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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

5. 12. 2011 - 23:25

Journal 2011. Eintrag 219.

Fauner, Tichy und die dringende Notwendigkeit von Anti-Fernsehen.

2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.

Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo (oder nur unzureichend) finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.

Heute mit dem was Fauner Consulting und den Raumpiloten Ijon Tichy verbindet.

Es ist ehrenwert, von In Treatment zu sprechen, wenn es um Vorbilder geht. Und gleichermaßen unsinnig.
Denn die kleinen Zwölf-Minüter, die auf der Site Fauner Consulting jeden Dienstag freigeschaltet werden, sind elegant improvisierte Seifen-Teile, und auch schönes kleines Anti-Fernsehen. Nicht jedoch ein in sich perfekt verzahntes, dramaturgisch mit hunderten Strängen durchkonzipiertes Stück epischer Bild-Literatur wie die in Israel erfundene und bei HBO zur Meisterschaft gebrachte Serie. Die ist Fernsehen; das bestmögliche sogar. Und dringend nötig.

Fauner Consulting hingegen ist Anti-Fernsehen.
Und auch das ist dringend nötig; als Befruchter und Anstoßgeber, als Variation und Spielraum.

Entstanden ist diese Idee, eine kleine Reihe, die klassischer Serien-Dramaturgie folgt, aber ein bisserl neben der Spur, ein bisserl gewagt, im besten Sinne hingeschissen daherkommt, auf Basis einer Ablehnung des ORF-Fernsehens. Dann, so beschlossen Autor/Regisseur Georg Weiss und Produzent/Hauptdarsteller Manuel Rubey, machen wir's halt selber, in diesem anderen Medium, dem Internet.

Fauner und seine Um-Florer

Nun ist das, was wir bisher zu sehen bekamen (morgen kommt Teil 3), nicht sehr weit weg vom hintergründigen Schmäh von Ex und diversen aus der Donnerstag-Nacht-Werkstätte (Schalko, Harreither) entstammenden Serien-Produktionen. Natürlich runtergebrochen auf's Rudiment: im wesentlich eine Wohnung, wenige Akteure und wenig hektisches Geschneide. Denn es muss billig sein, wenn man nicht über die klassischen Produktions-Etats verfügt.

Dass die Erlebnisse des Taugenichts Franz Fauner trotzdem immer noch mehr Fernsehen als Anti-Fernsehen sind, hat nicht nur mit dem wehmütig ausgesuchten Zeitpunkt der dienstäglichen Veröffentlichung (nämlich 20 Uhr 15) zu tun, sondern mehr damit, dass es hierzulande allzu wenig Anti-Fernseh-Tradition gibt. In Wien schauen ja selbst die meisten Okto-Produktionen wie Parodien auf richtiges Fernsehen aus - weil sie so verzweifelt versuchen, richtiges Fernsehen zu sein, und sich deshalb im Imitat verlieren; inhaltlich wie formal. Deswegen hält sich in diesen Parodie-TV-Sendern (von denen es ja noch einige andere, zumeist regionale Ausprägungen gibt) ja auch das Lahme und Öde des gestrigen TV-Standards.

So richtiges Anti-Fernsehen haben nur vereinzelte Wohl-oder-Übeltäter wie der schmerzhaft vermisste Tomtschek mit seiner Happy-Truppe zustandegebracht. Bei allen anderen ist der Wille, es gefälligst so schnell wie möglich ins "richtige" Fernsehen zu schaffen, zu deutlich zu riechen; und macht Anti-Fernsehen auch schon wieder unmöglich.

Tichy und die Halluzinelle

Dabei kann man es auch mit richtigem Anti-Fernsehen ins richtige Fernsehen schaffen; wohl nur per Zufall, aber das ist mir als Konsument dann auch egal.

Jeden Montag nach Mitternacht zeigt mir ausgerechnet das ZDF sein Beweisstück. Da läuft die zweite Staffel von Ijon Tichy, Raumpilot, einer sowohl inhaltlich als auch formal und vor allem ästhetisch völlig fehlplatzierten, bewusst trashig in Szene gesetzten Science Fiction-Parodie.
2007 wusste Staffel 1 zu überzeugen; und da waren es nur genau sechs 15-Minüter.

Für die zweite Staffel sind es acht Folgen zu 24 Minuten; und es geht sich trotzdem aus. Auch, weil das Grundkonzept, die betrunkenen Angeber-Geschichten einer Stanislaw Lem-Figur, die ihren Alltag auf Weltraum-Abenteuer hochrechnet, wieder mit ausgesucht feiner Ironie, extremer Liebe zu puscheliger Requisite und aus Haushaltsgegenständen gebastelten Außeriridischen sowie - vor allem - Reduktion aufs Wesentliche, beibehalten wurde.

Auch das ist Anti-Fernsehen par excellence. Das haben die Erfinder Randa Chahoud, Dennis Jacobsen und Oliver Jahn (der auch gleich den Tichy spielt) auf der risikobereiten dffb, der Film- und Fernsehakademie in Berlin, gelernt.

Das dffb-Anti-TV-Risiko und der Imitations-Versuch

Dass ihr Ding jetzt im ZDF (zuvor schon auf zdf_neo, wo ichs übersehen habe) und natürlich auch online, zum Nachschauen zu sehen ist, ist auf eine schöne Art absurd (wer sich über die Möbelplaneten-Folge nicht amüsieren mag, dem kann ich echt nicht helfen... ). Wäre eigentlich eine dieser Räuberpistolen, die Ijon Tichy uns treuherzig als urwahr ans Herz legen will.

Anti-Fernsehen mitten im Fernsehen ohne Fernsehen sein zu wollen.

Nun ist das Fauner-Team zwar nicht einer dffb-artigen Schule entwachsen, in der genau solche Themen verhandelt werden; das müsste aber nicht daran hindern, wesentlich klareres Anti-Fernsehen zu produzieren. Regisseur Weissgram kommt vom Pop-Video; und auch dort gibt es einige Leute, die das können (ich denke da nur an diverse Kreisky-Videos und ihre umwerfenden bewusst gegen herkömmliche TV-Gewohnheiten inszenierten Bildwelten).

Fauner Consulting ist durchaus sehenswert. Ich schau dort jede Woche rein. Aber da ginge noch deutlich mehr. Auch, weil es dringend nötig ist.