Erstellt am: 10. 12. 2011 - 14:07 Uhr
Ein Zug ist ein Zug ist ein Zug
Die WESTbahn fährt zuerst einmal auf der profitabelsten Strecke, dort wo auch die ÖBB keine staatlichen Zuschüsse braucht. Werden auch andere Strecken ausgeschrieben, will sie sich auch dort bewerben, allerdings mit anderen Gesellschaften und anderem Namen. Und natürlich mit dort notwendigen Subventionen, wie sie auch die ÖBB kassiert.
In einer einfachen Welt ist das so: Große monopolistische Staatsunternehmen verschwenden Steuergelder und bieten schlechten Service. Ihre überbezahlten Mitarbeiter liegen meistens auf der faulen Haut und werden von der Allgemeinheit durchgefüttert. Hingegen ändert sich alles, sobald es Markt gibt und Konkurrenz und Privatwirtschaft. Auf einmal ist der Kunde König, für ihn brechen goldene Zeiten an: Spitzenservice von motivierten Mitarbeitern. Mehr Leistung. Und das alles zum halben Preis. Echt jetzt. Und den Steuerzahler kostet's keinen Cent, am Schluss bleibt sogar noch was übrig.
Der freie Markt macht alles besser, oder?
In der Eisenbahnversion der idealen Welt, die ab Sonntag auf der Strecke zwischen Wien, Linz und Salzburg beginnt, heißt das: „Im Zentrum all unserer Aktivitäten stehen die Kunden. Sind sie zufrieden, sind wir es auch.” Soweit der Slogan der WESTbahn, der privaten neuen Bahngesellschaft, die ab Sonntag die Strecke Wien – Linz – Salzburg bedient. Oder auch: „Bei uns bekommen Sie besseren Service als in der Ersten Klasse der ÖBB, und das zum halben Fahrpreis der Zweiten Klasse.”
Nun, sehen wir mal kurz ab davon, dass die Eigentümer (ein Konsortium aus dem Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner, dem Ex-ÖBB Manager Stefan Wehinger, der französischen Staatsbahn SNCF und Schweizer Finanzinvestoren) wohl auch ihren Anteil an Zufriedenheit (messbar in Euro) reklamieren werden, und werfen wir, anlässlich einer Journalistenprobefahrt vor ein paar Tagen, einen Blick in die schöne neue Welt des Zugfahrens.
FM4 / Rainer Springenschmid
Alles soll anders sein
FM4 / Rainer Springenschmid
Witzischkeit kennt keine Grenzen
Was als erstes auffällt, ist das Bemühen, alles anders zu machen als die ÖBB: Fahrkarten gibt es, außer im Internet, nur im Zug zu kaufen. Die Westbahn-Farben sind ein grelles Weiß-Grün-Blau, und die Züge selbt ... nunja: ein Zug ist ein Zug ist ein Zug. Und der von der Westbahn wirkt auf den ersten Blick wie ein "Wiesel", ein doppelstöckiger Regionalzug der ÖBB. Auf den zweiten Blick gibt es Ledersitze (Veganer fahren ÖBB), in jedem Waggon einen Bar-Bereich mit einem Kellner, der gleichzeitig Schaffner ist und für die Reinigung und die Mistentsorgung zuständig, dafür halt keine Mistkübel, aber ein paar bequeme Sitzecken und ein Gepäckregal. Nur: ganz verflüchtigen will sich das Wiesel-Gefühl nicht. Ob das für eine dreistündige Fahrt bequem genug ist?
Und es gibt das berühmte WLAN, Verzeihung, WESTlan natürlich. Nach Aussage der Kollegen funktioniert es ganz ok, mein Handy liegt leider zuhause. Jedenfalls hat schon die Ankündigung genügt, dass die ÖBB in den Railjets jetzt nachziehen. Ein eindeutiger Pluspunkt für den freien Markt, genauso wie die ebenerdigen Einstiege und die Möglichkeit, das Fahrrad zu einem vernünftigen Preis mitzunehmen.
Rauchen als PR-Maßnahme
FM4 / Rainer Springenschmid
Der am besten funktionierende PR-Gag aber ist das Raucherabteil. Hier steigert Westbahn-Geschäftsführer Stefan Wehinger seinen Lieblingsslogan bei uns ist alles besser zu bei uns ist alles perfekt: „Wir haben die perfekte technische Lösung.“ Und, zur Ankündigung des Gesundheitsministeriums, auch in der Westbahn die Nichtraucherschutzbestimmungen zu vollziehen: „Wenn man uns schlechtmachen will, dann geht das nur juristisch, nicht technisch.“ Ok. Neusprech für legal illegal scheißegal ist also: juristisch schlechtmachen. Eröffnet das nicht ungeahnte kreative Möglichkeiten für, sagen wir, Schwarzfahrer? Aber Herr Wehinger, ohne Geld in Ihren Zug einsteigen ist doch die perfekte technische Lösung um gratis von St. Pölten nach Wien zu kommen. Wollen Sie das wirklich juristisch schlechtmachen? Wie dem auch sei: technisch funktioniert es wirklich ganz gut, vor dem Abteil ist auch bei offenen Türen nichts zu riechen. Nur wer in den nächsten Wagen will muss durchgehen und bekommt die volle Ladung Qualm ab.
Camp oder DDR?
FM4 / Rainer Springenschmid
So klar wie die PR-Strategie ist auch das Design. Es ist angelehnt an das mancher, in den letzten Jahren entstandener, Fluglinien und Hotelketten: billig, aber irgendwie cool. Cooler jedenfalls, bitteschön, als die behäbigen alten Staatsbetriebe. Darum eben auch alles vernetzt und WLAN. Tschuldigung, WESTlan. Und weils cool ist heißen die Kellnerschaffner natürlich auch nicht Kellner oder Schaffner, sondern Steward. Verzeihung WESTsteward. Obwohl: die Uniformen sind eher in Ostblock-grau gehalten, mit bunten Schulterklappen und Schiffchen auf dem Kopf schaut das dann aus wie ein Kostüm aus einem Musical über die DDR-Volkspolizei.
Nur schnell von A nach B, oder?
Macht ja nix, es geht schließlich nur darum, schnell von A nach B zu kommen, und ein bisschen bequem soll es auch sein. Und billig, wir sind jetzt schließlich im Kapitalismus. Warum dann die Westbahn den ÖBB gerichtlich vorschreiben will, die Preise zu erhöhen? Stimmt ja gar nicht, sagt Stefan Wehinger. Auf der Strecke Wien-Salzburg solle jeder machen was er will, denn die sei ja schließlich profitabel. Aber dort, wo die ÖBB für den Betrieb Subventionen kassiert, will er ihr gerichtlich verbieten, Sonderangebote wie die Sparschiene zu verkaufen. Dass das im Erfolgsfall höhere Bahnpreise für die Kunden bedeutet, sagt Stefan Wehinger nicht.
Er verspricht jedenfalls, WESTbahntickets immer zum Preis eines ÖBB Vorteilstickets anzubieten, und das, obwohl diese Preise in den AGB der WESTbahn website als vorläufige Promotionpreise bis Ende 2012 bezeichnet werden. Westbahn-Miteigentümer Hans-Peter Haselsteiner jedenfalls sagte noch vor kurzem zur Tiroler Tageszeitung: „Beim Preis ist sicherlich ein Drittel Spielraum nach oben.“
So ist das eben in der Wunderwelt Marktwirtschaft: Im Zentrum aller Aktivitäten steht die Zufriedenheit der Shareholder.