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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

15. 12. 2011 - 14:12

Erdbeerknödel

Es ist rosarot, kugelrund und nimmt alles in den Mund? Schelm ist, wer Unanständiges denkt. Es geht natürlich um Kirby!

Es ist ja nicht immer so, dass sich japanische Phänomene bruchlos in die westliche Welt übertragen lassen. Man denke nur an die zahlreichen Angel- und Datingsimulationen, die dort für Hysterie sorgen, während sie hier wohl nur von den japanophilsten Otakus eines Blickes gewürdigt werden. Sofern sie überhaupt erscheinen. Oder auch an die „Pocket Monsters“, die erst nach einer zweijährigen Sturm und Drang-Phase in ihrer fernöstlichen Heimat als Pokémon in den heimischen Regalen lagen. Insofern darf man es schon als ein kleines Wunder bezeichnen, dass eine der eigentümlichsten Videospielfiguren überhaupt den Sprung nach Europa und den Rest der Welt geschafft hat.

Kirby

http://shuzumaki.wordpress.com/2009/03/17/kirby/

Pink puffball in Action!

Die Rede ist vom außerirdischen Sternenkrieger Kirby, der trotz seiner martialischen Berufsbezeichnung eher einem mit Erdbeermilch vollgesogenen Marshmallow ähnelt als einem Kämpfer für Recht und Ordnung. Kein Wunder, dass auch die Bewohner des Planeten Pop Star lange Gesichter machen, als Kirbys sternenförmiges Raumschiff auf ihre grasgrüne Wiese kracht. Immerhin hatten sie einen Krieger erwartet, der sie beim Kampf gegen die vom Schurken Nightmare entsandten Monsterhorden unterstützt. Nichtsdestotrotz wird der kleine Kirby von einer Familie aufgenommen und kämpft sich fortan durch das Dream Land. Die Nightmare-Horden sind allerdings nicht die einzige Bedrohung: auch der Regent von Dream Land, der mit einem gewaltigen Hammer um sich schlagende King Dedede, fühlt sich vom Knuddelknödel Kirby bedroht - und entwickelt sich zu seiner Nemesis.

Gameboy Spiel

HAL Laboratories/Nintendo

Der erste Boss, dem Kirby begegnet ist ein böser Baum. Bis zu seinem ersten Farbspiel "Kirby's Adventure" wurde er weiß dargestellt.

So viel zur Herkunftsgeschichte von Kirby, wie sie im Anime Kirby erzählt wird. Ersonnen wurde der rosarote Kämpfer natürlich schon viel früher: Ende der 80er-Jahre fantasiert sich der jugendliche, für die HAL Laboratories arbeitende Videospieldesigner Masahiro Sakurai den kugeligen Helden herbei - und erhält kurz darauf schon den Auftrag seinen ersten Videospieleinsatz zu entwickeln. Heraus kommt Kirby’s Dream Land (Game Boy), ein magere fünf Levels umfassendes Jump’n‘Run, das sich sowohl in punkto Schwierigkeit als auch Design eindeutig an jüngere Gamer wendet. Nichtsdestotrotz entwickelt sich die Heldenchronik des Kampfknödels zu einem weltweiten Phänomen. Und das liegt nicht zuletzt an der Art und Weise, wie Kirby seine Gegner bekämpft: Entgegen seinem Nintendo-Kollegen Mario hüpft er sie nicht einfach platt, sondern saugt sie auf. Alles, was von ihnen übrig bleibt, ist Sternenstaub.

Bunte Welten

Sakurais nahtloses Design von Kirbys Welten ermöglicht von Anfang an den Aufbau eines konzisen Videospiel-Universums. Scharfe Kanten findet man im „Dream Land“ ebenso wenig wie wirklich düstere Ecken: alle Farben und Formen wirken wie durch Zuckerwatte betrachtet, sind entweder schreiend grell oder betulich pastellfarben gehalten. Neben klassischen Plattform-Design-Modulen wie Wasser-, Wüsten- und Wald-Levels sind es vor allem Nahrungsmittel-Motive, die sich durch die Reihe ziehen. Durch den Verzehr von Trauben, Tomaten, Zuckerln und anderen Esswaren steigt Kirbys Energie wieder an. Die prägendste Gameplay-Innovation in Kirby’s Frühphase passiert 1993 mit dem Release von Kirby’s Adventure auf dem NES. Nicht nur kann Kirby darin seine Gegner aufsaugen, von einigen kann er auch die Eigenschaften übernehmen, was dem Leveldesign einen gewaltigen Energieschub verleiht.

