Erstellt am: 11. 12. 2011 - 23:29 Uhr
Fußball-Journal '11-137.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch das heurige Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit ein paar Vergleichs-Daten und Worten zum FC Basel, dem Champions League-Achtelfinalisten von nebenan.
Es war die augenfällige Erstaunlichkeit des letzten Mittwochs: die selbstredene Unverschämtheit, mit der der FC Basel sich im direkten Duell mit dem Riesen Manchester United durchsetzte und damit etwas erreichte, was für Österreich undenkbar ist: das Champions League-Achtelfinale.
Die heimischen Vertreter sind dort seit Jahren entweder gar nicht einmal in die Gruppenphase gekommen oder dort dann ordentlicht abgewatscht worden. Weil sich mehr auch nicht ausgeht.
Der blau-rote FCB aus dem Joggeli, der auch nur mit Wasser kocht, ist hingegen immer nah dran, auf Tuchfühlung sozusagen.
Warum bitte?
Das frag ich mich seit Mittwoch; und die gestrigen und heutigen Spiele der Bundesliga-Clubs, die doch gerne so wie Basel wären, haben diese Frage jetzt wieder hochgekocht.
Denn weder vom Budget, noch von der Infrastruktur noch vom Liga-Umfeld her stehen die Schweizer soviel besser da als die, die die Groß-Klub-Träume immer noch hochhalten - Salzburg, mit Abstrichen Austria und Rapid. Vereine, deren aktuelle Spielleistung aktuell soviel mit Fußball zu tun hat wie Acroni Jesenice mit richtigem Eishockey.
Wo sind die entscheidenden Unterschiede?
Wie Salzburg brachte die Euro 08 auch Basel ein Elite-Stadion. Weil der FCB einen Fan-Stock wie Rapid hat, musste man nie an Rückbau denken und kann tatsächlich sinnhaft mit Zuschauer-Einnahmen kalkulieren. Das gibt eine gewisse Sicherheit. So auch die Tatsache, dass Gisela Oeri, eine der Erbinnen von Hoffmann-La Roche, lange Präsidentin war.
Das strahlt eine gewisse Gelassenheit aus - also das exakte Gegenteil der nervös zuckenden Planungs-Politik, die in Österreich üblich ist (aktuell bei Sturn Graz).
Trotzdem kann ich, wenn ich die letzten paar Jahre (der heutige FCB fusst auf einer Neuorientierung knapp vor der Jahrtausend-Wende) hat sichansehe, keine übertriebene Einkaufspolitik erkennen, keine großmannsüchtige Suche nach Namen.
Ein paar Zahlenspiele:
Alexander Frei, der Basler Bub, der irgendwann in die weite Welt zog, kostete über 4 Millionen und war neben David Abraham, dem Argentinier in der Abwehr (2,5) der einzige Großeinkauf dieser Zeit. Und selbst Alex Dragovic (der etwa eine Million kostete) steht in dieser schmalen Liste noch recht weit vorn.
Marco Streller, der andere Stürmer-Oldie kam um 1,5 Mio retour - nachdem er davor 3 Mille gekostet hatte. Samuel Inkoom, das ghanesische Supertalent kam um 0,54 und ging um 5,3 (in die Ukraine), der Wert von Delgado wurde verdreifacht, der von Mladen Petric verdoppelt.
Kuzmanovic (1,0), Derdiyok (3,8) und Rakitic (5,0) wurden im Verein entwickelt.
Basel ist also ein Ausbildungsverein, aber keiner, der seine Junioren verschleudern muss, um seine Rechnungen zu zahlen; man kann sie auch halten, weil man eine gute Competition bietet.
Ob der aktuell vielumworbene Trickser Shaqiri etwa im Winter schon dem Ruf nach England folgen wird, ist nicht gesagt.
Ein Altersvergleich:
Das Mittelfeld, das am Mittwoch gegen Rooney, Nani und Ashley Young hielt, bestand aus Granit Xhaka (19), Xherdan Shaqiri (20), Fabian Frei (22) und Adilson Tavares Cabral (23), allesamt selberentwickelte Akteure, allesamt auch noch Schweizer.
Valentin Stocker (23), der mittlerweile in der Schweizer Nati spielt, war gar nicht dabei.
