Erstellt am: 14. 12. 2011 - 17:46 Uhr
Klassisches Drama auf HipHop-Art
Das FM4 Album der Woche
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Es kam tatsächlich ein wenig überraschend, als die Roots erst Mitte Oktober die Veröffentlichung eines neuen Longplayers für Dezember ankündigten. Daraus aber abzuleiten, dass die Platte tatsächlich in weniger als 2 Monaten entstanden ist (wie das in einigen Artikeln der Fall war), ist sicher falsch und tut diesem ausgereiften musikalischen Gesamtwerk Unrecht.
The Roots
"Undun" ist bereits das zwölfte Album, das The Roots seit ihrer Gründung im Jahre 1987 aufgenommen haben, aber das erste ganz konsequente Konzeptalbum. Mehr oder weniger starre Konzepte hatten zwar alle ihre Platten davor auch, schließlich gehört die Band aus Philadelphia seit jeher zu den durchdachteren Stimmen in der oft kakophon lauten HipHop-Landschaft. Aber "Undun" erzählt von vorne bis hinten wirklich nur eine Geschichte, nämlich die von Redford Stevens. Wobei, eigentlich wird die Story ja von hinten nach vorne erzählt:
Am Anfang von "Undun" steht nämlich der Tod des Hauptprotagonisten, oder soll ich sagen, Antihelden. Redford Stevens war ein smarter Kerl, der durchaus auch aufs College gehen hätte können. Stattdessen entschied er sich für das Crack-Geschäft oder, wie die Roots es nennen, eine andere "Art, seine Welt zu ordnen". Die wachsenden Zweifel an dieser Entscheidung und Überlebens-Ängste hören wir in Form von gerappten inneren Monologen über die ganze Platte verteilt.
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Diese musikalischen Rückblenden folgen keiner stringenten Zeitachse, nicht umsonst haben die Roots Quentin Tarantino als Vorbild für ihre Zeitsprünge genannt. Aber selbst wenn man die Texte mitliest, ergibt sich noch keine eindeutige Geschichte, sondern eher ungefähre Gefühligkeiten und Begebenheiten. Im Endeffekt sollen sich die Hörer wohl auch selbst ein Bild machen, womöglich unterstützt von einer App für Telefone und Tablets und einem vierteiligen Kurzfilm.
Laut den Roots war Avon Barksdale aus der großartigen Fernsehserie "The Wire" das große Vorbild für ihren Charakter. Den Namen Redford Stephens hat hingegen der Singer-Songwriter Sufjan Stevens inspiriert. Auf seinem 2003 erschienen Album "Michigan" findet sich das Klavierstück Redford, das nicht nur dem Anti-Helden von "Undun" seinen Vornamen gegeben hat, sondern auch als erster Satz der rein instrumentalen Suite am Ende des Albums gelandet ist.
Das (in anderen Teilen wesentlich wildere) Ende stellt dann noch ein Rufzeichen hinter die Tatsache, dass "Undun" trotz des inhaltlich engen Konzeptes musikalisch äußerst vielfältig ausgefallen ist. Die Melodien bleiben im Kopf hängen und mit jedem Durchlauf erkennt man auch in den Texten von Black Thought und Gästen immer neue Facetten. Kurzum: Das Album ist ein ambitioniertes Meisterwerk, vom Anfang bis zum Ende. Und es ist ein verdammt gutes Pro-Argument für die seltene Gattung "Konzeptalbum". Eine so kohärente Sammlung von Songs hat die HipHop-Welt schon länger nicht mehr gehört - und den Titel "HipHop-Album des Jahres" kann den Roots genau genommen niemand mehr abspenstig machen.