Erstellt am: 17. 12. 2011 - 18:52 Uhr
Pixar, übernehmen sie!
Gibt es eigentlich richtig glühende Fans der "Mission-Impossible"-Reihe da draußen? Menschen, die jedem neuen Aufguss der Agenten-Saga so leidenschaftlich entgegen fiebern wie andere einem weiteren "Star-Wars"-Teil oder der Rückkehr ins Hobbitland? Ich kann es mir nicht vorstellen.
Und das betrifft bereits die Anfänge des Phänomens. Wer in den siebziger und achtziger Jahren seine Kindheit vor dem Bildschirm verbrachte, mag zwar mit milder Nostalgie an die berühmte TV-Ansage "Kobra, übernehmen sie!" zurückdenken. Aber ein echtes emotionales Naheverhältnis provozierte die Fernsehserie "Mission Impossible", rund um die Spezialtruppe IMF, die im Auftrag der US-Regierung besonders verzwickte Missionen übernahm, wohl nicht.
Während man etwa bei "Star Trek" mit Captain Kirk und Spock gerne auf einen intergalaktischen Kaffee gegangen wäre, bestaunte man bei "Mission Impossible" die tollen technischen Gadgets und cleveren Spionagetricks und ignorierte weitestgehend das involvierte Helden-Personal.
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Dass dann 1996 ausgerechnet einer der eitelsten und im negativen Sinn getriebensten Schauspieler Hollywoods, ein eingebildeter Fatzke namens Tom Cruise, die Sixties-Serie auf der großen Leinwand wiederbelebte, machte es nicht leichter.
Wobei es damals im Vorfeld die Neugierde weckte, dass sich der Superstar den Stoff von Brian De Palma auf den durchtrainierten Körper maßschneidern ließ. Der Thriller-Veteran konnte aber auch nur mit ein paar eleganten Einbruchssequenzen betören. Ansonsten verbreitete der "Mission-Impossible"-Kinofilm eher gepflegte Langeweile.
Anno Zweitausend folgte dann das unvermeidliche Sequel. John Woo, das einstige Actiongenie aus Hongkong, demolierte damit seinen künstlerischen Ruf, dass es nur so krachte. "Mission Impossible 2" entpuppte sich als riesiges aufgeblasenes Nichts, als Siegeszug einer extrem abgeschmackten Ästhetik über jeglichen Inhalt.
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Erst mit Teil Drei, an einem Punkt, wo andere Action-Franchise-Unternehmungen endgültig absacken, wurde die zwiespältige Saga sehenswert. Mystery-Wunderkind J.J. Abrams, der Mann hinter dem TV-Suchtmittel "Lost" und dem bezaubernden Retroexperiment "Super 8", kümmerte sich als erster Regisseur um die Charaktere, die unentwegt kämpften, rasten und sich in die Tiefe abseilten.
Seine klassische Inszenierung sorgte für überfällige Bodenhaftung und federte die ständigen, sinnentleerten Materialschlachten ab. Konfrontiert mit dem realistisch-bedrohlichen Phillip Seymour Hoffman fühlte man erstmals einigermaßen mit dem aalglatten Ober-Scientologen auf der Leinwand mit.
Jetzt, nach einem Karrieretief, aus dem ihn hochbezahlte Marketingstrategen mühsam herauszuboxen versuchten, schlüpft Tom Cruise erneut in die Rolle des Superagenten Ethan Hunt. J.J. Abrams übernimmt bei "Mission: Impossible – Ghost Protocol" nur die Produzentenrolle, im Regiestuhl sitzt Brad Bird, ein verdienter Oscargewinner in Sachen Animationskino. Und der Pixar-Großmeister, dem wir das Meisterwerk "Ratatouille" verdanken, zeigt, dass er auch im Realfilm-Sektor bestehen kann.
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Eine ausführlichere Nacherzählung der Story kann man sich allerdings auch beim vierten Kino-Einsatz der IMF-Truppe sparen. Nur soviel: Nach einer Reihe desaströser Anschläge, unter anderem auf den Kreml, werden ausgerechnet Ethan Hunt und sein Team als Terroristen gebrandmarkt. Ganz auf eigene Faust müssen die Agenten einen soziopathischen Bösewicht aufspüren, der einen Nuklearkrieg anzetteln will.
Wie meist beim Spektakelkino der Gegenwart führt das geballte Pyrotechnik- und CGI-Bombardement spätestens im letzten Drittel zur Ermüdung. Bis es soweit ist, gelingt Brad Bird aber eine ziemlich formidable Gratwanderung aus lustvoll in Szene gesetzten Absurditäten und menschlichen Konflikten. Dank dem britischen Ausnahmekomiker Simon Pegg durchzieht auch eine befreiende Selbstironie den Film.
Ach ja, warum "Mission: Impossible – Ghost Protocol" bei uns "Mission: Impossible – Phantom Protokoll" heißt, wissen wohl nur die deutschen Verleiher. Aber egal, während das Actiongenre grundsätzlich ernsthafte Ermüdungserscheinungen aufweist, gelingt es Brad Bird zu fesseln, wenn auch nicht durchgehend. Angeblich spekulieren die Produzenten damit, dem famosen Nebendarsteller Jeremy Renner ("The Hurt Locker") irgendwann die Saga anzuvertrauen. Es gibt also auch ein Leben nach Thomas Cruise.
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