Erstellt am: 29. 12. 2011 - 12:02 Uhr
Tagebuch zum Jahr des Verzichts (38)

marc carnal
2011 wird Tagebuch geführt und verzichtet: Monatlich auf ein bestimmtes Sucht- und Genussmittel, auf Medien oder alltägliche Bequemlichkeiten. Jeder Verzicht ist klar eingegrenzt. Es gelten freiwillige Selbstkontrolle und dezenter Gruppendruck unter den Mitstreitern.
Sonntag, 18. Dezember
■ In einer Hinsicht sind die Psycho-Tests in der Sonntags-Krone tatsächlich aussagekräftig: Menschen, die nicht nur 1 oder 4, sondern auch 2 (eher nicht) und 3 (eher schon) ankreuzen, haben keine Eier und sind charakterschwache, rückgratlose, feige Nichtsnutze.

marc carnal
Montag, 19. Dezember
■ Unklarheit bzgl. Regulativ: Gestern mit Herrn und Frau Wurm im Zuge der stundenlangen Pralinen-Anfertigung rasche Sättigung begehrt. Gegenüber ist eine Pizzeria. Eigentlich dürfen wir im Dezember kein Essen bestellen, sehr wohl aber im Restaurant essen. Macht es aber einen großen Unterschied, etwas auf der einen oder der anderen Seite einer Straße zu verzehren?
■ Interviewfrage auf Ö1: "Denken Sie, wird der Denkmalschutz in Zukunft hip sein?"
Vermutlich schon.
Freue mich schon auf Denkmalschutz-Clubbings!
Dienstag, 20. Dezember

marc carnal
■ So viel an Prächtigem hat die Weltliteratur hervorgebracht - Und ich verschwende einen halben Nachmittag damit, mir Online-Beichten durchzulesen.
■ In den hiesigen Sportredaktionen steht ein Glücksrad, auf dem reihum abwechselnd zwei Begriffe stehen. Wird ein Trainer eines Bundesliga-Vereins entlassen, drehen die Redakteure an ihrem Rad, um so zu entscheiden, ob die Schlagzeile mit KNALLEFFEKT oder PAUKENSCHLAG beginnt.
Es gäbe zwar zahlreiche andere Nomen, um überraschende Trainerwechsel zu illustrieren, ein noch nie gebrochenes Gentlemen's Agreement des Sportjournalismus besagt jedoch, dass es sich dabei immer um Knalleffekte oder Paukenschläge zu handeln hat.
Mittwoch, 21. Dezember
■ tagtäglich - Auch so ein blödes Blähwort.
■ Was sind das eigentlich für Vögel, die...
- ...gerne im Radio anrufen?
- ... Sekunden nach einer Pressemeldung sofort betreffende Wikipedia-Artikel aktualisieren?
- ...Kabarett mögen?
■ Erstmals seit Jänner auf einer Waage gestanden: Ich habe in diesem Jahr sieben Kilo abgenommen. Das Jahr des Verzichts könnte durchaus seinen Anteil daran gehabt haben.
Donnerstag, 22. Dezember
■ Sehr schlechte Geschäftsidee: Ein Lokal eröffnen, das sich ausschließlich auf Pangasius-Filet spezialisiert.
■ Vorsatz für 2012: Öfter mal tagsüber trinken.
■ Dass ich Florian Scheuba für einen selbstverliebten, zynischen und überschätzten Herrn halte, könnte ich eigentlich auch für mich behalten, aber jetzt ist es wohl zu spät.
Freitag, 23. Dezember
■ Aktuell in Arbeit: Eine Bulimie-Version des "Suppenkaspars".
■ Ich höre verkatert sehr gerne überlange Radiosendungen über Dinge, die ich eh schon weiß. Das beruhigt mich.
Im bayrischen Radio lasse ich mir das Internet erklären. Dass viele Menschen schon in der Früh "ihre Mails checken oder mit ihren Kontakten chatten".
Mit ausreichendem Kopfweh brauche ich genau sowas. Dann geht es mir ein bisschen besser.

marc carnal
Samstag, 24. Dezember
■ Verschwörungstheorie: Joopie Heesters lebt! Der Medienrummel wurde dem "allseits beliebten" "Schauspieler" zu viel, also hat er seinen Tod geschickt inszeniert und betreibt jetzt mit Jacko eine Spelunke auf den Malediven.
■ Zumindest ist bisher nirgends zu lesen, Joopie wäre "viel zu früh von uns gegangen".
■ Der heilige Abend wird von Jahr zu Jahr noch mehr auf das Wesentliche komprimiert. Eine früher zweistündige Zeremonie erledigt meine Familie mittlerweile in dreißig Minuten. Auf einen Christ-Nadelbaum wurde gepfiffen, stattdessen die Zimmerpalme geschmückt. Kuverts austauschen, zwei Lieder, essen und dann froh sein, alles hinter sich zu haben.
Aber wozu eigentlich, wenn eh niemand wirklich Lust darauf hat?
Weil es einfach so ist und so gehört. Man muss auch nicht alles hinterfragen.
Sonntag, 25. Dezember
■ Die Antwort auf meine Frage, auf welchem Bahnsteig in Salzburg denn diese ominöse Westbahn abfahren würde, nämlich "Auf Bahnsteig 3D", mit der Zusatz-Frage "Braucht man dort eine 3D-Brille?" zu kommentieren, brachte mein Gegenüber mit etwas Abstand betrachtet zurecht nicht zum Brüllen.
■ Dies ist der letzte Eintrag im Tagebuch zum Jahr des Verzichts. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Es folgen noch der zweite Teil der Bilanz und ein "best of" mit den prächtigsten Einträgen.