Erstellt am: 30. 11. 2011 - 18:59 Uhr
Frische Wellen finnischer Schwermut
Man kann die Gitarrenverstärker zum großartigen Feedback-Gequitsche vor dem geistigen Auge richtig rauchen sehen. Mit viel Halleffekt löst sich der schöne Lärm gleich wieder auf, um einem treibenden Schlagzeug und quirrligen Gitarren Platz zu machen. Ein frischer Wind weht uns da aus dem hohen Norden entgegen, denn die fünf jungen Finnen French Films überraschen mit einem recht ausgeklügelten Debüt, das einen auf viele Fährten schickt, nur um uns dann dort auszuspucken, wo wir eigentlich herkommen.
French Films
Referenzautomatismus
- Alle Alben der Woche auf einen Blick auch unter fm4.orf.at/albumderwoche
Wir alle haben so unsere Assoziationen, die uns meist unbewusst, vor allem aber unwillentlich in den Kopf schießen. Unter Musikjournalisten weit verbreitet ist der Referenzautomatismus, der immer gleich dann einsetzt, wenn man eine unbekannte Band zum ersten Mal hört, um sie - anfänglich zumindest für sich - auf der musikalischen Landkarte verorten zu können. Im Fall der French Films spuckt die innere Musikbibliothek schon beim Eröffnungsstück "This Dead Town" sofort die Namen The Drums oder auch Joy Division aus. Hört man sich weiter durch das Œuvre der fünf jungen Musiker aus Espoo, einem kleinen Ort in der Nähe von Helsinki, dann kommen weiter verwandte Klangatmosphären in den Sinn, wie die von The Cure, Interpol oder auch den Editors. Das hat nicht zuletzt mit dem eher tiefen Timbre der Finnen zu tun, die bei einigen Songs die Gesangsmikrophone tauschen. "Living Fortress" zum Beispiel, kommt mit dem für die French Films eher langsameren Groove und dem Arpeggio-Keyboard im Hintergrund fast schon getragen daher. Passend dazu erzählt uns Bassist Mikael vom harten, skandinavischen Winter, der nicht selten zu depressiven Stimmungen führt.
French Films
Und damit sind wir auch schon beim spannenden Punkt, was das Debüt "Imaginary Future" betrifft. Denn die zehn knackigen, in ein meist dreiminütiges Popformat eingepassten Songs taugen nicht ausschließlich für das hedonistische Wochenende, in dem man sich den Frust von der Seele tanzen kann. Schnell genug sind die Nummern dafür allemal, wie "Convict" beweist. Unter der federleicht dahin swingenden Oberfläche, die einen an schäumende Wellen an goldenen kalifornischen Stränden denken lässt, werden aber auch die dunklen Tiefen der skandinavischen Seele ausgelotet. Im Fall von Johannes Leppänen, der die meisten Texte für "Imaginary Future" geschrieben hat, bedeutet das vor allem, sich mit der unstillbar scheinenden Sehnsucht auseinanderzusetzen, die Heimat hinter sich zu lassen, um in den warmen Süden zu gehen. Nicht nur in dem Song "New Zealand" träumt der French Films Sänger und Gitarrist vom goldenen Meer, tropisch wirkenden Stränden und der vermeintlichen Leichtigkeit des Lebens. Diese melancholische Ader erklärt vielleicht auch den Hang zum unterkühlten, britischen New Wave, der in Songs wie "Golden Sea" oder "Pretty In Decadence" anklingt.
Sonniger Startschuss
Die French Films live in Österreich:
- 20.01.12 Rockhouse Salzburg beim Yeah! / Musikexpress Club
- 21.01.12 Carinisaal, Lustenau
- 22.01.12 Chelsea, Wien
"Imaginary Future" ist jedoch keine mitleidige, persönliche Nabelschau. Schon in besagtem Eröffnungsstück "This Dead Town" stoßen sich die French Films nicht nur an der Engstirnigkeit der Menschen jener Kleinstadt, in der sich aufgewachsen sind. Die tote Stadt, die da besungen wird, könnte eigentlich in allen europäischen Ländern stehen. Schließlich geht es um den global spürbaren Rechtsruck und die immer größer werdende Einflussnahme von extremen Populisten, die Johannes dazu veranlasst hat, sich eine andere, besser Zukunft auszudenken, in der das friedliche Zusammenleben nicht durch das Schüren von Ängsten, Neid und Hass untergraben wird. Insofern versteckt sich in diesem kleinen Debüt auch ein großes Anliegen, nämlich das Einstehen für Freiheit, Toleranz und das Ermöglichen einer Zukunft, in der die unterschiedlichsten Kulturen gewaltfrei koexistieren können.
Dieses Element ist nicht mehr verfügbar
Ob in der realen Zukunft die French Films nicht nur musikalisch auf goldenen Sandstränden in der Sonne dahin spazieren werden, das kann wohl niemand vorhersehen. Sicher ist, dass diese zehn energiegeladenen und selbstproduzierten Songs der jungen Finnen erst der Anfang sind. Und wenn die fünf Freunde auch weiterhin auf ihr gutes Gespür vertrauen, dann werden sie uns sicher noch das eine oder andere großartige Album bescheren.
French Films