Kirby

HAL Laboratories/Nintendo

Kirby's Adventure aus dem Jahr 1993 ist vor wenigen Wochen als "3D Classic" für den Nintendo 3DS downloadbar.

Im Verlauf der Neunziger-Jahre hat sich Kirby zu einem der Big Player des Nintendo-Universums gemausert und seine Vielseitigkeit immer wieder unter Beweis gestellt. In Kirby’s Pinball Land wird er zur Flipperkugel, in Kirby’s Dream Course zum Golfball und in den Super Smash Bros.-Prügelspielen schlägt er seine Gegner mit Sternenkriegerkräften zu Brei. Während es in den 00er-Jahren etwas ruhig geworden ist um ihn, hat ihm die seit geraumer Zeit andauernde Retro-Welle eine sagenhafte Renaissance beschert. In Kirby und das magische Garn, das Anfang des Jahres für die Wii erschienen ist, kämpft er sich durch eine Handarbeitsparallelwelt und im vor kurzem erschienen DS-Strategie-Hüpfspiel Kirby: Mass Attack kann sich der rosarote Knödel sogar vervielfältigen.

Kirby

HAL Laboratories/Nintendo

Kirby und das magische Garn hat das Spielkonzept abgeändert: der Knödel kann seine Gegner nicht mehr einsaugen, sondern muss sie, da sie nur aus Fäden bestehen, entwirren.

Return to Dream Land

Ich selbst habe mich in den letzten Tagen durch Kirby’s Adventure Wii geschlagen, das außerhalb von Europa unter dem programmatischen Titel „Kirby’s Return to Dream Land“ auf dem Markt gekommen ist. Tatsächlich orientieren sich die Entwickler von HAL Laboratories massiv an Sakurais ersten Kirby-Spielen für den Game Boy. Eingebettet in eine angemessen überflüssige Rahmenhandlung rund um ein abgestürztes Raumschiff (wohl eine Referenz an Kirby’s Ursprung), dessen Teile weit verstreut wurden und wieder eingesammelt werden müssen, präsentiert sich eine feiste Retro-Wohlfühlpackung als klassischer Seitwärts-Scroller.

Kirby

HAL Laboratories/Nintendo

Auch in Kirby's Adventure Wii sind die Welten wieder kunterbunt.

Viele der Gegner aus den klassischen Spielen sind übernommen worden, im Leveldesign wimmelt es nur so vor Verbeugungen vor Kirby’s Frühzeit. Erneut kann der Knödel seine Gegner einsaugen und deren Fähigkeiten kopieren: besonders eindrucksvoll ist etwa die Transformation in Stachel-Kirby, Wasser-Kirby und Pflanzen-Kirby. An strategischen Stellen ist es zudem unumgänglich mit besonderen Kräften ausgestattete Monster aufzusaugen, woraufhin sich Kirby bombastisch inszenierter Spezialattacken bedienen kann. Dann schlägt er etwa mit einem den halben Bildschirm einnehmenden Säbel Plattformen zu Bröseln oder lässt einen gigantischen Feuerdrachen durch die Luft surren. In jedem Level sind zudem mehrere Energiemodule versteckt: Wenn man genügend davon einsammelt, schaltet man Bonus-Levels oder Mini-Spiele frei.

Kirby

HAL Laboratories/Nintendo

Mit den Spezialkräften gehört das dauernde Saugen der Vergangenheit an.

Kirby x 4

Die größte Innovation an „Kirby’s Adventure Wii“ ist aber sicherlich der Mehrspielermodus: modelliert nach dem durchschlagenden Erfolg von „New Super Mario Bros. Wii“ ist es möglich, sich zu viert durch die Level zu schlagen. Modernen Standards entsprechend darf man sich jederzeit aus einem laufenden Spiel aus- und wieder einklinken. Als Spielfiguren stehen neben Kirby noch King Dedede, Meta Knight und Waddle Dee zur Auswahl, wobei Kirby die besten Eigenschaften besitzt und daher auch von allen vier Spielern gewählt werden kann. In dem Fall kugeln vier verschiedenfarbige Kirbys gleichzeitig über den Bildschirm.

Kirby

HAL Laboratories/Nintendo

Vier Helden gegen den Retro-Baum!

Wenngleich „Kirby’s Adventure Wii“ nicht an die Brillanz des letztjährigen Retro Studio-Sidescrollers Donkey Kong Country Returns (wir wollen eine Fortsetzung!) oder des aktuellen Hüpfspiel-Meisterwerks Rayman Origins anschließen kann (oder will), bietet das Game vor allem jüngeren Spielern knatterbunte, kurzweilige und innovative Mehrspieler-Jump’n‘Run-Unterhaltung. Oder wie es so schön heißt: Kirby never sucks!