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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

6. 12. 2011 - 16:51

Journal 2011. Eintrag 220.

Die Geschichte vom Honig-Mann.

2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.

Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo (oder nur unzureichend) finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.

Heute über Honig, seine Produzenten und wie das mit dem Ende der Welt zusammenhängt.

Heute war der Honig-Mann angekündigt.
Der Honig-Mann steht ebenso wie die Oliven-Frau, die Brand-Schwestern, die Kunsthandwerks-Oma und die Keks-Familie einmal im Jahr im Funkhaus-Foyer und betreibt dort einen kleinen, improvisierten Stand. Also ein Mikro-Bauernmarkt, im Winter sogar mit festlichem Flair. Die Keks-Familie kommt übrigens nächste Woche, mit Weihnachtsgebäck.

Seit vielen Jahren kommen diese oder andere fahrende Gesellen und verbringen einen Halbtag im Funkhaus.
Das ist praktisch, weil man sich nicht durch echte Samstags- oder gar Christkindl-Märkte drängen muss; und es hat (so wie der Crepes-Stand vor der Karlskirche) auch etwas Beruhigendes, weil es, rituell, einmal im Jahr stattfindet.
Die Kekse lass' ich aus, weil die Familien-Kekse eh besser sind, auf die Schnäpse leg' ich keinen Wert, aber die Oliven-Kreationen können was. Und vor allem der Honig-Mann.

Waldhonig, Blütenhonig, Crémehonig und Gelée Royale

Der Honig-Mann bringt Waldhonig, Blütenhonig und Crémehonig, er brächte auch Gelée Royale und Propolis-Tinkturen, whatever this is, und sogar Lippenbalsam.
Ich nehme ihm immer seine drei Honige ab, nehme seine Karte und bestelle dann jedes Jahr nichts bei ihm nach, sondern im Handel, oder ich nehme bei Reisen ein spezielles Glas mit.

Der Einkauf ist wichtig; denn aktuell pfeif' ich honigmäßig grad aus dem letzten Loch.
Das hat auch damit zu tun, dass der Honig-Mann im Vorjahr nicht da war. Erstmals überhaupt.

In den Funkhaus-Gängen hieß es (durch Mundpropaganda hochdekorierter Ö1-Journalisten), dass ihm die Ernte ausgefallen wäre.
Das fiel durchaus mit den entsprechenden Meldungen der Agrar-Industrie zusammen, über den Rückgang der Ernte (sagt man da auch Ernte, im Fall der Bienen? Ich denke ja.) und über die Probleme in den Bienen-Populationen.

Zuerst stirbt die Biene, dann stirbt der Mensch

Die traten zwar schon Jahre davor und eigentlich hauptsächlich in den USA auf - aber sind die Vereinigten Staaten nicht auch in Sachen Umweltsünden immer totale Trendsetter und Vorreiter.

Dann noch der Albert Einstein zugeschriebene Satz Zuerst stirbt die Biene, dann stirbtder Mensch, der von ernstgesichtigen Wissenschaftern verbreitet wird - und das alles mitten in der Hochblüte des Hypes um den Maya-Kalender und das Ende der Welt, wie wir sie kennen, am 21.12.2012.

Für jemanden, der gegen solche Verschwörungs-Theorien sonst sehr immun ist, war ich im Fall der Honig&Bienen-Geschichte einigermaßen verunsicherbar.
Auch wenn über die Zeit Beruhigung eintrat und zunehmend die tatsächliche Entwicklung beleuchtet wurde. Und da kommt dann raus, dass massiver Monokulturismus und rabiater Raubbau an der Bienen-Substanz die US-Industrie in eine Sackgasse geführt haben und dass es in Europa eher ein Schmarotzer-Problem gibt.
Das gute am Krisen-Hype war jedoch, dass es einen ordentlichen Bewusstseins-Schub innerhalb der Bauern, die auch als Imker tätig sind, gegeben hat. Immerhin.

Völkersterben, Ernteausfälle und irrtümliche Annahmen

Heuer, so heißt es, war wieder eine gute Saison.
Und für heute war der Honig-Mann nach der letztjährigen Pause wieder avisiert: seine Flugzettel hingen schon seit Tagen im Lift.

Tatsächlich war er dann da, hatte all seine Honige und Tinkturen und Extras mit, und ich habe ihm die übliche Menge abgekauft. Ja, die Ernte wäre gut gewesen, meinte er und erzählt mir ungefragt, wo er in den nächsten Tagen noch überall stehen würde mit seinem Verkaufstisch. Falls ich doch noch mehr...

Wie er denn das im Vorjahr verkraftet hatte, wollte ich dann wissen. Aber da wusste dann der Honig-Mann nicht, wovon ich spreche. Im Vorjahr sei er nicht da gewesen, ja, aber das war einer Operation geschuldet, der er sich in diesem Zeitraum unterziehen musste, und nicht dem Honig-Aufkommen.

Ich nehme zweierlei mit: zum einen die Gewissheit, dass auch die seriösen Journalisten gern das unüberprüft nachquatschen, was sie an der Kaffeebar so an Gerüchten gehört haben, und dass es auch privat nicht schadet, das zu überprüfen. Und zum anderen die Gewissheit, dass dieser Un-/Zufall bei mir dasselbe bewirkt hat, wie der Bienenvölkersterben-Hype bei den heimischen Imkern: einen ordentlichen Bewusstseinsschub. Immerhin.