Der FCB entwickelt aber auch eine Menge junge Spieler aus dem Ausland, egal ob sie aus Afrika, Asien, Schweden oder eben Österreich kommen. Sie unterschieden da nicht, Geschäft ist Geschäft.
Die sehr seltsame österreichische Philosophie, Legionäre als "Führungsspieler" einzukaufen, gibt es nicht. Die ist nämlich nicht ertragreich. Salzburg etwa verkauft praktisch alle seine wahllos reingeholten (nicht mehr ganz jungen) Ausländer wieder mit Verlust; wenn überhaupt.
In Basel können sich Xhaka und Shaqiri entwickeln, indem sie spielen, permantent. Davon können Teigl oder Offenbacher nur träumen. Erstere sind mittlerweile Nationalspieler, die anderen mühen sich in der U20.
In Österreich müssen die Mittelfelder durch Hlinkas und Heikkinens, durch Cziommers und Lindgrens "stabilisiert" werden (ein österreichischer Begriff für "verlangsamt"); Unauffällig gestalterische Spielertypen wie Inler, Gelson Fernandes oder eben Xhaka entwickeln sich hierzulande nur zufällig, wenn ein Verein gerade in der Pleite war, sich alle anderen verletzt haben - in den meisten Fällen gegen den eigentlichen Willen der Verantwortlichen.
Aus dem Fink wird einfach ein Vogel
In Basel kann Thorsten Fink einfach mitten unter der Saison wegflattern, Assistent Heiko Vogel übernimmt (seit kurzem auch mit Vertragsverlängerung) und trägt die Mannschaft ohne große Show-Pose weiter.
Lange Zeit galt der FCB als ein wenig schwerfällig, die schneidigen Teams der Stunde waren eher der FCZ, YB oder zuletzt Luzern - mittlerweile hat Basel das Beste aus den vielen guten Schweizer System-Ideen übernommen. Die recht simple Basler Spielanlage trägt sowohl der Vormachtstellung in der Schweiz (aktuell führt man die Liga mit sieben Punkten Vorsprung an) als auch dem ewigen internationalen Außenseitertum Rechnung.
Dass auch der 62jährige Sturm mit Alexander Frei und Marco Streller dem jungen Image des Vereins nicht entgegensteht, sondern allen das Gefühl einer sinnhaft durchmischten WG gibt, zeigt die Stärke der Basler Philosophie. Die "das Unmögliche anstreben, aber dabei nicht den Kopf verlieren" lauten könnte.
Das klappt natürlich nur, wenn alle Beteiligten sich dran halten.
Der FCB hat also (gegenüber den österreichischen Groß-Klubs) mess- und belegbare Vorteile in folgenden Bereichen:
Stadion- und Fan-Situation
Blick für ökonomische Verhältnismäßigkeit
Langfristige Spielerentwicklung
Ein- und Verkaufs-Politik
Teambuilding
Heranführung des eigenen Nachwuchses
Umgang mit Legionären
Mischung aus jungen und alten Spielern
Stabile Nachwuchsarbeit
Zusammenarbeit mit Verband
Jugend-Kooperationen mit anderen Vereinen.
Dass beim FCB ein Journalist Sportkoordinator ist, erwähne ich nur als Gag am Rande...
In manchen Bereichen steht der FCB da nur 5% vor dem jeweils besten österreichischen Klub, in anderen mögen es bis zu 50% sein. Vorne sind sie jedoch immer.
In der Gesamtrechnung wäre aber, selbst wenn der Schweizer Meister in jedem Detail nur wenige Prozent effektiver beinander und schlauer aufgestellt wäre als die hiesige Konkurrenz, der Vorsprung ein ungeheurer.
Und diese Gesamtwertung ist das, was zählt.
Deshalb gibt es nicht viel Armseligeres als von Ignoranz und Ahnungslosigkeit gezeichnete Expertengesichter, die auf die Frage, warum denn dem FC Basel das gelänge, was den "Unsrigen" seit Jahren schon nicht und nicht aufgeht, die Leidensmine vom Pechvogerl aufsetzen und dann etwas von minimalen Abständen und eh nur kleinen Unterschieden daherreden. Genau in diesen von ihnen für geringfügig erklärten Details sitzt der Teufel und lacht jeden aus, der ihn nicht wahrnimmt und unterschätzt.