf Distanz halten konnte, weil man eine Idee, eine Philosophie und ein Konzept hat. Etwas, was viele Mitbewerber erst buchstabieren lernen müssen bzw. was sie noch aus dem Marketing-Bla ins Echte übersetzen müssen. Was sie nicht erreichen werden, wenn sie die möglichen Übersetzer regelmäßig in die Wüste schicken.
Die Geschichte vom Wintermeister...
... erzählt ein Pausbäckiger namens Guido Burgstaller, der sich von Altinternationalen und Campaignisierern als Symbolbild ihrer Kritik am neuen Stil von Trainer Schöttel hernehmen lassen musste; und es ihnen letztlich dann doch gezeigt hat.
Schöttel hat nach Jahren des taktischen Ödlands ein sinnhaftes 4-2-3-1 installiert, das die Stärken seiner wichtigsten Spieler (Hofmann, Drazan, Trimmel) hervorhebt und nicht auf blindes Stürmer-Reinwerfen setzt. Das macht die Hutschen-Lilioms natürlich nervös.
Dass der vermeintliche Loser Schöttel, den der Boulevard schon wundgeschrieben hatte, jetzt an der Spitze überwintert - welch Treppenwitz.
Die Geschichte von der Angst...
... erzählt, unfreiwillig, die Austria Wien.
Angst ist ja der Hit 2011 gewesen; zuerst Angst vor Ehec, dann vor der Atomwolke, dann vorm Euro-Ende, Hauptsache Angst. Karl Daxbacher ist ein Kind dieser Zeit. Er hat Angst vor einer Tormann-Entscheidung (die muss ihm der Teamchef abnehmen), er hat Angst davor, Spieler jenseits der Top 15 einzusetzen, weil sie keine Spielpraxis haben, woran er schuld ist, wovor er aber sicher auch Angst haben würde. Er hat Angst, Flo Mader zu früh einzusetzen und er hat Angst vor dem kleinen Formtief von Alex Grünwald, Angst davor, was Roland Linz denken könnte.
Mir kommt vor, dass der einzige Angstfreie in der Mannschaft, die quasi geschlossen das heimische Back-Up für Kollers Legionärsteam bildet, Markus Suttner ist. Der hat sich massiv gesteigert, wo andere gerade einmal ihr Level halten konnten.
Der Geschichte vom jungen Tormann...
... ist da das Gegen-Modell. Herr Stöger vertraut Herrn Siebenhandl. Und Herr Schöttel hat, endlich, viel zu spät, nach Geächze und Gejammer, nach Reingerede und Intrigen den besten Rapid-Tormann (Lukas Königshofer) ins Tor gestellt. Das ist vielerorts nicht üblich; und deshalb bemerkenswert.
Die Geschichte von den Burschen, die nicht weg sollen...
... die erzählen nicht nur Prohaska, sondern auch Ruttensteiner oder der Ballesterer; also alle möglichen Experten.
Dass Jantscher, Leitgeb, Junuzovic oder Schiemer noch in der Liga spielen, ist eh schön, weil das etwa mir das Zuschauen dann nicht ganz so trostlos macht. Bringen tut es nix. Alle waren sie auch schon vor zwei, drei Jahren schon so gut, dass es fürs Ausland gereicht hätte, wo sie dann vielleicht auch eine derart positive Gehirnwäsche wie ihr Kollege Aleks Dragovic erfahren hätten, anstatt sich in der Liga nicht zu entwickeln.
Die Geschichte von den Lazarussen...
... erzählen Jürgen Säumel, Thomas Prager und Momo Ildiz. Nicht, dass die bereits tot waren – aber dass sie sich noch einmal wieder in den Blickpunkt spielen, damit hab' ich nicht gerechnet, finde es dementsprechend super und gebe meiner Befriedigung darüber Ausdruck.
Die Geschichte vom Langzeit-Tabellenführer...
... kennt Christopher Dibon am besten; besser als Philip Hosiner. Nämlich wie sich das ausgeht in diesem Wettbewerb der schwächlichen Vorbereitung so wenig gut auf den Aufsteiger einzustellen, dass es einem dann leicht fällt die Strafe auf dem Fuße folgen zu lassen. Der Backlash wird sanft ausfallen; es sei denn Dibon und andere lassen sich durch die Lockangebote der schwächlichen Vorbereiter kirre machen.
Ein paar Preise gibt es auch noch:
Bester Spieler in Österreich: Nacer Barazite, unbestreitbar. Roh und trotzdem glänzend.
Wertvollster Spieler in Österreich: Dusan Svento. Nicht weil er ein wichtiges Tor geschossen hat, sondern weil er sich obwohl er planlos hin- und hergeschoben wird und seine echten Stärken kaum ausspielen kann, immer aktiv gestaltet, immer teilnimmt, immer Präsenz zeigt.
Bester Österreicher in Österreich: Anel Hadzic, nach den vielen Abgängen die Sonne im Planetensystem Gludovatz.
Bester österreichischer Stürmer in Österreich: Darko Bodul, dessen Spiel-Intelligenz ihm erzählt, dass er in Fodas flachem 4-4-2 aus der Tiefe des Raumes kommen muss, als eine Art jugendliche Muratovic-Variante. Weil seine technische Intelligenz ihm Momente beschert, ist er, absurderweise, vorne in der Torschützenliste.
Für Farkas & Rath, Klem & Kainz, Hierländer & Hinteregger und Georg Margreitter, die sich auch allesamt weiterentwickelt haben, mag ich keine Titel erfinden. Sie wissen aber eh, was sie können.
Und in einer Liga, die dem leise glimmenden, von präweihnachtlicher Milde überlagertem Hoffnungs-Bild, das der heimische Fußball aktuell zeichnet, auch in Zukunft entsprechen wird, werden sie alle ihren Weg machen.