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2. 12. 2011 - 15:33

„Denis gehört zu uns.“

Wieder soll eine Familie aus Österreich abgeschoben werden, obwohl sie seit sechs Jahren hier lebt und als gut integriert gilt. Diesmal erhebt sich an Schulen Widerstand dagegen.

Familie Vuckovic hat den negativen Asylbescheid vor zwei Wochen erhalten. Dazu geführt hat im sechs Jahre lang verschleppten Verfahren wieder einmal eine versäumte Frist, die aufgrund von Änderungen im Fremdenrechts-Dschungel entstanden ist. Betroffen ist auch der vierzehnjährige Denis Vuckovic. Er spielt im Basketball-Team der Schule und wird von seinen Mitschülern und Lehrern geschätzt - so sehr, dass sich hunderte Schüler und Lehrer heute im Turnsaal des Sportgymnasiums Maroltingergasse versammelten. Aus gestapelten Turnmatten wurde eine Bühne improvisiert, Lautsprecher und Mischpult wurden aus dem Festsaal angeschleppt. Der Turnsaal war gesteckt voll, sogar aus anderen Schulen sind Menschen gekommen.

Christoph Weiss

Denis selbst war von der drohenden Abschiebung sichtlich mitgenommen, schöpfte bei der Versammlung aber Hoffnung: „Es geht mir nicht so gut. Aber ich hätte nie erwartet, dass so viele Freunde und so viele Menschen, die ich nicht kenne, helfen wollen. Es wird schon gutgehen.“

„Er ist einer von uns.“

Die Schüler haben sich zuerst über Facebook vernetzt und sind jetzt dabei, sich zu organisieren - etwa um im Falle eines nächtlichen Abschiebeversuchs möglichst effektiv Ketten-SMS weiterleiten zu können. Die Emotionen im Turnsaal gehen hoch. „Denis, Denis“-Sprechchöre und Kampfbereitschaft selbst bei den Unterstufenschülern, denn versammelt haben sich alle Jahrgänge des Gymnasiums. „Es ist ganz wichtig, Denis und seine Familie zu unterstützen“, ruft ein Oberstufenschüler ins Mikrofon, „weil er einer von uns ist! Setzen wir ein Zeichen dafür, dass Denis bleiben kann. Lasst uns alle dafür kämpfen, dass ein Mensch, der sich hier eine Existenz aufgebaut hat, diese jetzt nicht gewaltsam aufgeben muss!“

SchülerInnen gemeinsam mit LehrerInnen

Auch LehrerInnen haben sich im Turnsaal versammelt. Robert Parmer, Leiter der Leistungssportgruppe am Gymnasium Maroltingergasse, freut sich, wie viele Schüler bereit sind, sich am Widerstand gegen Denis‘ Abschiebung zu beteiligen: „Wir sehen überhaupt nicht ein, dass Denis aus seiner Lebenssituation herausgerissen wird, wenn er bereits seit sechs Jahren da ist und seinen Lebensmittelpunkt hier hat.“

Christoph Weiss

Denis bedankt sich für die massive Solidarität seiner MitschülerInnen

Auch der Direktor der Schule, Meinhard Trummer, war einverstanden mit der Versammlung, die während der Unterrichtszeit stattfand. Er betrachtet die Versammlung selbst als Unterrichtsstunde: „Ich sehe das im Sinne der politischen Bildung als eine Äußerung von Schülern, denen man sehr oft nachsagt, sie würden sich nicht für Politik interessieren. Ich denke, dass Schülerinnen und Schüler sich nicht für Parteipolitik interessieren. Aber das konkrete politische Anliegen – so wie dieser Fall – kann aktivieren und motivieren. Die Nagelprobe wird am Dienstag sein, wie weit die Schülerinnen und Schüler es regeln, bei einer Demonstration dabei sein zu dürfen.“

SchülerInnen

Gabriel Winkelmüller

Eine Schule darf nicht zu einer Demonstration aufrufen, die Schüler müssen die Erlaubnis bzw. Entschuldigung von den Eltern einholen - und die Demo selbst organisieren. Der Versammlung im Turnsaal nach zu schließen passiert das aber bereits an mehreren Schulen. „Wir werden weiter mobilisieren“, sagt der Schüler Gabriel, „denn wir sehen, wie motiviert die Leute sind, etwas gegen die Abschiebung zu tun.“ Schon heute Nachmittag versammeln sich SchülerInnen noch einmal, um Transparente zu malen und sich weiter zu vernetzen.

Keine Stellungnahme vom Innenministerium

Im Innenministerium war heute niemand zu einem Interview bereit: Einzelfälle kommentiere man nicht. Die Familie hätte aber einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt, deshalb sei sie nicht von der Abschiebung bedroht. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass die Polizei dem negativen Asylbescheid oft höhere Priorität als dem Wiederaufnahmeantrag einräumt und die Abschiebung dann trotzdem durchführt.