Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Song zum Sonntag: Flare Acoustic Arts League"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

11. 12. 2011 - 13:14

Song zum Sonntag: Flare Acoustic Arts League

Böse keppelnde Kinder: Does this Sound Appealing?

Wir könnten die ganze Nacht streiten und die Sache nie bereinigen, wir könnten laut herumnörgeln und schlimme Wörter benutzen, wir könnten schimpfen und maulen und dann lachend an die Decke starren - Wie klingt das für dich, mein Schatz? Klingt das attraktiv? Du laberst bis deine Lippen blau sind, aber du hast keine Ahnung von der Wahrheit, du glaubst du hast das Beste von mir, aber du hast keine Ahnung.

Plattencover Big Top

Flare Acoustic Arts League

Dieser doch recht harsche Beziehungsstreit bekommt ein vorweihnachtliches Gewand aus Harmonie(!)gesang, Glockenspiel, Kinderorgel, Handclaps und hübsch rumpelndem Surfschlagzeug in Halftime. So reihen sich FLARE (wie sie auch heißen) in die große, von Beat Happening ewig angeführte Reihe von Kinderimagebands, die unter einfachster Musik düsterste Messages verbergen, und zum Besten gehören, was die Postmoderne an Kunst hervorgebracht hat, wie ich finde.

LD Beghtol and Damian Costilla, 1997.

wikicommons

LD Beghtol and Damian Costilla, 1997.

Wie hatte ich diese Band bisher ignorieren können? Hier stimmt alles. Bandleader (und einzig fixes Mitglied) LD Beghtol war bei der Produktion der vielleicht besten Songwriterplatte der letzten 20 Jahre beteiligt, er ist die "andere" (nicht tiefgrunzende) Männerstimme auf "69 Love Songs", der mit Belag auf der Sttimme dem Musical Charakter von Songs wie "My Sentimental Melody" oder "For We Are the King of the Boudoir" noch eines draufsetzt. Und dann hat er noch eine Art "Making Of" Erklärungsbuch über dieses Werk geschrieben.

  • Der Song zum Sonntag auf FM4
  • Über Flare Acoustic Arts League macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.

Er ist einer dieser hippen New Yorker Rauschebärte mit weitem Interessensfeld von Musical bis Fashion, von Dokumentarfilm bis Revuetheater, von Singen bis Schreiben. Bewohner eines kulturellen Riesenuniversums mit einer besonderen und hörbaren Vorliebe (außer für Velvet Underground) für Britisch/ Schottischen Anorak Pop aus den späten Achtizgern, Pastels, Velocity Girl, Belle & Sebastian, und der Geschmackssicherheit, den perfekten Tweed-Pop-Songs via Sound ein Feeling von Zerbrochenheit und Hintergründigkeit einzubauen, das an das England von 10 Jahren zuvor erinnert, als Ed Ball und Dan Treacy mit den TV Personalities ihre Mollgeschichten aus dem Bauch der Arbeiterklasse noch zu Pop gegossen hatten (übrigens, wenn jemand da draußen religiös ist, betet für Dan Treacy, der nach einer Operation nun schwer krank im Koma liegt). Deshalb klingen Flare weniger wattig als Belle and Sebastian und haben auch mit der Musik von Moe Tucker geflirtet - so schließt sich der Kreis zur New Yorker Art Szene.

Jedenfalls ist "Does this sound appealing" der beste Beziehungsoptionensong in Dialogform seit Heavenly's "C is the Heavenly Option", ebenso happy und uplifting, aber hintergründiger und böser. Eine unbedingte Empfehlung.