Erstellt am: 8. 12. 2011 - 17:47 Uhr
Foals
Im Frühjahr letzten Jahres war für die Dauer meines Londoner-Kürzest-Urlaubes quasi jede U-Bahn-Station mit "Total Life Forever" plakatiert. Passend dazu war meine zyklische Londondurchreise an das ATP-Festival gebunden, bei dem ich schon viele sehr gute und einige umwerfende Konzerte gesehen habe. Unter anderem von den Foals, die auf Einladung der Breeders ein halbes Jahr davor das damals noch unbekannte neue Songmaterial vom zweiten Album präsentiert haben. An einem Sonntag als letzte Band nach drei Tagen Alltag auf einem Festivalgelände. Eigentlich ein Fall für "Ah, stimmt, die waren ja auch noch dort!" aber ich kann mich noch erinnern als ob es gestern gewesen wäre, weil es tatsächlich mein erstes und gleich auch das beste Konzert war, dass ich von den Foals gesehen habe.
Ein unglaubliches Miteinander, ein Kräftezerren und Herausfordern der Ekstase. Die Band vom Publikum und das Publikum von der Band. Ein Idealzustand auf einer Bühne - egal wie groß oder klein. Das große Finale war dann eine extended deluxe Version von "Electric Bloom", das in eine hypnotische Länge gezogen wurde. "Your marching bands laid to rest in broken stands!" Das hat gereicht zur Überzeugung.

ondrusova
Viel später hab ich den Sänger der Foals auf seinem Rücken liegend gesichtet, als er mit Drumsticks bewaffnet vom Flex Publikum auf Händen getragen wurde.
Gestern dann stampfte die Band übermüdet durch das Wiener Funkhaus, um eine Acoustic Session zu spielen (versuchen). Trotz eines großzügigen Zeitrahmen kein einfaches Unterfangen, denn der Band eilt ein Ruf des komplizierten Perfektionismus voraus. Die kleinen Imperfektionen, die auf einer Bühne auch charmant sein können, werden im Studio ausgebügelt mit Take 4 und Take 5 und Take 6.

ondrusova
Erkenntnis ist allerdings bekanntlich der beste Weg zur Besserung, dazu Yannis Philippakis im FM4-Interview: "We often become quiet obsessive, but we try to overcome it!"
2012 wird für die Band im Zeichen des neuen Albummaterial stehen. Nummer Drei. Skizzen gäbe es. Verschriftlicht ist nichts. Mit einem letzten Konzert Ende Dezember gemeinsam mit Tom Vek, Friendly Fires und Chad Valley wollen sie nach "touring life" und "total life" erstmal wieder "normal life" verspüren, damit sich ein Album überhaupt inhaltlich unterfüttern lässt: "You have to do something that´s more real than touring, otherwise you would have nothing to write about. The only rule I think this time will be to not have any rules. We dont consciously want to reinvent ourselves. We just want to follow intuitivly where we feel like we should go. I dont know what it´s going to sound like but I´m excited that I dont know!"
Das liebe Touren also. In Südamerika haben sie als Vorband der Red Hot Chilli Peppers vor durchschnittlich 50.000 Menschen gespielt, gefühlt das größte Publikum ihrer Karriere.
Da scheinen die Steh- und Sitz-Ränge der Wiener Stadthalle, wo sie gestern Abend aufgetreten sind, fast schon übersichtlich. Und lieb. Aus Band und Publikumperspektive: ein Flohzirkus.

ond
Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Bands bestehen in einer Vorliebe für "groove". Wie man gestern Abend beim kurzen Foals-Gig sehen konnte wissen sie, dass man ein wartendes Publikum mit dem Erinnern daran, was gleich kommt, gut bei Laune halten kann. "Are you excited to see the Red Hot Chilli Peppers?" und so weiter. Das obligatorische Mitklatsch-Animierprogramm gehört auch dazu und nicht zu vergessen: mit dramatischen Gesten eines Gladiators die Songstarts ankündigen. Dabei am besten auf dem Schlagzeug stehen, damit es auch wirklich jeder sieht.

ond
Ich habe ja schon viel gesehen und mein im wirklichen Leben eigentlich sinnloses Talent zur Verblendung, ist wenigstens dann hilfreich, wenn man sich unbedingt etwas schönreden möchte. Aber natürlich hat sich die Mehrheit der KonzertbesucherInnen kaum bis gar nicht für die Vorband interessiert. Jedenfalls nicht in der Reihe der Nord-Ost-Tribüne, wo rechts Popcorn und links Playstation angesagt war. Dafür ja das schlichte Namensschild-Transparent hinter der Band, vielleicht merken sich ja ein paar der Menschen dort etwas, das sie am Tag darauf ergoogeln können. Dass "Miami" sowas wie ein HipHop-Song ist, dass die Band "Cassius" als ihren Hit bezeichnet und vielleicht stolpert ja dann jemand über das Video zu "Spanish Sahara" quasi eine Ballade bei der man sich in ein Unglück stürzen möchte, weil der emotionale Wiederaufbau aka der Neuanfang so unglaublich gut klingt.
Das gute an Supportgigs ist ja, dass sie einen kompakten Einblick bieten. Das blöde ist, dass sie im besten Falle Lust auf mehr machen. Dilemma erkannt. Red Hot Chilli Peppers nachreisen ist keine Option. Also warten auf den Sommer.
Bis was passiert halt.