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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

29. 11. 2011 - 20:56

Fußball-Journal '11-134.

Bewegung in der zweiten Klasse. Die Herbstsaison der 1. Liga geht heute zu Ende.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch das heurige Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit einer Bilanz der Halbsaison 2011 in der 1. Liga, nach Abschluss der letzten Herbstrunde.

Leicht hat sie es nicht, die sponsorlose zweite Spielklasse des Fußball-Landes, die sogenannte "Heute für Morgen" 1. Liga. Ernst nimmt sie eh keiner, nicht das Publikum, nicht die Medien, nicht die Wirtschaft und schon gar nicht die eigene Vertretung, also die Bundesliga. Lobby hat sie keine, finanzielle Möglichkeiten auch nicht.

In Anbetracht dieser Rahmenbedingungen ist das, was dabei sportlich herauskommt, gar nicht so übel; zumindest partiell. Vielleicht ist die Armseligkeit der Liga sogar die Basis für ein paar mehr als interessante Trainer-Leistungen. Denn Hütter, Scherb, Weissenböck und Canadi bürgen für mehr Qualität als die meisten Kollegen in der Liga drüber.

Dass das keiner merkt, hat mit der katastrophalen medialen Situation der Liga zu tun. Dem breiten Publikum sind die vielen Dorf-Vereine wurscht, regionales Aufsehen erzielen nur die drei vorarlberger Klubs, die beiden Linzer Kontrahenten und die Vienna, der Rest dümpelt im lokalen Fokus.

Kein Medien-Interesse, kein Sponsoren-Interesse...

Die Host-Broadcaster stoßen mit der Live-Coverage und den Spielzusammenfassungen nur auf minimales Interesse. Bis auf die Lokalpresse nimmt niemand über einen Zweispalter hinausgehend Notiz von der Liga.
Und als unattraktives Aschenputtel-Anhängsel der Bundesliga verfügt die 1. Liga auch über keinerlei Netz-Präsenz wie etwa die Regionalligen die eine recht eigenständige Infrstruktur aufweisen können. Im übrigen würde an diesen strukturellen Problemen auch ein Aufstieg von Vereinen wie dem GAK oder Austria Klagenfurt nichts ändern - eine verstärkte überregionale Ökonomie der Aufmerksamkeit geht sich nicht aus.

Dieses Desinteresse und die daraus resultierende Armut sorgt auch dafür, dass sich in der 1. Liga machtvolle Präsidenten-Fürsten tummeln, die man eigentlich schon für ausgestorben gehalten hatte.

Das sorgt dann auch dafür, dass es weniger um die titelgebende Talentförderung geht, sondern mehr um eitelkeitsbefriedigende Legionärs-Schnäppchen. Denn auf jeden Tomi oder Jacobo (Spanier sind auch in der 1. Liga angesagt...), auf jeden Boller oder Roth kommt dann halt auch ein Cabreara oder Giovanni , ein Beciri oder Zivny.

... einige gute Talente und echt brauchbares Coaching...

Einige werden nicht mehr lange in der Liga spielen: Theodore Soares, der junge brasilianische Linksverteidiger bei Austria Lustenau, ein kleines Juwel, wird bereits von deutschen Ligaclubs gecastet; der Deutsche Stefan Rieß vom FCL weckt auch Begehrlichkeiten; der Slowene Poljanec von BW Linz steht ebenso wie sein Top 3-Torschützen-Kollege Christian Falk aus Wolfsberg auf diversen Notizetteln. Auch Kevin Wimmer vom LASK ist (ebenso wie Kollege Hart) reif für größere Aufgaben.

Spieler der Halbsaison, ganz subjektiv, ist Harun Erbek. Der Altacher Linksverteidiger, Antreiber und Umschalt-Chef beim Wintermeister Altach war zumindest jedesmal, wenn ich ihn gesehen habe, auffällig. Und das ist gerade angesichts der Außenverteidiger-Misere in diesem Land augenfällig.

Der Rest obliegt ein paar guten Coaches, die sich im Stillen entwickeln können.
Martin Scherb, der seit gefühlten Jahrzehnten aus wenig (an Material) unglaublich viel herausholt. Riegler, Popp, Zwierschitz und viele noch Jüngere sind Jugendnationalspieler, Rapids Hofbauer blüht auf, Thürauers Abstieg konnte gestoppt werden - da kann man auch Gravogls traurig-frühe Sportivalidität verkraften.
Oder Thomas Weissenböck, der mit dem Aufsteiger BW Linz vorne mitspielt - und zwar nicht weil er fett einkaufen konnte, sondern weil er strategisch sauber agiert und gut aufstellt; zuletzt ließ er sein Team in einem beeindruckenden 4-3-3 auflaufen.

...Soares, Falk, Wimmer und Scherb, Weissenböck, Canadi ...

Oder Damir Canadi, der sich diesbezüglich noch mehr traut (im finalen Spiel kopierte er Rieds 3-3-3-1) und die mühsame Aufgabe den FC Lustenau zu retten durchaus mutig angeht. Damit steht er interessanterweise im Gegensatz zu seinem Kollegen aus gemeinsamen Russland-Tagen, Alfred Tatar. Der verließ sich zu sehr auf konventionelle Strategien, die Oldie-Abteilung (Dospel-Beciri, Hattenberger, Markovic...) und flache 4-4-2-Versuche anstatt seinen Talentestall (Mattes, Toth, Kerschbaumer) zu aktivieren.

Die deutlich reifste Mannschaft ist wieder Adi Hütters Altach; und das auch nicht wegen eines überragenden Kaders (den hätte nur Konkurrent LASK), sondern wegen der vielschichtigen taktischen Varianten, die Hütter immer auf den jeweiligen Kader und um den aktuellen Gegner herum ausrichtet.

Hütter und die anderen Erwähnten gehören in den Verlosungs-Topf, wenn es um Trainer-Jobs in der ersten Reihe geht, die für die Herzogs und Vastics reserviert sind. Natürlich wird da auch Heimo Pfeifenberger genannt, wiewohl der beim SV Grödig einen sehr uninspirierten Job macht und (ebenso wie Walter Schachner oder Kurt Garger) nur durch die Übernahme alter Muster auffällt. Aber da geht es wie immer nur um die Sicherung der Interessen der Seilschaften (zu denen Hütter nicht gehört) nicht um tatsächliche Leistung.

... oder Hütter machen Hoffnung auf Qualität statt Lobbying

Nicht einschätzen kann ich die launische Austria Lustenau und ihren isländischen Trainer; und irgendwie gar kein Gefühl habe ich für Wolfsberg und Nenad Bjelica. Der ist clever genug, bei Kritik an seiner Person die Rassismus-Keule einzusetzen, also ein fieser Stratege. Auch immerhin etwas.

Eine Ausbildungs-Liga ist die 1. Liga aber weiterhin in einem sehr geringen Maße. Die Transfers ins Ausland sind keine Erfolgs-, sondern Flucht-Geschichten, einen Aufstieg in die Bundesliga gibt es nur bei Verleih-Geschäften, aber selbst dort bleiben sie in der Minderzahl.

Und die Tatsache, dass Soares, das fraglos größte Talent der Liga, keinem Bundesligisten aufgefallen ist, spricht ein vernichtendes Urteil über das Scouting in diesem Land. Aber das ist wieder eine andere Geschichte...