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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

15. 12. 2011 - 19:08

Generation Wischen

Innerhalb der letzten fünf Jahre haben wir gelernt, mit unseren Computern völlig anders zu kommunizieren wie früher. Sind Maus und Tastatur bald von gestern?

Früher haben wir getippt, gedrückt und geklickt, heute machen wir vor allem eines: Wir wischen. Wir wischen täglich über kleine und große Bildschirme und bemerken dabei, dass das etwas ist, worauf wir irgendwie immer schon gewartet haben. Die Designer von "Star Trek: The Next Generation" haben schon Ende der 80er Jahre gewusst, dass flache Oberflächen die Zukunft sind. Der Computer soll sich an uns anpassen, nicht umgekehrt, wie auch der Wiener Interface-Designer Georg Kaindl weiß. Er setzt sich als Forscher und Programmierer intensiv mit neuen Bedienschnittstellen zwischen Mensch und Maschine auseinander.

Captain Picard mit einem Pad

Paramount Pictures

Patrick Stuart als Captain Picard mit einem PADD

Die gute alte Tastatur bekommt als bewährte Mensch-Maschine-Schnittstelle derzeit Konkurrenz, vor allem von Smartphones und Tablet-Computern, die per Touchscreen gesteuert werden. Haben Keyboard und Maus bald ausgedient oder wird einfach nur alles vielfältiger und bedienungsfreundlicher? Klar ist, dass eine bestimmte Firma die Auseinandersetzung mit neuen Computer-Interfaces maßgeblich vorangetrieben hat. Man kann zum IT-Riesen Apple stehen, wie man möchte - die große Innovation, die durch die berührungssensitiven Interfaces für iPhone und Co. in die gesamte Computertechnik gebracht worden ist, hat die Karten neu gemischt.

Tippen am Tablet
Als Problem im Umgang mit Tablets sehen viele noch das vergleichsweise umständliche Tippen auf der haptisch nicht existenten Tastatur. Doch auch das sei hauptsächlich Gewohnheitssache und laut Georg Kaindl auf unser individuelles "Muskelgedächtnis" zurückzuführen.

Doch so futuristisch die Technik unserer Gegenwart auch ist, komplett verdrängen werden die Wisch-Gadgets den guten alten Schreibtisch-PC mit Maus und Tastatur nicht - zumindest nicht in den nächsten fünf Jahren. Was die langfristige Entwicklung angeht, so Georg Kaindl, könne man schwer etwas sagen. Mit der weiten Verbreitung von Handys hätte vor 15 Jahren schließlich auch niemand gerechnet. Fest steht, dass das beliebte Berührungs-Interface für mehrere Finger gleichzeitig, die Multitouch-Technologie, erst am Anfang seiner Entwicklung steht. Die nächsten Jahre werden hier Verbesserungen und Erweiterungen bringen.

"Auch die typischen Gesten, die wir von der Maus gewohnt sind, wie zum Beispiel Drag and Drop, gibt es noch gar nicht so lange. Bei Multitouch wird es sich ähnlich entwickeln."

À propos Gesten

Georg Kaindl

gkaindl.com

Georg Kaindl

Auch die Steuerung von Computern durch Körperbewegungen ist etwas, wo die Entwicklung noch in den Kinderschuhen steckt, aber jetzt schon ersichtlich ist, wie hoch das Potenzial ist. Die für die Videospielkonsole Xbox 360 entwickelte Bewegungssteuerung Kinect ist ein großer kommerzieller Erfolg und wohl nur ein Vorbote für ähnliche Produkte. Doch auch hier, so Kaindl, würde das neue Interface nicht verdrängen, sondern ergänzen. Dauernd vor dem Computer herumfuchteln, ist mühsam und umständlich, eine kleine Geste zur Steuerung der Audio-Anlage macht aber durchaus Sinn.

Eine simple Bewegung in der Luft oder ein Wischen am Bildschirm statt dem herkömmlichen Knöpfedrücken - vieles ist bei der technischen Weiterentwicklung der Kommunikation zwischen Mensch und Rechner innerhalb der letzten fünf Jahre passiert. Der allerjüngste Durchbruch von neuen Interfaces in den Mainstream ist aber die Sprachsteuerung. Beim aktuellen iPhone 4S ist die Spracherkennungs-Software "Siri" eines der verblüffendsten Features in der ansonsten weitgehend unveränderten Smartphone-Serie. Mit "Siri" fühlt es sich ein bisschen so an, wie in Science-Fiction-Filmen und -Serien, wo es üblich ist, dass wir mit dem Computer sprechen wie mit einem Menschen. Elegant sei das aber nicht, meint Kaindl, vor allem nicht im Alltag, wenn es um banale Eingaben geht und wir sowohl uns selbst als auch unser soziales Umfeld mit lauten Dialogen mit unseren Gadgets stören würden.

Eleganz

Eleganz ist ein zentrales Wort für eine neue Generation an Software-Technikern und Interface-Designern, der auch Georg Kaindl angehört. Heute ist es oft noch so, dass Computer-Experten Gerätedesign und hübsche Bedienoberflächen als Schnickschnack abtun und stilsichere Hipster dafür wenig von technischen Hintergründen verstehen. In der Zukunft aber wird alles besser.

"Den klassischen Techniker, der ausschließlich auf der Kommandozeile arbeiten und programmieren will und sich sonst nie mit Interfaces beschäftigt, den gibt es immer weniger."