Erstellt am: 1. 12. 2011 - 23:33 Uhr
Fußball-Journal '11-135.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch das heurige Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit einer Analyse der drei Euro-League-Starter Austria Wien, Sturm Graz und FC Salzburg.
Es gibt keine Zufälle in der heurigen Saison der Europa League.
Zumindest nicht, was die österreichischen Vertreter betrifft.
Es ist kein Zufall, dass Sturm vor dem letzten Spiel schon keine Chance auf ein Weiterkommen hat, es ist kein Zufall, dass die Austria Wien eine kleine Möglichkeit auf ein fröhliches Überwintern hat, und es ist kein Zufall, dass Salzburg den letzten Moment benötigte, um die Tür weit aufzustoßen.
Nicht zufällig klar gescheitert: Sturm Graz
Der letzte Wechsel im heutigen Spiel war symptomatisch für die Euro-Saison von Sturm Graz (die sich nicht sonderlich von der mäßigen Liga-Saison unterscheidet). Franco Foda brachte beim Stand von 1:2 einen neuen Stürmer anstelle eines Mittelfeldspielers. Bloß: Am System änderte sich nichts. Das flach-vorsichtige 4-4-2 blieb wie zuvor: ängstlich. Der neue Stürmer ersetzte einen Mittelfeldspieler in dessen Position. Sturm Graz hatte danach keine einzige wirkungsvolle Offensiv-Aktion, im Gegenteil: Der Gegner setzte noch eines drauf, man verlor 1:3.
Zu Recht.
Denn: Wer nicht will, der soll auch nicht.
Heuer klappt der seit ewige Jungbrunnen der Erneuerung aus dem Nichts (sprich: der eigene Nachwuchs), der bei Sturm Graz drei, vier, fünf Jahren immer wieder funktionierte, nicht.
Dazu kommt, dass Trainer Foda etwas tut, was er die Jahre davor unterlassen hatte: Er rotiert permanent. Und zwar hauptsächlich um zu disziplinieren. In Moskau etwa fehlten Bukva und Wolf, ganz ohne Not.
Dadurch kommt keine echte Eingespieltheit zustande, die die Jungen der letzten Jahre zu schnellen Starruhm gebracht hat.
Nicht einmal in Fodas mittlerweile komplett abgenutztem flachen 4-4-2, dessen einziger Vorteil durch die dauernden Wechsel zunichte gemacht wird.
In Österreich wird das für Platz 3 bis 5 reichen, womöglich. International geht sich das für die Euro-League-Quali aus; mehr nicht.
Nicht zufällig mit kleiner Verweil-Chance: Austria Wien
Durchaus flexibler: Karl Daxbachers Austria. Im Vorjahr war noch der Tannenbaum aktuell, heuer ist es ein ganz präzis auf seine Spieler zugeschnittenes 4-2-3-1, das sich in seiner Optimal-Variante (mit einem fitten Jun, einem sprühenden Junuzovic und einem hängenden Barazite) durch völlige Unberechenbarkeit auszeichnet.
Aktuell kränkelt diese Offensive.
Und weil die Defensive zwar fast komplett im österreichischen Teamkader aufscheint, aber unter Koller (noch) nicht spielen darf, liegt der Schluss nahe, dass sie für heimische Verhältnisse zwar die bestmögliche ist, es aber für die internationale Bühne knapp nicht reicht, sehr nahe.
Gegen den Dritten des ukrainischen Rankings jedenfalls hatte man letztlich zweimal gar keine Chance.
Immerhin besteht wegen zweier Unentschieden gegen das niederländische Klasseteam AZ Alkmaar noch die Chance auf einen der beiden Top-Gruppenplätze, die das Überwintern im Bewerb möglich machen. Und dieses Überwintern trennt die Spreu vom Weizen, macht die fußballerische Klassengesellschaft aus.
Dass die Austria Wien, die wie in den 70ern mit genau drei Legionären spielt, weil sie die heimischen Ressourcen aktuell am effektivsten nutzt, genau an dieser Trennwand kratzt, ist kein Zufall.
Nicht zufällig erst mit schierer Gewalt dabei: Salzburg
Im Gegensatz zu den beiden anderen Teams hat Red Bull Salzburg eine Ausgangs-Position, die sich gewaschen hat: Infrastruktur und Spielermaterial, von denen alle anderen nur träumen können.
Dass in Relation zu den Möglichkeiten und Voraussetzungen bislang eigentlich nichts (weder regelmäßige Titel noch internationale Meriten; nicht einmal durchgehend gute Leistungen) erreicht wurde, ist erschreckend.
Aber nachvollziehbar.
Dafür war das PSG-Heimspiel (das entweder wirklich nicht gut besucht oder nur von den bösen, bösen Kameras immer wieder als halbleer dargestellt wurde) ein blendendes Beispiel.
Akteure, die in der Meisterschaft mit etwa 30% ihrer eigentlichen Kapazität über den Platz schlurfen, waren da plötzlich duracellhasig aufgezogen.
Und das ging sich dann, eher zufällig, durch einen Gewaltakt eines der wenigen, der diese Salzburger Krankheit nicht und nicht annehmen will, aus. Dusan Svento wird es zwar seit Jahren (nicht absichtlich, aber auf fahrlässige Art und Weise) eigentlich unmöglich gemacht Kontinuität in seine Entwicklung zu bringen (statt auf ihn als Linksaußen zu vertrauen, wird er positionstechnisch hin- und hergeschoben; das kostete ihn letztlich die WM-Teilnahme) - trotzdem versucht er jedes Spiel sein Bestes zu geben.
Bei fast allen anderen Spielern, die mit sattmachenden Verträgen in eine Quasi-Leistungsknebelung abgerutscht sind, ist das nicht der Fall: Die packen ihren Ehrgeiz nur bei den paar großen Spielen im Jahr aus.
Und weil eine Mannschaft, die nicht regelmäßig auf einem seriösen Level durchspielt, selbstverständlich keine Philosophie, keine Gemeinsamkeit verinnerlicht haben kann, kann sie sich auch gegen einen Gegner in der Krise kaum durchsetzen.
Der PSG, der den Ausfall seiner drei besten Spieler deutlich schwerer verkraftete als Salzburg, hatte nach dem schnellen Jantscher-Tor kein Problem einen Gang zuzulegen, und Salzburg (im eigenen Stadion) ab Ende der 1. Halbzeit komplett abzuschalten. Auch weil man mit Bodmer oder Sissoko über Spieler verfügt, die eine tatsächliche Gestaltungs-Kompetenz aufweisen - etwas, was bei Salzburg seit Jahren keiner mehr geschafft hat.
Mitschuld an dieser Ohnmacht ist auch ein fast regloser Coach: Die idealen Konterspieler Teigl und Wallner wurden erst in den allerletzten Minuten gebracht. Und fast hätte ein taktisch falsch (auf Zeitschinden) instruierter Teigl auch noch den entscheidenden Treffer zum 2:0 verhindert. Der garantiert, dass man bei Punktegleichheit mit den Franzosen weiterkommt. Die haben zwar ein Heimspiel, aber den besseren Gegner. Salzburg hat den schwächsten Kontrahenten, Slovan Bratislava, auswärts vor der Brust.
Wenn es Moniz versteht seinen Leonardos klarzumachen, dass es hier einen Kapfenberg-Ansatz braucht, und dass der Mattersburg-Ansatz nicht reicht, wird man aufsteigen. Wetten würde ich nicht drauf: Die pomadige Wurstigkeit ist in diesem Team nämlich zu tief angelegt. Es wird wohl wieder nur die schiere Gewalt helfen.