Erstellt am: 2. 12. 2011 - 18:07 Uhr
Bergnot und überwachte Selbstmordbegleitung
Es war eine der seltsamsten Anti-Terror-Operationen der letzten Jahre: Im April wurden am Flughafen Schwechat drei Menschen unter dem Verdacht verhaftet, unterwegs in ein pakistanisches Terrorcamp zu sein. Das bemerkenswerte daran: Die österreichischen Behörden beriefen sich auf die Angaben deutscher Stellen, dort wollte man aber von der Gefährlichkeit der Verhafteten nichts wissen. Noch am selben Tag wurden die drei wieder freigelassen, trotzdem wirkt das Ereignis bis heute und womöglich noch lange nach. Denn noch bevor die Nachricht von der Freilassung der Verdächtigen die Redaktionen erreicht hatte, kündigte Innenministerin Mikl-Leitner schon an, ein Anti-Terror-Paket auf den Weg zu schicken.
Und auch einen Tag nach den Anschlägen in Norwegen - das wahre Ausmaß des Schreckens war gerade erst bekannt geworden - meldete sich Peter Gridling, der Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, zu Wort, und forderte neue Mittel für die Behörden im Kampf gegen Bedrohungen à la Breivik.
Konzepte in der Schublade
Teil eins des Anti-Terror-Paketes ist schon beschlossene Sache: die Ergänzung der Anti-Mafia und Anti-Terrorparagrafen im Strafgesetzbuch wurde, in nach Protesten von NGOs abgeschwächter Form, bereits beschlossen.
Teil zwei ist die Ausweitung der Befugnisse der Polizei im Zuge des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG). Auch hier protestieren NGOs vehement, weil sie einen Ausbau des Überwachungsstaats und eine massive Einschränkung der Möglichkeiten für zivilen Ungehorsam befürchten.
Nun gehört es natürlich zu den Aufgaben der Politik, angemessen auf aktuelle Ereignisse zu reagieren, aber der Eifer und nicht zuletzt die konkreten Vorstellungen, mit denen Ministerin und Direktor in die Öffentlichkeit gingen, nährt den Verdacht, dass hier nicht mit Umsicht auf aktuelle Ereignisse reagiert, sondern Anlässe genutzt wurden, um fertige Konzepte aus der Schublade zu holen.
Etwas seltsam auch, was sich in einer solchen Anti-Terror-Gesetzgebung alles verbirgt: Neben vielen Maßnahmen, die nach Einschätzung von Experten weit über ihr Ziel hinausschießen, aber immerhin noch mit der Zielsetzung "Terrorbekämpfung" begründbar sind, findet sich hier nämlich so manche Kuriosität. Da soll die polizeiliche Handyortung, die bei der letzten Verschärfung des SPG mit der Begründung eingeführt wurde, Bergsteiger in Notlagen aufspüren zu können (Elisabeth Rech, Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer dazu: "Ich bin erschüttert, wie viele Menschen in Österreich jedes Jahr in Bergnot geraten.") auf eventuelle Begleitpersonen ausgedehnt werden. Begründung: Selbstmörder würden oft ihr eigenes Handy ausschalten, um nicht mehr gefunden zu werden. Nur wenige Anwesende hatten zuvor schon von Fällen gehört, in denen Selbstmordversuche in Begleitung unternommen wurden.
Höhere Verwaltungsstrafen für Behinderung der Polizei finden sich ebenso im Anti-Terror-Paket wie das Verbot, "grafische Darstellung der Sicherheitsbehörden oder Polizeikommanden in einer Weise (zu verwenden), die geeignet ist, eine öffentliche Berechtigung vorzutäuschen oder das Ansehen der Sicherheitsexekutive zu beeinträchtigen". Man mag zu den halblustigen "Pozilei"-T-Shirts stehen wie man will, aber was haben die, und was haben Bergsteiger und Selbstmörder in einem Anti-Terror-Paket verloren? Was hat das Verschärfen von Paragraphen zu Hausbesetzungen (§38 Abs.5) mit Terrorismusbekämpfung zu tun?
Hausbesetzung = Terrorismus?
Nun mag man argumentieren, man ändere eben in einem Aufwasch noch ein paar andere, notwendige Dinge mit. Aber die einzelnen Bestimmungen sind hier so miteinander verwoben, dass der vorgebliche Selbstmordschutz selbstverständlich auch zur Überwachung von Begleitern Verdächtiger verwendet werden kann. Und sie sind so unpräzise, dass sie auch Menschen treffen können, die angeblich nicht gemeint sind. Wenn man Hausbesetzer oder die Störung der öffentlichen Ordnung härter bestrafen will, dann könnte man das auch eigens diskutieren, und nicht im Zuge einer angeblichen Bedrohung des Staates durch Terrorismus. So könnte nämlich glatt der Eindruck entstehen, die Einschränkungen der Grundrechte und die Ausweitung der Polizeibefugnisse ziele gar nicht nur auf Terrorismus, sondern gleich auf alle möglichen unbequemen Formen öffentlichen Protests.