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Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

30. 11. 2011 - 16:35

Acting stupid

ACTA und SOPA: Ein internationales Abkommen und ein US-Gesetz im Kampf gegen Online-Piraten.

Piraterie ist eine üble Sache. Da werden Menschen in Geiselhaft genommen, mit dem Leben bedroht oder gar ermordet, um an die ihnen überantworteten Waren zu kommen oder Lösegeld zu erpressen.

Onlinepiraterie ist praktisch das gleiche im Internet. Nur dass niemand mit dem Tod bedroht oder getötet wird und niemandem Geld herausgepresst wird. Es gibt tatsächlich auch Künstler, die sie befürworten. Und Untersuchungen, die zeigen, dass Online-Piraterie die Unterhaltungsindustrie sogar am Leben hält, die ja außerdem noch ihre lukrative Tochter, die Abmahnindustrie erfunden hat.

Aber dass das Album tot ist, das Urheberrecht völlig unzeitgemäß und praktisch alle digital natives sicher keine Schwerverbrecher sind, kann man dem Zombie Unterhaltungsindustrie nicht begreiflich machen. Klar, dem geht es ums monetäre Überleben, egal ob das kreative Hirn längst ausgezogen ist und ein anderes Geschäftsmodell entwickelt hat.

Zombie

Rockstar Games

Ein Sinnbild mit ironischem Copyright.

ACTA

Und deswegen hat der Zombie ACTA erfunden - das Anti-Counterfeiting Trade Agreement. Ein internationaler Vertrag zwischen etlichen Ländern, darunter den EU-27, der im geheimen zwischen Regierungsvertretern und Unterhaltungsindustrie-Lobbyisten verhandelt worden ist. Vordergründig geht es um Produktpiraterie, liest man aber tiefer in den durchgesickerten Text, merkt man ganz schnell, dass es da auch ganz stark um Online-Piraterie geht. Provider sollen dazu ermutigt werden, ihren Kunden nachzuspionieren und von sich aus tätig zu werden, wenn sie glauben, dass die etwas Illegales machen. Auf der einen Seite also mögliche Urheberrechtsverletzungen, auf der anderen Seite fundamentale Bürgerrechte. Leichte Entscheidung, sollte man meinen.

Einige der 37 verhandelnden Staaten haben den Vertrag bereits unterzeichnet, das EU-Parlament beschäftigt sich gerade in verschiedenen Ausschüssen damit. Ein Beschluss wird ab Februar erwartet. Bis dahin kann man natürlich noch mit österreichischen EU-Abgeordneten darüber reden.

SOPA

Und weil ACTA vielleicht nicht reicht, soll wenigstens die USA Zombieland bleiben. Denn im US-Senat wird gerade SOPA verhandelt - der Stop Online Piracy Act. Der soll legalisieren, was eigentlich schon Praxis ist: Dass Websites in den USA ohne richterliche Kontrolle gesperrt werden können, wenn sie "dedicated to the theft of U.S. property" sind, also dem Diebstahl von US-Eigentum dienen. Was das bedeutet, hat unter anderem ein spanischer Reiseveranstalter erfahren müssen: Er hat auf mehreren .com-Seiten auch Reisen nach Cuba angeboten. Das ist in Spanien legal, in den USA aber nicht und prompt hat die in den Vereinigten Staaten ansässige Domain-Registrierungsfirma die Seite vom Netz genommen.
Geht das Gesetz durch, kann auf Verdacht jede .com-, .net- oder .org-Domain gesperrt werden, weil die in den USA registriert sind.

Das Kampagnennetzwerk Avaaz sagt, dass der demokratische Senator Ron Wyden im Senat so lange die Namen von UnterstützerInnen der Gegenpetition vorlesen wird, bis das Gesetz gescheitert ist. Diese Taktik nennt sich Filibuster, was sich laut Wikipedia vom niederländischen "vrijbuiter" ableitet. Er ist ein Freibeuter, ein Pirat der Demokratie zum Wohle der Demokratie.